"Kein Kontinent, der Zukunft ausstrahlt": Industrie 4.0 soll Europa retten
Angela Merkel wirbt für die Digitalisierung der Wirtschaft. Die Chancen sind größer als die Risiken, sagt die Kanzlerin - und fordert europäische Standards im weltweiten Wettbewerb.
Es ist an der Zeit für Vier-Punkt-Null. Europa und vor allem Deutschland müssen sich digitalisieren, wenn sie in der Weltwirtschaft auch künftig eine gewichtige Rolle spielen wollen. Eindringlich mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag auf dem Euref-Campus in Berlin, die Risiken der vernetzten Welt nicht über die Chancen zu stellen. „Auf jeden Fall erfordert eine Prosperität Europas eine positive Einstellung zu den technischen Möglichkeiten der digitalen Welt“, sagte Merkel auf einer Konferenz, zu der das Vodafone-Institut Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf das Gelände am Gasometer in Schöneberg geladen hatte.
Industrie 4.0 ist derzeit eines der Modeworte in Politik und Wirtschaft. Im Kern geht es darum, die industrielle Fertigung durch den Einsatz von Netzwerken und die intelligente Auswertung großer Datenmengen – Big Data – deutlich effizienter zu machen. Experten glauben, dass durch die Vernetzung von Informationstechnologie und Industrie dort in den kommenden Jahren Produktivitätssteigerungen von rund 40 Prozent möglich sein könnten. Sie sprechen deshalb von der vierten industriellen Revolution – Industrie 4.0. Die damit einhergehende Sorge vor einer Rationalisierungswelle versuchte Merkel zu zerstreuen. „Hier werden weit mehr Jobs entstehen als wegfallen“, betonte die Kanzlerin.
Merkel: Nationaler Alleingang funktioniert nicht
Die Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen, damit der Wandel gelingen könne, sagte Merkel. Als Beispiel nannte sie die Digitale Agenda der großen Koalition, den nationalen IT-Gipfel oder konkret den Plan zum bundesweiten Ausbau des schnellen Internets mit 50 Megabit pro Sekunde bis 2018. Die Digitalisierung funktioniere aber nicht im nationalen Alleingang. Deutschland drücke deshalb auf europäischer Ebene aufs Tempo, etwa bei der Frage, wie man verlässlich sichere Verbindungen gewährleisten könne oder bei der geplanten europäischen Datenschutzgrundverordnung.
Als bedeutender Wirtschaftsraum müsse Europa Standards setzen, um zu überleben. Derzeit sei das Wachstum in vielen Staaten der EU schwach. „90 Prozent des Wachstums weltweit findet außerhalb Europas statt.“ Gleichzeitig liege die Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern besonders hoch. In dieser Verfassung sei Europa „kein Kontinent, der Zukunft ausstrahlt“.