Tarifverhandlungen in der Metallindustrie: In der heißen Phase
Die Tarifparteien in der Metallindustrie kommen auf die Zielgerade. Knackpunkt ist dabei vor allem die Bildungsteilzeit.
Ohne Spektakel auf der Straße geht es nicht. Und zwar auf beiden Seiten. Die IG Metall braucht Warnstreiks, um ihre Truppenteile in Form zu halten und den Arbeitgebern und der Öffentlichkeit zu imponieren. Und für die Verbände der Metallindustrie sind die Warnstreiks wichtig, weil sie ihren Mitgliedsunternehmen signalisieren: Es könnte ernst werden, wenn ihr euch nicht bewegt. Und es wird langsam ernst. Mit der Ende dieser Woche beginnenden dritten Verhandlungsrunde kommen die Tarifparteien auf die Zielgerade. Und damit das Tempo stimmt, wird überall gestreikt, auch in Berlin, wo am Montag rund 2000 Metaller in Siemensstadt für mehr Geld, Altersteilzeit und eine bezahlte Freistellung für Weiterbildung demonstrierten. „Weil gute Argumente allein nicht zählen, stehen wir vor den Werkstoren, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen“, sagte der Berliner IG-Metall-Chef Klaus Abel.
Der Pilotabschluss kommt aus Baden-Württemberg
Ein bisschen streiken können auch die Berliner, doch der Pilotabschluss für die fast vier Millionen Metallbeschäftigten kommt auch in diesem Jahr aus Baden- Württemberg. Dafür gibt es mehrere Gründe: Im Südwesten sind beide Seiten stark, erfahren im Tarifgeschäft und deshalb kompromiss- und abschlussfähig. Und in diesem Jahr kommt noch eine Besonderheit dazu: In Baden-Württemberg haben sie schon vor Jahren einen Qualifizierungstarifvertrag abgeschlossen. Hier kennt man sich aus mit der Förderung von Weiterbildung. Der Knackpunkt in der Tarifrunde 2015 ist nämlich weder das Geld noch die Verlängerung der Altersteilzeit, sondern die sogenannte Bildungsteilzeit.
Die IG Metall möchte einen Freistellungsanspruch für Weiterbildung vereinbaren und die Bildungszeit auch finanziell absichern. Wer für eine bestimmte Zeit nicht arbeitet, sondern zum Beispiel den Meister macht, bekommt weiterhin ein Einkommen. Und zwar aus einem Topf, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam füllen. Ein Teil der Tariferhöhungen wird zurückgelegt für die Finanzierung von Altersteilzeit und demnächst vielleicht auch für Bildungszeit.
Das klingt plausibel, und in manchen Einschätzungen sind sich die Tarifparteien auch einig. Wegen der Digitalisierung stehen Industriefirmen und Industriearbeiter vor gravierenden Veränderungen; die Arbeitszeit ist schon lange nicht mehr starr, entspricht aber noch zu wenig den Ansprüchen der Arbeitnehmer in verschiedenen Lebensphasen; der Fachkräftemangel plagt die Firmen auch deshalb, weil immer mehr junge Leute studieren. Die Unternehmen müssen also attraktiver werden für Facharbeiter.
Die Arbeitgeber sprechen von einem "Reptilienfonds"
Die IG Metall würde nun am liebsten einen Finanzierungstarifvertrag abschließen, basierend auf einem Fonds, in den über die Jahre immer mal wieder ein paar Zehntelprozentpunkte von Tariferhöhungen einfließen, und der von Arbeitnehmern für die Finanzierung von Auszeiten angezapft werden kann: Für einen stufenweisen Ausstieg im Alter, für Kinderziehung in der Jugend, für Pflegezeiten und natürlich Weiterbildung. Eine schöne Sache – aber nicht für die Arbeitgeber. Die sprechen von einem „Reptilienfonds“, also eine Art schwarzer Kasse, mit der die IG Metall ihre Mitglieder in den Betrieben zu privilegieren gedenkt. Das ist Polemik. Aber wer zahlt wie viel wofür und wer entscheidet über die Vergabe der Mittel? Droht in den Betrieben ein Verteilungskonflikt, obgleich doch der Sinn von Flächentarifen darin besteht, die Betriebe freizuhalten von solchen Auseinandersetzungen?
Am Ende geht es um Mitbestimmung
Auf viele dieser Fragen werden die Tarifklempner Antworten finden. Doch am Ende geht es um die Macht, um mehr Mitbestimmung für die Betriebsräte. Die großen Unternehmen aus der Autoindustrie haben damit weniger Probleme, sie kennen die Zusammenarbeit aus paritätisch besetzten Aufsichtsräten. Für die kleinen Firmen aus dem Maschinenbau ist das ein Kulturbruch, wenn der Betriebsrat darüber mitbestimmen sollte, wie die Mittel aus dem Bildungstopf verwendet werden. Herr im Haus ist immer noch der Unternehmer, und der weiß am besten, welche Weiterbildung seine Leute brauchen. Auf dieser Linie liegt die Argumentation des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall: Die Firmen geben jedes Jahr vier Milliarden Euro für die Erstausbildung und weitere vier Milliarden für Weiterbildung aus. Das reicht eigentlich. Aber man ist gerne bereit, gemeinsam mit der IG Metall etwas mehr zu tun für An- und Ungelernte. Das wird aber der IG Metall nicht reichen. Deshalb werden bis zum 11. Februar noch Zehntausende auf die Straße gehen, damit die dann anstehende Tarifrunde in Sindelfingen auch die letzte ist. Und es keinen richtigen Streik gibt.
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