Diskussion nach Germanwings-Absturz: In den Köpfen der Mitarbeiter
Wie können Arbeitgeber die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter in besonders verantwortungsvollen Berufen kontrollieren? Verkehrsunternehmen lassen ihre Beschäftigten oft umfangreich untersuchen. Doch es gibt Lücken.
Der Kopilot der Germanwings-Maschine soll sich und 149 weitere Menschen an Bord des Flugzeuges absichtlich in den Tod gesteuert haben. Es heißt auch: Todespilot Andreas Lubitz habe sich seit mehreren Monaten in psychiatrischer Behandlung befunden – und sei für den Unglückstag krankgeschrieben gewesen. Vor seinem Arbeitgeber, der Lufthansa-Tochter Germanwings, hatte der Pilot das offenbar verheimlicht. Kollegen fiel angeblich nicht auf, dass der Pilot krank war.
Zwar umgibt den Pilotenberuf ein besonderes Prestige, hat doch ein Flugkapitän mit dem Steuerknüppel die Verantwortung für Dutzende Menschenleben buchstäblich in der Hand. Doch auch im Alltag am Boden vertrauen Millionen Bundesbürger ihr Leben jeden Tag auch anderen Berufsgruppen an, von Lokführern bis zu Busfahrern.
Bei der Lufthansa steht Piloten ein Vertrauensteam zur Seite
In der Luftfahrt gelten Tests und Kontrollen für Mitarbeiter als besonders umfangreich. In kaum einem Beruf müssen Anwärter schon vor der Ausbildung so viele Prüfungen durchlaufen wie bei den Piloten. Mehr Tests und Kontrollen hält Reiner Kemmler, der als Luftfahrpsychologe auch Piloten der Lufthansa schult, für wenig förderlich: „Mehr Tests machen die Aufgeschlossenheit der Piloten, über ihre psychische Gesundheit zu sprechen, nicht größer. Hinweise auf Probleme ergeben sich viel eher aus der engen Zusammenarbeit mit anderen.“
Besonders wichtig dafür, dass psychische Probleme rechtzeitig erkannt werden könnten, sei ein vertrauensvolles Betriebsklima, so der Psychologe. „Die Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, dass Vorgesetzte und Kollegen jederzeit ansprechbar sind – auch bei eher privaten Problemen.“ Bei der Lufthansa steht Piloten nach Unternehmensangaben neben Flugsicherheitspiloten auch ein Vertrauensteam zur Seite. Besonders geschulte Psychologen können helfen, sofern die Mitarbeiter auf sie zukommen.
Auf gegenseitige Kontrolle und unternehmenseigene Beratungsangebote setzt auch die Deutsche Bahn. Deren Lokführer tragen eine ähnlich große Verantwortung für Passagiere wie Piloten und müssen zudem auch auf monotonen Schienenstrecken ständig hochkonzentriert sein. Lokführer müssen deshalb alle drei Jahre einen Gesundheitscheck durchlaufen: ab dem 55. Lebensjahr sogar jährlich. Gesonderte psychologische Untersuchungen sind dabei in der Regel nicht vorgesehen. „Damit Risiken durch psychische Probleme rechtzeitig erkannt werden, müssen die Kollegen sensibel sein. Doch ein Teil ist immer auch Eigenverantwortung der Betroffenen“, sagte eine Sprecherin der Bahn.
"Wir brauchen objektive und staatliche Kontrollen"
Die Bahn hat alle gesundheitsbezogenen Kontrollen wie auch die psychische Beratung an ein privates Dienstleistungsunternehmen für betriebliches Gesundheitsmanagement ausgelagert. Auch die Lufthansa hat für ihre Eignungs- und Gesundheitstests das externe Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin beauftragt. Diese Institute und deren Mitarbeiter sind zwar staatlich anerkannt, werden aber von den Unternehmen bezahlt. Wie und in welchem Umfang zum Beispiel Piloten mit psychischen Auffälligkeiten betreut und kontrolliert werden, regeln die Unternehmen intern.
Professor Wolfgang Schubert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, kritisiert die mangelnde Transparenz dieses Verfahrens. „Bislang regeln Luftfahrt- und Schienenunternehmen das selbst. Ich meine, wir brauchen hier objektive und staatliche Kontrollen.“ Erst mal aber heiße es, die abschließenden Ergebnisse der Untersuchung zu den Ursachen des Flugzeugabsturzes abzuwarten. „Auch wir Experten sind in Schockstarre.“
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Lea Frehse