E-Mobilität: Wohnungseigentümer sollen Ladenetz bezahlen
Bundesrat: Neues Wohnungseigentumsgesetz unerlässlich für „Markthochlauf“
Die geplante Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes ruft in der Bevölkerung offenbar starke Verärgerung hervor. Die AG Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion verfasste Anfang dieser Woche wegen der hohen Zahl von bereits eingehenden und noch zu erwartenden Protestbriefen einen „Musterantwortbrief zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG)“, der Kritiker ruhigstellen soll. Die konkreten Anwürfe von Verbraucherschutzverbänden werden in dem zweiseitigen Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, nicht aufgegriffen.
Der Verein „Wohnen im Eigentum“ hatte im April eine Online-Petition für Änderungen im Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, die – aufgrund des verkürzten Eilgesetzgebungsverfahrens – nur bis zum 10. Mai 2020 lief. In fünf Wochen unterzeichneten 8230 Wohnungseigentümer das Papier. Kritisiert werden in der Petition missbrauchsanfällige Strukturen im neuen Wohnungseigentumsgesetz. Die betroffenen Eigentümer hätten von den sie betreffenden gravierenden Änderungen über die öffentlich-rechtlichen Medien bisher nichts erfahren, so bemängelten die Lobbyisten weiter.
Gelobt wird der Entwurf hingegen von der Wirtschaft, vor allem den Verwalterverbänden, und zum Teil auch von Juristen, denen die neue Systematik durch die Einordnung ins Gesellschaftsrecht (= Unternehmensrecht) vorteilhaft erscheint.
Kritische Stimmen waren während des noch laufenden Gesetzgebungsverfahrens vom Bundesgerichtshof (BGH), dem Deutschen Richterbund und dem Deutsche Anwaltverein zu vernehmen. Neben „Wohnen im Eigentum“ kritisierten drei weitere Verbraucherverbände das neue „Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz“ mit deutlichen Worten: der Bauherren-Schutzbund, der Verband Wohneigentum und der Verband der deutschen Wohnungseigentümer.
Am 19. Juni soll das neue Gesetz verabschiedet werden
Wie berichtet, soll der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Gebäuden durch das neue Gesetz vorangebracht werden. Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) sieht das Vorhaben positiv. Jeder Wohnungseigentümer erhalte nun grundsätzlich das Recht, auf eigene Kosten Ladestationen für E-Mobile einzubauen. Außerdem wird ein solcher Anspruch auf den Einbau einer Ladestation auch jedem Mieter eingeräumt.
Künftig soll der Verwalter einer Eigentumsanlage in seiner Position gestärkt werden und wie ein Geschäftsführer auf Kosten der Eigentümer handeln dürfen. Zudem werden die Abstimmungsquoren auf die einfache Mehrheit abgesenkt, sodass weitreichende Beschlüsse künftig auch dann in Versammlung zustande kommen können, wenn nicht einmal die Hälfte der nach Teilungserklärung stimmberechtigten Eigentümer anwesend ist, bzw. vertreten wird.
„Der Rahmen für Online-Versammlungen sollte rechtssicher ausgestaltet, das Quorum für Umlaufbeschlüsse auf eine praktikable 2/3-Mehrheit reduziert und die Ladungsfrist von zwei Wochen beibehalten werden“, sagte VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler zum Gesetzentwurf, der bei Online-Umlaufbeschlüssen bisher Einstimmigkeit und längere Ladungsfristen zum Zwecke besserer Vorbereitung der Versammlungen vorsieht. Der Bundestagsabgeordnete Marco Luczak (CDU) hatte in der Ersten Lesung des Gesetzes vorschlagen, bei Umlaufbeschlüssen im Online-Verfahren einfache Mehrheiten zuzulassen.
Am 15. Mai 2020 war das Vorhaben im Bundesrat. Die Länderkammer hob in ihrem Beschluss hervor, dass es wichtig sei, „den Ausbau der Ladeinfrastruktur durch flankierende gesetzgeberische Maßnahmen im Wohnungseigentums- und Mietrecht auch in privaten und halböffentlichen Räumen zu erleichtern“. In diesem Zusammenhang sei auch die Neufassung des Artikels 8 der EU-Richtlinie 2010/31 zu sehen, „der auch verbindliche Vorgaben für die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie von Schutzrohren für Elektrokabel macht“. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei „unerlässlich, um der Elektromobilität den klimapolitisch notwendigen und politisch gewollten Markthochlauf zu verschaffen“, heißt es in der Stellungnahme.
Bundesrat möchte Recht auf Einsichtnahme in Verwalterunterlagen einschränken
Eine weitere Änderung möchte der Bundesrat lieber nicht realisiert sehen: „Ein uneingeschränktes Recht zur Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen lässt sich mit den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbaren, weil das Informationsinteresse des einen Eigentümers mit den Geheimhaltungsinteressen eines anderen Eigentümers kollidieren kann.“ Hier sollten Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person mit dem Recht auf Einsichtnahme abgewogen werden, schlägt der Bundesrat eine Änderung der entsprechenden Passage vor. Bisher heißt es im Gesetzentwurf noch: „Jeder Wohnungseigentümer kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen.“
Nach der Beratung im Deutschen Bundesrat geht es gesetzgeberisch im Eilverfahren nun so weiter: Der Deutsche Bundestag hatte die Reform bereits am 6. Mai an den Rechtsausschuss überwiesen, der nun die Weichen für eventuelle Änderungen stellt. Eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen soll hierzu am 27. Mai stattfinden. Bereits am 19. Juni könnte das Plenum die Reform verabschieden, so ist es bisher geplant.
Einbau von Ladevorrichtungen angemahnt
Warum aber nur diese Eile im Verfahren, das kaum wahrgenommen wird, weil sich die öffentliche Diskussion immer noch um die Coronakrise dreht? Der Entwurf bezwecke unter anderem, „den in Wohnungseigentumsanlagen bestehenden baulichen Sanierungsstau zügig zu beseitigen“, schreibt ein Sprecher des Bundesjustizministeriums auf Anfrage. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte den Gesetzentwurf vorgelegt: „Denn in vielen Fällen hinken derartige Anlagen aufgrund der schwerfälligen Entscheidungsfindung in der Wohnungseigentümergemeinschaft (hohe Mehrheitserfordernisse) dem Zustand vergleichbarer Anlagen hinterher“, so ihr Sprecher weiter. „Dies betrifft insbesondere die für die Erreichung der Klimaziele wichtige energetische Sanierung. Darüber hinaus wird von Politik und Praxis eine rechtliche Erleichterung des Einbaus von Ladevorrichtungen für Elektroautos in Wohnungseigentumsanlagen und Mietobjekten angemahnt. Der Entwurf schlägt ein dafür geeignetes rechtliches Instrumentarium vor.“ Eine zügige Verabschiedung der Reform versetze die Wohnungseigentümergemeinschaften und deren Verwaltung nun in die Lage, so der Sprecher weiter, sich gründlich mit der geänderten Rechtslage vertraut zu machen und Anfang 2021 die üblicherweise zu Beginn des Jahres stattfindenden Eigentümerversammlungen entsprechend vorzubereiten und Beschlüsse zu fassen.
SPD-Bundestagsfraktion stellt sich mit Musterantwortschreiben auf Proteste ein
Zuvor gilt es aber im Bundestag die Protestpost besorgter Bürger abzuarbeiten. Im Musterantwortbrief der SPD-Fraktion wird empörten Wohnungseigentümern mitgeteilt, dass man von den erklärten Zielen nicht abrücken werde: „Wir werden (…) die Beschlussfassung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vereinfachen und ein effektives Handeln des Verwalters ermöglichen.“ In keinem Fall dürften die neuen Regelungen dazu führen, dass die Einflussmöglichkeiten der Eigentümer minimiert würden oder ihre Kostenrisiko unkalkulierbar werde. Viele Kritiker befürchten allerdings, dass Wohnungseigentümer in Anlagen mit Mehrheitseigentümern in Zukunft stärker als bereits heute durch hohe Umlagen für Modernisierungen zum Verkauf ihrer Wohnungen gezwungen sein könnten. Außerdem solle das „Recht der Einsichtnahme in die Verwalterunterlagen im Gesetz festgeschrieben werden“ (das der Bundesrat gerne teilweise wieder kassieren möchte), heißt es im Musterantwortbrief der SPD zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG). Doch alles in allem, so die SPD: „Ein Eigenheim gibt Sicherheit, erspart Ärger mit dem Vermieter und ist eine gute Altersvorsorge.“
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