Neues Viertel in Charlottenburg-Nord: „Werkbundstadt“ gewinnt Konturen
Investa Real Estate und Baywobau kaufen das Grundstück an der Quedlinburger Straße. Das neue Baurecht liegt aber noch nicht vor.
Das Architekturprojekt „Werkbundstadt“, das auf dem 2,8 Hektar großen Gelände eines ehemaligen Tanklagers in Charlottenburg angesiedelt werden soll, ist der Realisierung einen großen Schritt näher gekommen: Der Gewerbeimmobilienentwickler Investa Real Estate und der Wohnimmobilienentwickler Baywobau haben inzwischen große Teile des zu bebauenden Grundstücks erworben. Dies bestätigte dem Tagesspiegel auf Anfrage Architekt Paul Kahlfeldt, treibende Kraft des Projektes.
Investa Real Estate und die Baywobau sind seit Anfang des Jahres Eigentümer der Liegenschaft „Werkbundstadt“.
Das Viertel soll ein Vorzeigequartier werden
Die Quartiersentwicklung, die der Berliner Werkbund 2015 initiiert hatte, sieht auf einem ehemaligen Industriegrundstück an der Quedlinburger Straße bislang etwa 1100 Wohnungen in 30 Gebäuden vor, die jeweils von 33 Architekturbüros entworfen wurden. 2016 wurde das Investitionsvolumen auf etwa 300 Millionen Euro geschätzt. Das am Berliner Spreebord gelegene Viertel soll in städtebaulicher und architektonischer Hinsicht ein Vorzeigequartier werden und auch mit Blick auf die Bevölkerungsmischung überzeugen.
„Dabei geht es u.a. um die Frage, welche Impulse die Leitgedanken des Werkbundes für das heutige Bauen in der Metropole Berlin noch liefern können“, heißt auf der Homepage des Deutschen Werkbundes, der sich seit seiner Gründung am 6. Oktober 1907 mit zentralen Fragen des Wohnungsbaus auseinandersetzt.
„Da dieses Projekt große städtebauliche Möglichkeiten aber auch Herausforderungen bietet, nehmen wir derzeit eine umfassende Bestandsaufnahme vor, die auch alle Anspruchsgruppen einbezieht und lassen die bisher ausstehenden Fachgutachten im laufenden B-Plan Verfahren erstellen“, sagte auf Anfrage Daniela Giebel, Marketing Analyst der Investa Holding GmbH (München). Sie spreche damit auch für die Baywobau. Man stehe mit dem Projekt noch am Anfang. Die weiterführende Entwicklung des Vorhabens sei „in enger Zusammenarbeit mit dem Bezirk Charlottenburg–Wilmersdorf sowie dem Werkbund geplant“, sagte Giebel.
Nach Vorstellungen von Charlottenburgs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) soll im Sommer der Bebauungsplan ausgelegt werden.
Das neue Baurecht liegt noch nicht vor
Nach Angaben von Paul Kahlfeldt gestaltete sich die Übernahme der Flächen „extrem komplex“. Die Entwicklung der Grundstückspreise habe dabei eine Rolle gespielt, aber auch die Tatsache, dass ein Industrieareal in ein Wohnquartier umgewandelt und infolgedessen der Boden anders eingepreist werden müsse.
Das neue Baurecht liegt aber noch nicht vor, was die Preisgestaltung erschwert haben dürfte. Das „mühselige Verfahren“ hier Baurecht zu schaffen, sei unterschätzt worden, sagt der Architekt. Viele Gutachten seien anzufertigen – unter anderem zum Lärmschutz. Denn gleich neben der „Werkbundstadt“ betreibt Vattenfall das Heizkraftwerk Charlottenburg. Sorgen machen vor allem die großen Pumpen in der ehemaligen Maschinenhalle und die derzeit noch oberirdisch verlaufenden Fernwärmeleitungen.
Doch es gibt neben den technischen noch weitere Operationen: Zwei – kleinere – Grundstücke müssen den Flächen von Investa Real Estate und Baywobau im Rahmen des Bebauungsplanes noch zugeordnet werden, um den Platz der „Werkbundstadt“ zu komplettieren. Sie sind noch in Familienbesitz und machen vier beziehungsweise 16 Prozent der Gesamtfläche aus. Kahlfeldt geht nicht davon aus, dass diese Teilflächen nun „durchgehandelt“ werden und dies den Planungsprozess einmal mehr verzögert.
Vattenfall sponsert die fehlenden Gutachten
Gutachterlich geklärt werden muss noch unter anderem, ob der Boden die geplanten Gebäude trägt und wie das zukunftsträchtige Thema „Mobilität“ auf dem Gelände angefahren wird. Der Automobil- und Motorradbauer BMW hatte sich das Quartier als Modell für alternative Mobilitätskonzepte zwar schon einmal angeschaut. Doch auch dieser Entwicklungsprozess steht noch am Anfang.
Geplant ist eine allgemeine Wohnbebauung, allein neben dem Heizkraftwerksareal sind Gewerbebauten vorgesehen – Lärm und Schattenwürfe stellen die Werkbundplaner vor Herausforderungen. Sie sehen sich als „intellektueller Rahmen“, als „Planer und Gestalter“ des Projekts, so Kahlfeldt: Was nicht passt, muss erst noch passend gemacht werden. Kahlfeldt glaubt, dass die fehlenden Gutachten in der zweiten Jahreshälfte vorliegen. Deren Finanzierung wird von Vattenfall gesponsert.