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Senioren, die nur eine geringe Rente beziehen, fällt es schwer, das Wohneigentum zu erhalten.
© Federico Gambarini/dpa

Wohnen im Alter: Wenn das Haus zu groß und das Leben zu teuer wird

Viele der Anfang bis Mitte 90er Jahre erbauten Häuser in Bernau verwaisen. Der Bürgermeister André Stahl entwirft nun ein neues Altersmodell für Immobilieneigentümer.

Für Mieter und Wohnungskäufer zerfällt Deutschland immer mehr in zwei Welten. In Großstädten und Uni-Städten stiegen Preise und Mieten im ersten Halbjahr unvermindert weiter, wie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung kürzlich in Berlin mitteilte. In Kleinstädten abseits der Ballungsräume drohen dagegen bei andauernder Abwanderung Preisrückgänge. Die „Speckgürtel“ der Städte wachsen dagegen.

Dort werden nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch immer mehr Wohnungen gebaut. Parallel zu dieser Entwicklung zerfällt die Bevölkerung in den kommenden Jahren in immer mehr ältere und immer wenige jungen Menschen. Die einen würden sich gerne etwas leisten. Die anderen beziehen vielleicht nur eine geringe Rente und es fällt ihnen inzwischen körperlich schwer, das Wohneigentum zu erhalten.

Diese Vorüberlegungen haben den Bürgermeister jener Umlandgemeinde auf den Plan gerufen, die im Speckgürtel Berlins die zur Zeit stärksten Zuzugszahlen verzeichnet: André Stahl, Bürgermeister von Bernau, für das Amt nominiert von den LINKEN, beobachtet, dass viele der Anfang bis Mitte der neunziger Jahre erbauten Häuser in seinem Amtsbereich verwaisen: Die Kinder sind ausgezogen, mitunter sind Ehepartner inzwischen verstorben – oder einer von ihnen ebenfalls ausgezogen. Was wird aus den Verbliebenen in ihren inzwischen viel zu groß gewordenen Häusern?

Wohnungsbaugesellschaften als Treuhänder

„Nach meiner Erfahrung ist es so, dass die älteren Menschen erst sehr spät aus ihren Häusern ausziehen“, sagt Stahl, „meist sind sie zu Knechten ihres Eigentums geworden.“ Sie fragten sich, wie lange sie den Garten noch in Schuss und die Regenrinne eigenständig freihalten könnten. Überdies: „Die obere Etage wird von ihnen meist nur noch selten begangen, Gäste sind auch selten“, überlegt Stahl.

Seine Lösung: Wie wäre es, wenn kommunale – oder private – Wohnungsbaugesellschaften sich um diese Wohnungen, respektive Häuser treuhänderisch kümmerten? Sie könnten die Immobilien vermieten, bewirtschaften und mit dem Erlös die Wohnungen und Pflegeheimplätze bezahlen, die sie älteren Mitbürgern dann in einer dem Alter adäquaten Konfiguration zur Verfügung stellen.

Das Modell scheint auf den ersten Blick viel für sich zu haben, folgt man der Beispielrechnung Stahls. Er geht von einem 120 Quadratmeter großen Einfamilienhaus aus, das für acht Euro kalt neu vermietet werden könnte. Macht 960 Euro kalt als Mieteinnahme, davon könnten 150 Euro für die Verwaltung abgehen und 250 Euro in eine Instandhaltungsrücklage.

Bleiben 560 Euro für eine neue, dem Alter angemessene Wohnung – und das Eigentum bleibt als Altersvorsorge und Geldquelle erhalten, kann zudem vererbt und muss nicht wegen Altersarmut verkauft werden.

Das Modell ist nicht für jeden gemacht

„Dann haben die Leute alles erreicht, was man erreichen kann“, sagt Stahl. Die Wohnungsbaugesellschaft müsse nur ein entsprechendes Paketangebot bereithalten: „Eine gut gelegene Wohnung um die sechzig Quadratmeter mit Aufzug und barrierefrei, die auch ein Einzelner bewirtschaften kann.“

Die Wohnungsbaugesellschaft könne das Wohneigentum vermieten; dem Eigentümer bliebe die Hintertür, auf Eigenbedarf zu kündigen und wieder einzuziehen. Die Gesellschaft habe als Verwalterin solvente Mieter und damit eine sichere Einnahmequelle bei dieser Ausweitung des Geschäftsfeldes. „Es ist nicht für jeden gemacht, dieses Modell“, sagt Stahl, „aber viele Menschen würden so den Wohnraum bekommen, den sie auch benötigen.“

Was ist von diesen Überlegungen und Überzeugungen zu halten? „Grundsätzlich ist das ein guter Vorschlag, weil er auf den demografischen Wandel reagiert“, sagt auf Anfrage Martin Pallgen, Sprecher des Berliner Bausenators Andreas Geisel (SPD) in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

„Wir sehen ein solches Modell eher in der Verantwortung von gemeinwohlorientierten Trägern. Wir halten es für sinnvoll, einen solchen Vorschlag mit einem Modellprojekt auf seine Machbarkeit zu überprüfen.“

Bei den Verwaltern stoßen Stahls Ideen auf Skepsis

Bürgermeister André Stahl (Die Linke) in Bernau (Brandenburg) an der historischen Stadtmauer.
Bürgermeister André Stahl (Die Linke) in Bernau (Brandenburg) an der historischen Stadtmauer.
© Bernd Settnik/dpa

Von den im Berliner Wahlkampf stehenden Parteien fand allein die FDP die Muße, das Stahl-Paket zu durchleuchten. „Wohnen im Alter wird für den Immobilienmarkt ein immer größeres Thema“, sagte auf Anfrage Sebastian Czaja, Generalsekretär und Spitzenkandidat der FDP Berlin.

„Bereits 2034 werden 30 Prozent der Menschen in Deutschland älter als 65 Jahre alt sein. Den Bedarf an altersgerechten Wohnungen kann man sich vorstellen. Da sind ohne Zweifel innovative Ideen und neue Modelle gefragt.“ Czaja setzt dem jedoch ein Aber hinzu: „Es kann nicht sein, dass jemand fremdbestimmt, wie viele Quadratmeter ein älterer Mensch braucht oder wie lange er in seiner eigenen Immobilie wohnen bleiben kann.“ 

Wie Pallgen sieht auch Czaja in privaten Immobilienunternehmen ideale Ansprechpartner für das Modell – wie beispielsweise konfessionsgebundene Wohnungsunternehmen oder auf Seniorenimmobilien spezialisierten Immobilienunternehmen.

"Die Rechnung geht nicht auf"

Ihre deutliche Ablehnung formulieren – wenig verwunderlich – die Verwalter: „Ich glaube nicht, dass die Rechnung aufgeht, so die neue Lebenssituation finanziell auszugleichen“, sagte auf Tagesspiegel-Anfrage Martin Kaßler, Geschäftsführer des Dachverbands Deutscher Immobilienverwalter (DDIV).

Verwaltung und Abrechnung kosteten eben Geld. „Es ist richtiger die eigene Immobilie zu verkaufen und in eine kommunale Wohnung zu ziehen.“ Der Vorschlag des Bernauer Bürgermeisters – und Juristen – sei „vom ideellen Hintergrund her gut“. Ein großes Problem sei indes, dass viele Menschen aus ihrer Immobilie eben nicht ausziehen wollten.

Auf die Kosten der Verwaltung hebt auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ab: „Wenn ein Mensch im Alter pflegebedürftig wird und zum Beispiel per Vollmacht durch Angehörige vertreten wird, sind Verfügungen über Liegenschaften ohne ständige Rückkopplung mit den Bevollmächtigten nicht ohne weiteres möglich. Das würde für das bewirtschaftende Unternehmen einen enormen Verwaltungsaufwand mit sich bringen, der wiederum die Kosten der Verwaltung treiben würde“, sagt BBU-Sprecher David Eberhart.

Man muss das Rad nicht neu erfinden

Vermutlich wären die betreffenden Wohnungen oder Häuser in einem Zustand, der vor einer Vermietung – erhebliche – Investitionen erforderlich machen würde, gibt der BBU weiter zu bedenken. Zudem: „Was passiert, wenn aus treuhänderischer Verwaltung – zum Beispiel aufgrund der Lage, eines Mieterausfalls oder einer größeren Investition – nicht genügend Erträge generiert werden?“

Der Verein Haus & Grund Deutschland, der die Interessen der Immobilieneigentümer vertritt, kann sich für André Stahls Vorschlag nicht erwärmen. Das Rad müsse nicht neu erfunden werden. „Hier ist keine Konstruktion über einen Treuhänder nötig“, sagte Referent Gordon Gross: „Haus & Grund Vereine helfen gern bei der Vermietung.“

Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen verweist auf mehrere Modelle, die bereits in die Richtung einer Leibrente gehen. „Das kommunale Wohnungsunternehmen muss jeweils frei abwägen können, ob ein Kompensationsgeschäft ,Betreutes Wohnen gegen Hausverwaltung’ sinnvoll ist, oder eben nicht“, sagt GdW-Pressesprecherin Katharina Burkhardt: „Insgesamt müsste man das Modell ausführlich betrachten, um eine abschließende Meinung dazu zu bilden.“

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