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Bezahlbare Wohnungen? Fehlanzeige! Die Friedrichswerdersche Kirche verschwindet hinter Luxusbauten.
© imago/ Ipon

Bezahlbarer Wohnraum: Warum der Neubau in Berlin nicht richtig vorankommt

Berlin will mehr Bebauungspläne aufstellen – Projektentwickler befürchten Verzögerungen.

Bundesweit sind die Zahlen der Baugenehmigungen rückläufig, und auch in Berlin kommt der Neubau nicht richtig voran. Das meldeten die amtlichen Statistiker in dieser Woche. Was bedeutet das für den dynamischen Wohnimmobilienmarkt in der Hauptstadt? Damit beschäftigte sich am Dienstag ein Roundtable-Gespräch mit Karsten Jungk, Geschäftsführer des Immobilienberatungsunternehmens Wüest Partner Deutschland, und Carsten Sellschopf, Geschäftsführer der formart GmbH & Co. KG (künftig Instone Real Estate). Das neu formierte Unternehmen gehört zu den großen Wohnungsbauentwicklern in Deutschland.

In den letzten vergleichbaren fünf Jahren seit 2011 hat sich der Wohnungsbestand in Berlin rechnerisch um 44 735 Wohnungen erhöht. Dies entspreche einem Plus von 2,4 Prozent, teilte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mit. Zum Jahresende 2016 gab es in Berlin 1 916 517 Wohnungen – 13 842 mehr als Ende 2015. Doch sind dies insgesamt viel zu wenige neue Wohnungen, wenn der jährliche Saldo aus Fort- und Zuzügen mit einem Plus von 40 000 Neuberlinern unter dem Strich in Rechnung gestellt wird.

Die Zahl der Baugenehmigungen ist erstmals seit 2012 gesunken

In der Reihe der zwölf Berliner Bezirke hat Pankow die meisten Wohnungen, gefolgt von Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf. Am Ende der Skala rangieren Spandau und Reinickendorf. In allen Berliner Bezirken hat sich der Wohnungsbestand erhöht; die meisten Wohnungen kamen in Treptow-Köpenick, Mitte und Pankow hinzu. In Pankow und in Treptow-Köpenick gibt es noch größere Baulandreserven; Mitte ist besonders attraktiv.

Mit der Neubautätigkeit in Berlin korrespondieren die deutschlandweiten Zahlen der Baugenehmigungen. Sie nehmen insgesamt weiter ab (für vielerorts dringend benötigte Wohnungen in Mehrfamilienhäusern steigen sie aber). In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurde der Bau von 106 500 Wohnungen genehmigt, das waren neun Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden Anfang dieser Woche mitteilte.

Die zu Jahresbeginn begonnene Entwicklung setzt sich damit fort. Bereits im ersten Quartal war die Zahl der Baugenehmigungen erstmals seit dem ersten Quartal 2012 gesunken.

In Berlin muss man das 25-Fache der Jahresmiete zahlen

Vor diesem Hintergrund wird es in Zukunft in der Hauptstadt eng und enger, analysiert Jungk. „Berlin wird weiter Dynamik haben – wir haben weiter Zuzug, aber weiterhin nicht den erforderlichen Neubau. Am finanziell untereren Ende gibt es zunehmend zu wenige Angebote, am oberen Ende wird der Bedarf durch hochpreisigen Wohnungsbau zunehmend gesättigt.“

Die Baubranche profitiert seit längerem von niedrigen Zinsen. Dadurch leisteten sich in den vergangenen Jahren immer mehr private Bauherren die eigenen vier Wände, während Investoren mangels attraktiver Anlagealternativen viel Geld in Immobilien stecken. „Unter dem 25-fachen der Jahresmieteinnahmen kann man in Berlin gar nichts mehr bekommen“, berichtete Jungk über die Erfahrungen institutioneller Anleger wie zum Beispiel Pensionskassen. Vor zehn Jahren noch seien Mehrfamilienhäuser in Berlin-Neukölln für das Elffache der jährlichen Mieteinnahmen gehandelt worden. „Ein starker Fokus wird auf Kleinwohnungen liegen – der Trend zu kleinen Wohnungen wird anhalten“, sagte der Immobilienberater (siehe dazu auch den Beitrag über Mikrowohnkonzepte auf der folgenden Seite).

"Ein Bebauungsplan dauert 18 Monate bis zwei Jahre"

Sellschopf führte den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Berlin vor allem auch auf politische Vorgaben zurück. „Die langen Baugenehmigungszeiten führen genau zu dem Ergebnis, das wir jetzt sehen.“ Weil das Modell der kooperativen Baulandentwicklung mit privaten Investoren nur über Bebauungspläne (B-Plan) funktioniere – sie müssen zu 30 Prozent förderfähigen Wohnraum mit Mietpreis- und Belegungsbindungen errichten –, fange das Bauen in Berlin mit dem Planungsrecht an, nicht mit dem Baurecht.

„Ein B-Plan dauert 18 Monate bis zwei Jahre“, rechnete Sellschopf vor, „ein mittelgroßes Projekt mit 100 Wohnungen zu bauen, dauert noch einmal anderthalb bis zwei Jahre. Dann sind wir irgendwann im Jahr vier.“

Aufgrund des Mangels an bezahlbarem Wohnraum sollten die Beziehungen der Stadt zum Umland „neu gedacht werden“, sagte der Projektentwickler. „Wir sind in einem Bereich angekommen, wo es für große Gruppen nicht mehr attraktiv ist, diese Preise in Berlin zu bezahlen.“ Auch sein Unternehmen lege inzwischen solche Angebote für Bauland „auf die Seite“, das in den vergangenen ein bis zwei Jahren mehrfach den Besitzer gewechselt hätte. Den Grundstückshandel einzuschränken, sei aber auch ein „Weg in den Abgrund“, sagte Sellschopf: „Dann wird gar nichts mehr gebaut.“

Trotz dieser Spekulationen sieht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aktuell keine Überhitzung am deutschen Immobilienmarkt. Es gebe derzeit keine kreditfinanzierte Immobilienblase, sagte Schäuble am Mittwoch auf einem Branchenkongress in Berlin. Nicht jede Preisübertreibung am Wohnungsmarkt gefährde die gesamte Finanzstabilität. Dies sei nur der Fall, „wenn steigende Immobilienpreise, eine übermäßige Kreditvergabe und nachlassende Standards für die Kreditvergabe zusammenkommen“. Ähnlich äußerte sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

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