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Die Mietpreisbremse sollte rapide Mietanstiege verhindern. Die Kommunen halten sie für gescheitert und sehen mit ihr einhergehende Investitionshemmnisse.
© W. Steinberg/dpa

Mietwohnungen: Unterschreiben, einziehen, reklamieren

Immer wieder versuchen Vermieter, die Mietpreisbremse zu umgehen. Wie Wohnungssuchende ihre Rechte durchsetzen.

Seit mehr als einem Jahr gilt in vielen Regionen Deutschlands die Mietpreisbremse, so auch in Berlin. Sie soll in Gegenden mit knappem Wohnraum verhindern, dass Vermieter beim Mieterwechsel kräftig die Miete erhöhen. Das Gesetz ist am 1. Juni 2015 in Kraft getreten. Es begrenzt den Mietzins, der maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die Wirkung der Regelung ist heftig umstritten. Die Bündnisgrünen im Deutschen Bundestag legen deshalb in dieser Woche einen Beschlussantrag vor, durch dessen Umsetzung die Mietpreisbremse besser greifen soll; er liegt dem Tagesspiegel vor.

Unabhängig davon stehen Mieter im Alltag vor der Frage: Was tun, wenn sich Vermieter nicht an die gesetzliche Vorgabe halten?

Im ersten Schritt sollten sie prüfen, ob sie zu viel Miete bezahlen. Die Messlatte dafür ist zunächst die ortsübliche Vergleichsmiete. Sie steht im Mietspiegel der jeweiligen Kommunen. Doch nur wenige Städte und Gemeinden erstellen einen solchen Mietspiegel. „Gibt es keinen, muss der Mieter entweder Vergleichswohnungen oder ein Sachverständigengutachten heranziehen“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Er räumt jedoch ein: „Das ist ziemlich theoretisch.“ Zumal es bisher nur wenige Gerichtsurteile zur Mietpreisbremse gibt.

Mieter sollten nach der vorherigen Miete fragen

Statt den Mietspiegel, Vergleichswohnungen oder Sachverständige heranzuziehen, ist es einfacher, den Eigentümer direkt zu fragen. „Der Mieter hat einen Auskunftsanspruch“, erläutert Beate Heilmann von der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV). Der Anspruch gilt, „wenn allgemein zugängliche Quellen wie der Mietspiegel nicht zur Verfügung stehen“.

Der Vermieter muss die Angaben zur Zulässigkeit der Miete in Textform liefern. Belege kommen erst auf den Tisch, wenn der Eigentümer Angaben verweigert und der Mieter ihn deswegen verklagt, erläutert Inka-Marie Storm vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland.

Mieter sollten nach der vorherigen Miete fragen. Auf dieser Basis können sie – falls andere Möglichkeiten fehlen – ausrechnen, ob die neue Miete stimmt: Mehr als zehn Prozent Zuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete verstoßen im Prinzip gegen die Mietpreisbremse.

Dann kann der Mieter die Höhe der Miete rügen, das Absenken auf das ortsübliche Niveau verlangen und zu viel bezahltes Geld zurückfordern. So hat es das Amtsgericht Neukölln in Berlin entschieden (AZ.: 11 C 414/15). Geklagt hatte ein Mieter, der monatlich 9,40 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zahlen sollte. Die Vormieterin hatte 5,49 Euro gezahlt. Das Gericht entschied: 6,60 Euro sind die Höchstmarke. Der Mieter erhielt die zu viel kassierten Zahlungen zurück.

Einige Vermieter versuchen, die Miete mit fiesen Tricks zu erhöhen

Mieter sollten schnell reagieren. „Die Rückforderung gilt erst ab Zeitpunkt der Rüge“, sagt Heilmann. Möglich ist das schriftlich per Brief, Mail oder Fax – kombiniert mit einer Erklärungsfrist für den Vermieter. Heilmann rät davon ab, einfach die Miete zu kürzen. Denn dann riskierten Mieter die Kündigung wegen Zahlungsrückstands. Die Mietpreisbremse kennt zahlreiche Ausnahmen, die einen höheren Mietzins rechtfertigen können: Dazu gehören die Vermietung von Neubauwohnungen sowie eine Modernisierung zwischen dem Mieterwechsel, sagt Ropertz.

Auch wenn die Modernisierung länger her ist und der Vermieter die Kosten dem alten Mieter nicht oder nur gering berechnet hat, darf der Eigentümer vom Nachfolger den vollen Zuschlag dafür nehmen. Laut Gesetzgeber muss die Maßnahme aber in den letzten drei Jahren vor Neuvermietung erfolgt sein.

Noch eine Ausnahme: eine bereits im früheren Mietverhältnis vereinbarte Miete, die über der Preisgrenze liegt. Dann haben neue Bewohner kaum Chancen auf eine günstigere Miete, da Bestandsschutz gilt. „Der Vermieter darf sich die Höhe erhalten“, sagt Heilmann. Sie kennt einen Vermietertrick: schnell mit dem alten Mieter per Scheinvertrag eine höhere Miete vereinbaren. Und dieses Papier dem Nachfolger präsentieren.

Heilmann rät Wohnungsinteressenten, im Vormietervertrag auf die zuletzt gültige Mieterhöhung zu achten. Diese müsste länger als ein Jahr vor der Neuvermietung geschehen sein. Geht die Sache vor Gericht, werden Beweise wie Kontoauszüge des Eigentümers herangezogen.

Die Grünen wollen die Mietpreisbremse umbauen

Die meisten Wohnungssuchenden scheuen aber die Frage nach der Vormietermiete oder der Mietpreisbremse – aus Angst, im Bewerberfeld aussortiert zu werden. Clever und erlaubt ist es, die heiklen Fragen erst nach dem Einzug zu stellen. Dann greift das Auskunftsrecht. Der Vermieter darf dann laut Ropertz auch nicht kündigen. Einer Rüge steht laut Heilmann nicht im Wege, dass Interessenten den Vertrag unterschrieben haben – mit dem Wissen, dass die Miete zu hoch ist.

Die Bündnisgrünen fordern vor diesem Gesamthintergrund, die Mietpreisbremse umzubauen. Wohnungen, deren Mieten bereits heute höher als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, sollten nicht mehr von der Mietpreisbremse ausgenommen werden. Die Ausnahme der „umfassenden Modernisierungen“ solle im Gesetz abgeschafft werden, so die Antragsteller. Weil die Mietpreisbremse bisher für Neubauwohnungen nicht gilt, sollten zudem nur erstvermietete, nicht alle Neubauwohnungen ausgenommen werden. Die Vermieter wollen die Bündnisgrünen zur Auskunft über die Grundlagen und Zulässigkeit der vereinbarten Miete verpflichten und die Gültigkeitsdauer von derzeit fünf auf zehn Jahre heraufsetzen.

(mit dpa)

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