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Auf dem 4,7 Hektar großen Areal am Mehringdamm sollen nach Plänen des Landes neue Wohnungen entstehen.
© picture alliance / Rainer Jensen

Streit um das Dragoner-Areal: Teilprivatisierung ausgeschlossen

Das Land Berlin will Sanierungsgebiet in Kreuzberg komplett im eigenen Portfolio halten.

Schlechte Aussichten für Gewerbetreibende, Nachbarschaftsinitiativen und selbstverwaltete Wohnprojekte, die sich das Dragoner-Areal zu eigen machen wollen: Nach Informationen des Tagesspiegel wurde eine Teilprivatisierung des Geländes in dem noch nicht unterzeichneten Vertrag zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) und dem Land Berlin – operativer Partner ist hier die landeseigene Berliner Management GmbH (BIM) – ausgeschlossen. „Die Senatsverwaltung für Finanzen hat nicht vor, das Grundstück zu privatisieren“, bestätigte Sprecherin Eva Henkel.

Seit Jahren beschäftigen sich in Kreuzberg verschiedene Initiativen mit Bau- und Nutzungskonzepten zur Vorbereitung städtebaulicher Entwürfe für das Dragoner-Areal – offenbar ohne Aussicht auf Mitspracherechte und Erfolg. Denn Berlin will Flächen an die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrages weiterreichen. Ob Flächen komplett nur an diese eine Wohnungsbaugesellschaft übertragen werden, ist noch nicht abschließend entschieden.

Allein zehn Prozent der Gesamtfläche sollen dem Vertrag zufolge an Dritte weitergegeben werden können, so heißt es von Seiten der BIM. Auch hier kommen kein Verkauf, sondern allein wiederum das Erbbaurecht oder langlaufende Mietverträge infrage. Das Dragoner-Areal liegt im sogenannten Rathausblock, der 2016 zum Sanierungsgebiet erklärt wurde.

Die Bima zögert mit ihrer Unterschrift

„Stadtrat Schmidt ist großspurig mit den Maximen Transparenz und Bürgerbeteiligung ins Rennen gegangen – und kann davon nichts einhalten“, sagte auf Anfrage Marlene Heihsel, die für die FDP in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) sitzt: „Es ist ungeheuerlich, dass er es nicht einmal für nötig hält, die Bezirksverordneten über diesen Sachverhalt zu informieren.“

Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) hatte am 17. Juli auf dem „Zweiten Forum Rathausblock“ gesagt, dass dies ein Thema sei, von dem er schon länger wisse, worüber er aber mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sowie mit der Senatsverwaltung für Finanzen Stillschweigen vereinbart habe, „um die Abstimmung mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) zur Grundstücksübertragung nicht zu gefährden“. Die Bima zögert derzeit mit ihrer Unterschrift unter diesen umstrittenen Deal („Dragonergate“) im Rahmen des Hauptstadtfinanzierungsvertrages: Der Vorbesitzer des Geländes – Arne Piepgras – hatte Beschwerde bei der Europäischen Union wegen Beihilfe eingelegt. Eine Antwort aus Brüssel steht noch aus. Die Bima reagierte bis zum Redaktionsschluss dieser Seiten nicht auf entsprechende Tagesspiegel-Anfragen.

Schmidt sagte auf dem „Zweiten Forum Rathausblock“, dass er darum gebeten habe, den Flächenanteil für Dritte „auf 30 bis 50 Prozent“ zu erhöhen. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) habe aber berichtet, „dass daran zu rütteln nicht möglich ist und keine Aussicht auf Erfolg hat“. Schmidt berichtete, dass es – auch mit Blick auf das Dragoner-Areal – die Idee gebe, eine siebte Wohnungsbaugesellschaft in Berlin zu gründen – „vielleicht eine selbstverwaltete“.

Schmidt wirbt für kreative Lösungen

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen unter Führung von Senatorin Katrin Lompscher (Linke) ist in die städtebaulichen Überlegungen, die in den vertraglichen Festlegungen zum Ausdruck kommen, offenbar überhaupt nicht eingebunden. Man werde über das Verfahren seitens des Finanzsenators nicht laufend informiert, sagte Katharina Janke. Sie ist in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für das Thema Stadterneuerung im Rathausblock zuständig: „Uns liegt auch kein Vertragsentwurf vor.“ Es gebe im Hauptstadtfinanzierungsvertrag die Aussage, dass das Grundstück zu 100 Prozent im Grundstückstausch an das Land übergehen sollte. So gesehen seien die zehn Prozent der Fläche an Dritte sogar als Zugeständnis zu betrachten. „Ich war auch ein bisschen überrascht, wie das kommt“, sagte Janke.

Baustadtrat Schmidt versuchte, die Gemüter der Beteiligten aus der „Stadtgesellschaft“, die sich mit der Neugestaltung des Sanierungsgebietes beschäftigen, zu beruhigen: „Das bedeutet nicht, dass nur auf 10 Prozent der Flächen selbstverwaltete Projekte stattfinden können. Sondern, dass man kreative Lösungen finden muss. Ich will mal ein Beispiel nennen: Eine Wohnungsbaugesellschaft könnte ein Haus bauen und dann einen 30-jährigen Generalmietvertrag mit irgendeinem Träger abschließen – und im Einzelfall könnte dieser Träger sogar alles unter Dach und Fach bringen und auch die Grundrisse zeichnen.“ Ein zweites Beispiel nach Schmidt:  „Wenn eine Gruppe ein Haus bauen will, und will es im Erbbaurecht haben: Dann könnte diese Gruppe eine Kooperationsvereinbarung mit einem landeseigenen Bauträger schließen, der dann später Eigentümer wird. Man muss Huckepackkonstrukte finden.“

Die FDP-Bezirksverordnete Heihsel hält das für wenig realistisch: „Die Idee des Stadtrats, eine „kreative“ Lösung zu versuchen, ist eine Farce. Damit werden wieder bewusst Hoffnungen geweckt, die am Ende nicht eingehalten werden können. Die Schuld kann man damit aber bequem anderen zuschieben.“ Sie hatte Schmidt bereits Ende Juni zum Beteiligungsverfahren Dragoner-Areal gefragt, wer die von ihm angekündigte Kooperationsvereinbarung zwischen Senat, Bezirk und Zivilgesellschaft unterzeichnen solle. Antwort des Baustadtrats: „Wie die Einbindung der Initiativen erfolgt, ist derzeit noch offen.“ Gleichwohl sei aber „für Herbst 2018“ der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen Initiativen und Land Berlin vorgesehen.

Anwohner wünschen sich mehr als trockene Grundrisse

Konkret zeichnet sich zur künftigen Gestaltung des Dragoner-Areals Folgendes ab – sofern die Beschwerde des Vorbesitzers Piepgras nicht zu einem Verfahren am Europäischen Gerichtshof führt: „Es gibt die Zweckbestimmung Mischgebiet mit überwiegendem Wohnanteil mit einer Geschossflächenzahl (GFZ) von höchstens 1,8“, sagte Christian Krüger, bei der BIM Teamleiter Portfoliomanagement, auf der Veranstaltung. Der Bund gebe Kommunen Grundstücke, wenn diese einen bestimmten Zweck dafür erklärten: „In diesem Fall ist das der geförderte Wohnungsbau“, sagte der Immobilienmanager: „Mit der Zweckerklärung will der Bund auch zugesichert haben, dass diese Grundstücke nicht weiterveräußert werden. Deshalb ist eine Weitergabe an Dritte im Erbbaurecht außerhalb des Landes auch etwas anderes als die Weitergabe an eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die zu 100 Prozent dem Land oder Berlin gehört.“ Es gebe inzwischen ein Schreiben des Landes an die Bima, „dass Berlin bereit ist, die Unterschrift unter den Vertrag zum Dragoner-Areal zu leisten“, so Krüger.

Eine Anwohnerin, die sich auf dem Zweiten Forum Rathausblock zu Wort meldete, brachte auf den Punkt, was sich die „zivile Stadtgesellschaft“ in Kreuzberg von einem neu gestalteten Dragoner-Areal erhofft und was nicht: „Das Gebiet verdient mehr als die trockenen Grundrisse der WBM. Wir müssen neue Grundrisse entwickeln für Modelle neuen Zusammenlebens“, sagte sie unter viel Beifall. „Mir geht es auch so“, sagte Schmidt, „Scheiße, wir hätten doch gerne diese Freiheit gehabt.“ Nicht nur ihm rutscht in Kreuzberg der Boden an dieser Stelle hinter dem Rathaus Kreuzberg weg. „Am Ende geht es darum: Kann das Land mit dem Dragoner-Areal machen, was es will?“, fragte der Baustadtrat rhetorisch in die Runde. Die Frage ist wohl mit Ja zu beantworten.

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