Dragoner Areal: „Der Bundesrat hat gegen das Gesetz verstoßen“
Der Streit um das Dragoner Areal geht weiter. Vorbesitzer Arne Piepgras will jetzt in Brüssel klagen.
Noch gehört die Fläche des sogenannten Dragoner Areals in Kreuzberg der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Sie, Herr Piepgras, hatten es gekauft. Doch die Bima hat mit Blick auf Ihren gemeinsamen Grundstücksdeal beim Verkauf des Dragoner Areals von dem vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht. Das Grundstück soll im Rahmen des Hauptstadtfinanzierungsvertrages nun an Berlin fallen. Damit dürfte der Fall erledigt sein. Ist er aber aus Ihrer Sicht nicht. Warum nicht?
Er ist nicht erledigt, weil die Rechtsbehandlung der Angelegenheit von vornherein rechtswidrig war. Der erste und entscheidende Unterschied zu üblichen Verträgen, die durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben geschlossen werden, ist, dass wir einen fest abgeschlossenen Vertrag hatten, der nach § 64 Bundeshaushaltsordnung keiner Zustimmung des Bundesrates mehr bedurfte. Es war von vornherein fehlerhaft, dass die Bima überhaupt um diese Genehmigung nachgefragt hat. Und die fehlerhafte Sachbehandlung ging dann im Bundesrat weiter, wo der Finanzausschuss – „angezettelt“ durch unseren Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen – und in Kenntnis der Unzuständigkeit des Bundesrats dennoch gegen unsere Käufergesellschaft entschieden hat. Das ist im Gesetz schlicht nicht vorgesehen. Und damit rechtswidrig. Besonders skandalös ist, dass der Bundesrat auf diese Unzuständigkeit zwei Tage vor der Abstimmung durch den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Finanzen, Dr. Michael Meister, aufmerksam gemacht wurde und dennoch – also komplett vorsätzlich – gegen das Gesetz verstoßen hat.
Ist der Vertrag aus Ihrer Sicht inzwischen rückabgewickelt oder ist er es nicht?
Der Rücktritt ist erklärt worden; ob diese Rücktrittserklärung überhaupt wirksam ist, ist streitig – allerdings noch nicht anhängig beim Zivilgericht. Anhängig beim Zivilgericht ist eine Klage gegen den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und gegen den Finanzsenator von Berlin, Kollatz-Ahnen, auf Schadenersatz in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Das war der Betrag, der für meine Gesellschaft, die frühere Besitzergesellschaft des Stattbades Wedding, hinterlegt war. Und ich bin der Auffassung, dass, wenn Politiker vorsätzlich gesetzliche Vorschriften brechen, sie hierfür auch persönlich schadenersatzpflichtig sind, weshalb wir keine Amtspflichtsverletzungsklage erhoben haben, sondern die vorgenannten Herrschaften unmittelbar wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verklagt haben. Die Klage läuft.
Wie kommen Sie denn auf diesen Schadenersatz, bzw. auf den Betrag? Wenn Sie vom Bund das Geld aus dem aus welchen Gründen auch immer gescheiterten Kaufvertrag zurückbekommen haben, dürfte Ihnen ja kein Schaden entstanden sein.
Dieser Betrag war der Betrag, den mein Co-Investor Dr. Werner Ebm aus Wien für meine Anteile an der Gesellschaft zur Verfügung stellen wollte und auch zur Verfügung gestellt hat. Das heißt: Dieser Betrag war bereits auf einem Notaranderkonto hinterlegt. Der besondere Skandal in der ganzen Angelegenheit ist ja der, dass mit diesem Betrag das Stattbad Wedding saniert werden sollte. Für diesen Umbau des Stattbades Wedding gab es bereits eine rechtskräftige Baugenehmigung. Es fehlten immer die finanziellen Mittel und diese wurden von meinem Co-Investor zur Verfügung gestellt und hinterlegt.
Und die sind jetzt plötzlich weg?
Die wurden im Rahmen der Rückabwicklung dann rücküberwiesen, richtig. Das heißt, das Geld hat mein Co-Investor Dr. Ebm zurückerhalten. Ich habe davon nichts bekommen. Deshalb musste ich das Stattbad Wedding schließen.
Und wie haben Sie den Abriss bezahlt?
Ich habe dann verkauft. Ich habe sieben Jahre lang monatlich im Durchschnitt 10 000 Euro aufgewandt, um diese Einrichtung aufrechtzuerhalten.
Wofür genau?
Für Instandhaltung, Strom. Es waren ja auch Ateliers drin, die kollektiv und symbolisch einen Betrag von 500 Euro monatlich bezahlten.
Pardon! 10 000 Euro können nicht nur die Kosten für Strom gewesen sein.
Das waren 6000 Quadratmeter Fläche. Rechnen Sie mal! Es war ja beheizt. Überwiegend waren das Heizkosten. Deswegen ja auch mein Insistieren auf dem Dragonerareal ein Äquivalent zu schaffen zu dieser Kultureinrichtung des Stattbades. Das war ja extrem erfolgreich. Es war ja so erfolgreich, dass über die Schließung die New York Times einen Artikel gebracht hat. Und wir haben nach wie vor 100 000 Fans auf Facebook. Diese Schließung im Arbeiterbezirk Wedding haben wir dem Sozialdemokraten Müller und dem Sozialdemokraten Kollatz-Ahnen zu verdanken.
Das heißt: Sie sind mit ihrem Partner Ebm nach wie vor gemeinsam unterwegs und wollen das Dragoner Areal gemeinsam entwickeln?
Nein.
Sondern?
Der Co-Investor ist verständlicherweise nicht mehr so begeistert von Investitionen am Standort Berlin nach all den Erfahrungen, die er hier machen durfte. Insofern ist mein Ziel, mit dem Senat einen Vergleich hinzubekommen, bei dem Dr. Ebm in angemessener Höhe entschädigt wird. Sei es durch das Land Berlin, sei es durch mich, in dem ich meine zwanzig Prozent an der Käufergesellschaft behalte und das Grundstück entsprechend real geteilt wird. So kann dann auf meinem zwanzigprozentigen Anteil an dem Areal ein Urban Campus entstehen.
"Mein Ziel ist nicht, das gesamte Areal zurückzuverlangen"
Sie sind also auf eine gütliche Einigung aus. Gibt es denn entsprechende Signale aus dem Senat?
Nein. Es gab in den ganzen Jahren, trotz des mittlerweile laufenden Strafverfahrens kein Gesprächsangebot. Obwohl ich selber seit Jahrzehnten Mitglied der SPD bin. Ich hätte ein bisschen mehr Kommunikation von meinen Genossen erwartet.
Einen Urban Campus möchten Sie auf dem Dragoner Areal errichten. Sind Sie denn in Verhandlungen mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften über die Entwicklung des Gebietes – bzw. könnten Sie sich das vorstellen?
Mein Ziel ist nicht, das gesamte Dragoner Areal zurückzuverlangen, sondern ich möchte diesen 20-prozentigen Anteil, der sollte aus dem Grundstück herausgetrennt werden. Dann sollte mein Anteil aus dem Sanierungsverfahren entlassen werden. Das Sanierungsverfahren ist ja der nächste „Wahnsinn“, der da angezettelt wurde und weswegen jetzt ja auch Strafverfahren laufen. Die Wohnungsbaugesellschaften können auf den ihnen verbleibenden 80 Prozent dann so viele Sozialwohnungen bauen, wie sie wollen. Ich habe damit doch kein Problem. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Berlin mehr Wohnungen bauen muss. Etwas anderes habe ich nie gesagt. Es ist von vornherein völlig verzerrt dargestellt worden. Richtig ist, dass es für das Sanierungsverfahren keinerlei Rechtsgrundlage gibt.
Aber Sie, Herr Piepgras, sind doch Projektentwickler! Die Kommunalen können diese Wohnungen ja in diesem Umfang gar nicht selbst errichten. Das könnten Sie doch zusammen machen. Oder ist das aus Ihrer Sicht kein tragfähiges Konzept?
Ich bin grundsätzlich für alles offen. Wir haben damals – in der Schwebezeit, als der Vertrag noch nicht rückabgewickelt war – Gespräche mit verschiedenen Wohnungsbaugesellschaften geführt. Ihnen wurde dann teilweise vom Senat untersagt, mit uns weiter zu sprechen, weil man dermaßen aggressiv auf uns losgegangen ist. Dr. Ebm hatte angeboten, dass 50 Prozent der Wohnungen, die dort entstehen, im Sozialwohnungsbau entstehen können. Das heißt, er hat als Sozialwohnungsanteil deutlich mehr angeboten, als gesetzlich gefordert war.
Es gibt unterschiedliche Zahlen. 36 Millionen hätten Sie bezahlt für das Dragoner Areal, heißt es an einer Stelle. Manchmal ist auch von 34 Millionen Euro die Rede. Ist das Geld Ihnen inzwischen mit Zins zurücküberwiesen worden? Oder waren das Bewegungen, die sich nur auf dem Papier abspielten. Ist real denn überhaupt Geld geflossen?
Es gab eine Ausschreibung bei der Bima, und bei dieser Ausschreibung haben zunächst vier Bieter mehr geboten als 30 Millionen. Diese vier Bieter wurden dann zum Gespräch bei der Bima gebeten, wo dann jeweils das Vorhaben dargestellt werden konnte. Beim Gespräch mit der Bima waren bei mir anwesend Florian Schmidt als damaliger Atelierbeauftragter des Berliner Senats und jetziger Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg. Auch mit dabei war Ralph Jentsch als Vertreter des Nachlasses von George Grosz. Es gab ja den Versuch, hier eine größere Grosz-Ausstellung zu etablieren. Das hat sich inzwischen alles zerschlagen, weil alle durch die Vergiftung dieses Grundstücks dort Abstand genommen haben. Wir haben dann Gelegenheit gehabt, unser Angebot zu erhöhen, haben auf 36 Millionen Euro erhöht, waren damit meistbietend und haben zwei Tage vor der Beurkundung das Geld bei der Bima bereits eingezahlt. 2015 wurde dann beurkundet und zwei Monate später – April oder Mai 2015 – haben wir die Grunderwerbsteuer gezahlt in Höhe von über zwei Millionen Euro, und für uns war damit die Angelegenheit eigentlich klar.
Und dieses Geld haben Sie zurücküberwiesen bekommen mit Zins und Zinseszins?
Wir haben es zurückbezahlt bekommen ohne Zins und Zinseszins. Bei der Grunderwerbsteuer mussten wir am Schluss aufpassen. Da gibt es eine Zweijahresfrist, und wenn die um ist, dann bekommt man das Geld nicht zurück. Deshalb haben wir damals den Rücktritt als solchen nicht angegriffen. Weil wir erst einmal sicher sein wollten, dass wir neben allen anderen Verlusten, die wir gemacht haben, auch noch – Dr. Ebm hat rund über eine Million Euro Planungskosten und Sonstiges bezahlt ...
Sonstiges? Was haben Sie abgesehen vom Kaufpreis noch in das Projekt investiert?
Alle möglichen Beratungskosten, Architektenkosten undsoweiterundsofort.
Lässt sich das beziffern?
Ja, das lässt sich beziffern. Aber nicht von mir. Hier war allein der Kaufmann Dr. Ebm gefragt.
Roundabout?
Mehr als eine Million Euro, hat er mir gesagt.
Das haben Sie nicht zurückbekommen?
Das haben wir nicht wiedergekriegt.
Ist das ein Klagegegenstand?
Nein.
Das ist weg?
Das ist erst mal weg.
"Ich habe viel Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit – nicht in Berlin"
Das Dragoner Areal ist Teil eines Tauschgeschäftes im Rahmen des Hauptstadtfinanzierungsvertrages: Der Bund will es im Tausch gegen andere Grundstücke an Berlin abgeben, damit die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften WBM und Degewo dort bauen können. Hören Sie Signale, dass dieses Paket nach der Regierungsbildung im Bund noch einmal aufgemacht wird?
Ich höre diese Signale nicht. Ich habe allerdings den zuständigen Staatssekretär Spahn und auch die beteiligten Berliner Politiker darauf aufmerksam gemacht, dass das, was da jetzt versucht wird, so nicht funktionieren wird. Man muss sich noch einmal in Erinnerung rufen, wie die Abfolge war. Nachdem unser Vertrag rückabgewickelt worden war, gab es eine Abendschau-Sendung des rbb, in der gefeiert wurde, dass das Dragoner Areal dem Land Berlin geschenkt werden sollte. Kollatz-Ahnen war im Interview dabei und ließ sich dafür feiern. Ich hatte denen daraufhin geschrieben, dass dies so gar nicht gehe. Es ist doch so, dass diese Berliner Wohnungsbaugesellschaften, die das Grundstück nun erhalten, reale Marktteilnehmer sind, ebenso bestimmten Wettbewerbsauflagen unterliegen. Da kann es doch nicht angehen, dass ein Marktteilnehmer einfach alles geschenkt bekommt, während andere fürs Grundstück bezahlen müssen. Das ist so unzweifelhaft eine unzulässige Beihilfe nach EU-Recht, dass es einem den Atem verschlägt. Zwei Tage später hatte der rbb offenbar den Fehler bemerkt, und es gab in der Abendschau eine entsprechende Korrektur, in der versucht wurde zurückzupaddeln. Dann wurde auch noch ein ganz grober Fehler gemacht, indem diese Angelegenheit, also dieser Tausch, in den Hauptstadtfinanzierungsvertrag aufgenommen wurde. Doch das ist ja nur ein scheinbarer Tausch. Das Land Berlin hat nur Grundstücke gegeben, die ohnehin Verluste bringen, wie beispielsweise das Jüdische Museum und andere. Das sind alles Verlustbringer, die keinen echten Marktwert haben. Und zweitens, das ist noch entscheidender: Diese Grundstücke werden ja nicht von den Begünstigten, also den Wohnungsbaugesellschaften vergeben, sondern vom Land Berlin. Unterm Strich geben die Wohnungsbaugesellschaften im Hauptstadtfinanzierungsvertrag also gar nichts und bekommen dafür aber umsonst ein großartiges und sehr wertvolles Grundstück.
Das heißt, Sie würden dann Klage bei der Europäischen Union einreichen?
Ja, bei der EU-Kommission. Eine entsprechende Beschwerde ist schon vorbereitet und soll demnächst eingereicht werden. Dieses Verfahren hat unter Umständen dann Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Hauptstadtfinanzierungvertrages.
Er könnte also total kippen?
Der Hauptstadtfinanzierungsvertrag müsste kippen, ja. Ich habe viel Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit – vielleicht nicht in Berlin, aber in die EU.
Der Bund hat ein Normenkontrollverfahren gegen das Land angestrengt, um die von Berlin erklärte Sanierungsverordnung auf dem Gelände des Dragoner Areals zu kippen. Tangiert der Ausgang dieses Verfahrens in irgendeiner Weise Ihren Kaufvertrag?
Dieses ganze Sanierungsverfahren ist eine reine Schikane-Maßnahme, eingeleitet durch den jetzigen Innensenator und damaligen Bausenator Geisel. Es liegen inzwischen Vermerke vor, die ich dem Tagesspiegel auch gerne zur Verfügung stelle, aus denen sich ergibt, dass die Bauverwaltung den damaligen Senator Geisel aufmerksam gemacht hat, dass es überhaupt keinen Sinn macht, hier ein Sanierungsverfahren durchzuführen. Es handelt sich zwar um eine zu sanierende Fläche, aber die war ja bereits im privaten Eigentum. Es war ja auch privates Geld für die Sanierung vorhanden. Also ein Bebauungsplanverfahren wäre das angezeigte Instrument des Baurechts in diesem Falle. Herr Geisel hat darüber hinweg verfügt. Auch dieser Umstand ist ja Teil des Strafverfahrens. Die geben also sage und schreibe 39,5 Millionen Euro für ein Sanierungsverfahren aus, nur um einen privaten Investor auszuschalten? Das ist unfassbar. Diese Summe habe ich aus der Beantwortung einer Anfrage der CDU an den Berliner Senat, die nachgefragt hat, was das Sanierungsverfahren eigentlich kostet. Die Antwort war: 39,5 Millionen Euro. Die werden ausgegeben, um einen Privatinvestor auszuschalten und um dem Bund das Grundstück zu verleiden. Auf Berlinerisch würde ich sagen: „Die hamse wohl nich mehr alle.“
Arne Piepgras geboren 1957 in Hamburg, studierte Jura in Berlin. Sein Staatsexamen machte er 1981 und absolvierte seine Referendarszeit in den USA. Danach ließ er sich als Anwalt in Berlin nieder, wo er viele Jahre praktizierte, bis er sich zum selbstständigen Projektentwickler wandelte. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.
Die Fragen stellte Reinhart Bünger.