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Die Baustelle der Heine-Höfe in der Heinrich-Heine-Straße in Berlin-Kreuzberg. Hier entstehen ausschließlich Eigentumswohnungen.
© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnungsnot: Schritt für Schritt zu mehr Wohnungen

Verbände erörtern, wie man mehr Neubau anreizen könnte. Noch streitet die Regierungskoalition um Steueranreize. Bei der Energieeffizienz soll es bald ein neues System geben.

Knapp drei Jahre nach ihrem Amtsantritt steht die schwarz-rote Koalition im Bund immer noch am Anfang, wenn es um die Ankurbelung des bezahlbaren Wohnungsbaus steht. Dies finden zumindest die Verbände, die sich zum 8. Wohnungsbau-Tag in Berlin mit Vertretern von Wissenschaft, Regierung und Politik zusammenfanden.

Nach ihren Prognosen müssen in den nächsten Jahren 400.000 Wohneinheiten pro Jahr neu errichtet werden. Das seien rund 140.000 Wohneinheiten pro Jahr mehr als im Durchschnitt der Jahre 2014 und 2015 in Deutschland gebaut wurden. Die To-do- und Forderungsliste der Bau- und Immobilienwirtschaft an die Politik fällt also umfangreich aus:

Sonderabschreibungen für den Mietwohnungsbau

Im Bundestag liegen die Steueranreize in Milliardenhöhe für den Mietwohnungsbau derzeit auf Eis. Nach Einschätzung von Bundesbauministerin Barbara Hendricks sollen sie indes noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. „Da bin ich sehr zuversichtlich", sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch in Berlin bei einer Veranstaltung des Immobilienspitzenverbandes ZIA.

In den Gesetzentwurf werde voraussichtlich noch die von Experten bei einer Anhörung im April empfohlene Förderung für die Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnraum wie auch für den Ausbau von Dachgeschossen aufgenommen.

SPD-Politiker der Bundestagsfraktion wollen bei den Baukosten einen niedrigeren Betrag als die geplanten 3000 Euro pro Quadratmeter festlegen, ab der Neubauten aus der Förderung herausfallen. Investoren sollen zudem weniger als die geplanten 2000 Euro bei der Steuer geltend machen können.

Darüber hinaus will die SPD-Fraktion eine Mietpreisdeckelung, damit die Steuervorteile auch zu günstigem Wohnraum führen. Das sieht Bauministerin Hendricks, obwohl selbst SPD-Mitglied, kritisch. Sie sagte beim Verbandstag: „Es handelt sich um ein Steuergesetz, das auch von den Finanzämtern exekutiert werden muss.“ Es sei aber kaum durchsetzungsfähig, dass die Finanzämter überwachen, ob die Mieten tatsächlich nicht über der Deckelung liegen.

Durch die Sonderabschreibung sollen Investoren über drei Jahre 29 Prozent der Baukosten bei der Steuer geltend machen können. Laut Gesetzentwurf kostet dies die öffentliche Hand mindestens 2,15 Milliarden Euro. Die Immobilienbranche befürchtet, dass aus der geplanten steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus nichts wird. Der Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Andreas Mattner, sagte am Mittwoch in Berlin: „Ich habe Zweifel, ob sie noch kommt.“

Sollte der Vorschlag des Bundesrates, die Sonderabschreibung auf Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von maximal 2600 Euro zu beschränken, umgesetzt werden, wäre die Förderung ohnehin nur für sehr wenige Bauherren interessant.

Finanzpolitiker von Union und SPD hatten in der vorigen Woche noch keine Einigung über die strittigen Punkte der Mietpreisdeckelung und der Förderungsbeschränkung erzielt. Hendricks forderte die Beteiligten beim Wohnungsbau-Tag zu Kompromissbereitschaft auf. Neue Wohnungen in Bestandsbauten in die Förderung aufzunehmen – also auch Dachgeschossaufbauten – sei aber unstrittig, sagte sie.

Baulandpreise

Laut einer aktuellen Wohnungsbaustudie, die der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) mit dem Verbändebündnis Wohnungsbau auf dem Branchengipfel präsentierte, ist der Durchschnittspreis pro Quadratmeter Bauland von 2000 bis 2015 um 42 Prozent angestiegen – nahezu doppelt so stark wie das allgemeine Preisniveau, das mit einem Anstieg um 24,7 Prozent ausgewiesen wird.

„Kommunen müssen daher die klassischen Instrumente zur Baulandbereitstellung und -entwicklung wieder konsequent einsetzen, um zusätzliche Wohnbauflächen zur Verfügung zu stellen“, forderte der BFW. „Mit städtebaulichen Verträgen und Entwicklungsmaßnahmen haben sie wirksame Instrumente und können sich von privaten Entwicklern dabei unterstützen lassen. Kommunen haben bei eigenen Flächen die Chance, statt im Höchstpreisverfahren nach Qualität des Baukonzeptes zu vergeben und dabei den Anteil preiswerten und preisgebundenen Wohnraums zu würdigen. Das ist zusätzlich zu finanziellen Anreizen sicher das wirksamste Instrument, um regional bedarfsgerechten und bezahlbaren Wohnraum zu gewährleisten.“

Grunderwerbsteuer

Die Länder können ihren Teil zu einem niedrigen Erwerbspreis für Bauland beitragen, finden die Vertreter der Immobilienwirtschaft, „indem sie die Grunderwerbsteuer maßvoll gestalten oder in der jetzigen Phase für den Neubau von bezahlbarem Wohnraum und Sozialmietwohnungen den Steuersatz auf das alte Niveau von 3,5 Prozent begrenzen“.

1500 Euro reine Baukosten pro Quadratmeter sind das Minimum

Eins der aktuellen Motive der Kampagne für mehr Energieeffizienz.
Eins der aktuellen Motive der Kampagne für mehr Energieeffizienz.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Baukosten

„Angesichts des immensen Wohnraumbedarfs ist es in keiner Weise zielführend, wenn politische Akteure den Eindruck erwecken, man könne generell zu Kosten von 1500 Euro pro Quadratmeter Wohnraum in der benötigten Größenordnung schaffen“, sagte BFW-Präsident Andreas Ibel auf der Veranstaltung mit Blick auf Äußerungen von Bundesbauministerin Barbara Hendricks. Möglich sei dies lediglich „im untersten Standard“ und in besonderen Situationen, sagte Ibel. Bei den 1500 Euro pro Quadratmeter könne es lediglich um die reinen Baukosten gehen: „Beim zusätzlichen Bau eines Kellers, einer Tiefgarage und Einbau eines Fahrstuhls ergeben sich Kosten von 2422 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche“,

Vor diesem Hintergrund forderten die Verbände auf dem Wohnungsbau-Tag, dass kostensteigernde Auswirkungen von Gesetzgebung und Normung kritisch geprüft werden sollten.

Energieffizienz

„Gerade bei der Energieeffizienz ist das wirtschaftlich vertretbare Niveau lange erreicht. Statt weiterer Verschärfungen sollten die Energieeinsparverordnung EnEV und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz EEWärmeG stärker auf die Einsparung von CO2 und Endenergie sowie strikt am Wirtschaftlichkeitsgebot ausgerichtet werden“, sagte Andreas Ibel

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) stützte diese Forderung mit einer Forsa-Umfrage. „Energieeffizienz bei Wohn- und Wirtschaftsimmobilien ist wichtig, doch darf sie nicht zulasten der Bezahlbarkeit gehen. 79 Prozent der Umfrageteilnehmer geben an, bei der Wohnungssuche auf eine hohe Energieeffizienz der Immobilie zu achten, 98 Prozent schauen jedoch zeitgleich auf die Bezahlbarkeit. 82 Prozent erklären, dass beim Klimaschutz auf die Verhältnismäßigkeit zwischen Wirtschaftlichkeit und Kostenaufwand geschaut werden muss. 67 Prozent meinen, dass der Klimaschutz Deutschland als Wirtschaftsstandort nicht gefährden darf.“ Für die Umfrage wurden Ende Mai 1205 Männer und Frauen zwischen 18 und 60 Jahren befragt.

Mit ihren Forderungen rennen die Verbände bei Bauministerin Hendricks offene Türen ein. „Wenn Wände immer dicker werden, hilft das nicht wirklich weiter“, sagte sie beim Wohnungsbau-Tag. Gebraucht würden innovative Ansätze, zu denen es gehöre, erneuerbare Energien auch in die Wärmeerzeugung einzubeziehen. Um das zu erreichen, sollen Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Wärme-Gesetz zusammengelegt werden. Dazu werde zurzeit ein Vorschlag gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium erarbeitet.

Unter zustimmendem Kopfnicken der Zuhörer sagte Hendricks zum Thema Baukostensenkung: „Die Bundesländer sollten möglichst die Musterbauordnung übernehmen. Es gibt wirklich keinen Grund, dass wir 16 verschiedene Bauordnungen haben.“ Die Idee zu einer einheitlichen Bauordnung gehört zu den 70 Vorschlägen, die die Baukostensenkungskommission Ende 2015 gemacht hatte.

Stadtplanung und Stadterweiterung

Mit Blick auf die Größenordnungen des benötigten Wohnungsneubaus und die Prognosen, die sich durch die Flüchtlingsbewegungen in Richtung Deutschland ergeben, bzw. bereits ergeben haben, forderte Michael Voigtländer, Leiter Kompetenzfeld Finanz- und Immobilienmärkte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in Berlin, das Thema „größer zu denken: Es sind neue Stadtviertel zu gründen.“ Mit der Bebauung von Lücken und Stadtverdichtung allein komme man nicht voran: „Warum nicht zum Beispiel an der S-Bahn-Strecke zwischen München-Hauptbahnhof und dem Flughafen neue Stadtviertel bauen?“

Auch dies könne ein Weg sein, die Baupreise zu senken: „Den Markt mit Bauland fluten“, regte Voigtländer an. Viele Stadtplaner seien indes auf Innenstadtflächen „getrimmt“. Für viele Kommunen seien auch die Folgekosten des Wohnungsbaus mit Blick auf die städtische Infrastruktur – Straßen, Schulen, Kitas – ein Thema, das Wohnungsneubau behindere.

Beim Wohnungsbau-Tag wies Hendricks darauf hin, dass für die Stadtentwicklung in den kommenden vier Jahren 300 Millionen Euro zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. In die Stadtentwicklung zu investieren sei das beste Mittel, um Ghettobildung zu vermeiden.

Förderprogramme

Noch nicht ausgeschöpft ist das Vario-Programm zum Bau kleiner Studentenwohnungen mit einer Größe von 22 bis 24 Quadratmetern, informierte Hendricks. 500 Euro Zuschuss pro Quadratmeter können Bauherren aus diesem Programm bekommen. Trotz Förderung darf die Miete mehr als zehn Euro pro Quadratmeter betragen. Noch bis 30. Juni können Anträge gestellt werden.

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