Nachhaltig modernisieren: Rettung für das Kaiserholz
Kastenfenster sind handwerkliche Meisterstücke und nach der Runderneuerung auch energetisch gut. Noch aber werden sie bei einer Sanierung meist ersetzt.
Bei einer energetischen Sanierung landen immer wieder schöne alte Kastenfenster aus Holz im Container und werden durch Kunststofffenster ersetzt. Viele Mieter wollen das nicht, weil sie die alten Fenster schön finden. Es gibt aber auch ein ökologisches Argument gegen den Austausch: Warum viel „graue Energie“ in neue Fenster investieren, wenn man die alten aufarbeiten kann?
Wie das am besten geht, hat die Berliner Fensterbaufirma Timm unter wissenschaftlicher Begleitung erprobt. Das Projekt wurde aus dem EU-Programm: „Innovationen für die Kreislaufwirtschaft“ gefördert und mündete 2003 in den Leitfaden HO.09 für die Runderneuerung von Fenstern.
Zuerst werden alte Farbschichten abgetragen. Dann erhält das Fenster einen neuen Farbaufbau. Marode Holzteile werden ersetzt. Die Außenflügel bekommen eine neue Einfachscheibe, die Innenflügel eine doppelte Isolierglasscheibe. Außerdem wird innen eine neue Dichtung eingefräst, der äußere Flügel erhält einen Schutz gegen Schlagregen.
Vom Bauablauf her wird zuerst die äußere Flügelebene in die Werkstatt geholt. Wenn sie neu eingesetzt ist, kommt die innere Ebene an die Reihe. In der Zwischenzeit wird der Blendrahmen des Fensters vor Ort entlackt und gestrichen. Fertig.
Ähnliche Preise wie bei einem neuen Fenster
Ein so bearbeitetes altes Kastenfenster kann einen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von 1,3 bis 0,85 Watt pro Quadratmeter erreichen, berichtet Bastian Timm. Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf hat nach der Sanierung an der Zinnowwaldschule an der Wilskistraße einen Wert von 1,1 gemessen. Das ist Standard bei neuen Fenstern.
So weit, so energetisch gut. Freunde des Kastenfensters, von dem es in Berlin eine Million gibt, haben noch ein Argument für die Erhaltung: Durch die Tiefe des Fensters werden die Laibungen nicht so schnell kalt, es setzt sich kein Tauwasser ab und es entsteht kein Schimmel. Ein Infoblatt des Berliner Aktionskreises Energie fasst diese und andere Fakten zum Kastenfenster zusammen - unter anderem, dass die Sanierung aus dem Schallschutzfensterprogramm des Senats gefördert werden kann.
Allerdings ist die Aufarbeitung arbeitsintensiv und darum nicht billig. Laut Fensterbau Timm kostet sie rund 2500 Euro für ein normales Altbaufenster. Dafür spart man Einbau- und Entsorgungskosten. „Im Vergleich zu einem neuen Holzfenster kommt man auf ähnliche Preise“, sagt Architekt Christian Reher vom Energiesparportal co2online, „es hängt aber vom Einzelfall ab.“
Günstiger ist ein anderes Verfahren, bei dem morsche Fenster mit Epoxidharz repariert werden. „So kann man sie zum halben Preis der Runderneuerung instandsetzen“, sagt der Berliner Malermeister und Sachverständige Heinrich Bodden. Allerdings ist der Austausch des Glases hier nicht standardmäßig enthalten. Mit der Methode werde gerade ein Block der Deutschen Annington am Südwestkorso saniert, sagt Bodden. Auch er schwärmt für die Qualität der alten Fenster: „Das ist Kaiserholz – also Kernholz – und heute nicht mehr zu bezahlen.“
"Eingetretene Pfade werden immer weiter gegangen"
Trotzdem ist das Recycling von alten Fenstern noch nicht sehr verbreitet. „Eingetretene Pfade werden bei der Planung und im Bauablauf immer weiter gegangen“, sagt Christian Reher. Das bedauert der Aktionskreis Energie, der den Klimaschutz durch energetische Modernisierung voranbringen will. „Gerade die städtischen Wohnungsgesellschaften tun sich sehr schwer“, sagt Peter Schrage-Aden vom Aktionskreis.
Wegen der Sanierung mit Kunststofffenstern an der Pankower Kavalierstraße durch die Gesobau verfasste der Aktionskreis einen Beschwerdebrief an Berlins Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Engelbert Lütke Daldrup. In seiner Antwort zieht ein Mitarbeiter des Senats das Kostenargument: Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen spielten bei der Sanierung eine übergeordnete Rolle, weil sie die Grundlage für ein preiswertes Mietangebot darstellten. Die Entscheidung für PVC-Fenster sei „gut nachvollziehbar“.
Die Oberste Denkmalbehörde aber lässt gerade untersuchen, wie die historische Bausubstanz in Berlin erhalten werden kann. „Da es breiten Konsens über die Qualitäten des Kastenfensters gibt, suchen wir nach Lösungen für eine langfristige und umfängliche Erhaltung“, schreibt die Behörde.
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