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Shopping am Ku’damm – aber nicht in der Edel-Boutique, sondern im Baumarkt. Gartencenter und Heimwerkermärkte drängen in urbane Standorte – wie hier Bauhaus auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Halensee.
© imago/Stefan Zeitz

Einkaufszentren: Rein, raus und weg

Einkaufscenter im Umland scheinen passé zu sein. Kunden wollen schnelle, kurze Wege. Die großen Anbieter orientieren sich wieder mehr auf innerstädtische Lagen.

Der offenbar ungebremste Boom der Einkaufszentren und Baumärkte auf Gewerbeflächen im Umland ist gestoppt. Fachleute sprechen inzwischen von einem „Overstoring“ – einem Überangebot von Möbelhändlern, Pflanzensortimenten und Co. Die großen Anbieter orientieren sich wieder mehr auf innerstädtische Lagen.

Elmar Kulke, Hochschulprofessor im Fach Wirtschaftsgeografie an der Berliner Humboldt-Universität, beobachtet seit einiger Zeit diese Entwicklung: „Das Potential ist ausgeschöpft. Im Umland gibt es mehr Flächen als Nachfrage.“ Eine Konsequenz ist, dass die großen Einkaufszentren unter Druck geraten können. Elmar Kulke nennt als Beispiel das A10-Center an der Autobahn bei Wildau südlich von Berlin. Nur durch einen Umbau entspannte sich die Lage. Das Center gewann durch architektonische Neugestaltung wieder mehr Attraktivität.

Wirtschaftsgeograf Kulke hat indes einen klaren Trend ausgemacht: „Wir erleben eine Reorientierung auf die Stadt.“ Dazu beigetragen hat auch ein verändertes Konsumentenverhalten: „Der Großeinkauf mit dem Auto verliert an Bedeutung. Die Leute wollen heute nach der Arbeit auf dem Nachhauseweg noch schnell etwas einkaufen und mitnehmen. Kurze Wege sind gefragt.“

Die Friedrichstraße hat ihren Ruf als Einkaufsmeile zurückgewonnen

In den letzten Jahren sind die großen Kaufcenter nicht mehr auf der grünen Wiese entstanden. Jüngstes Beispiel ist die Mall of Berlin am Leipziger Platz. Aber auch der Boulevard Berlin in Steglitz, das Alexa im östlichen Stadtzentrum, Ikea, Möbel-Kraft und der Hellweg-Baumarkt an der Yorckstraße in Schöneberg stehen für eine Rückkehr in die urbane Nachbarschaft.

Selbst die Friedrichstraße hat ihren einstigen Ruf als Einkaufsmeile längst zurückgewonnen. Wesentlicher Grund für diese Renaissance ist der stetig wachsende Zustrom von Touristen und der anhaltend starke Zuzug von jährlich rund 40 000 Neu-Berlinern. So werden, wie Elmar Kulke ermittelt hat, inzwischen mehr als 50 Prozent des Umsatzes an der Friedrichstraße von den Hauptstadtbesuchern aufgebracht.

Hier sieht man auch bei der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) den Schlüssel zum Erfolg. „In jedem Monat verzeichnen wir neue Touristenrekorde. Es kommt immer mehr Geld in die Stadt“, sagt Sprecher Christian Breitkreutz. Das befördere den Boom von Einkaufszentren, wobei nach Ansicht der IHK auch Standorte im Umland profitieren. Für diese Prognose spricht der weitere Anstieg der Zahl von Berliner Pendlern, die in Brandenburg arbeiten. Viele Hauptstadt-Touristen sind auch gern mal etwas außerhalb unterwegs.

Randerscheinung. Das Einkaufszentrum Forum Köpenick liegt zwar gut erreichbar an der S-Bahn, aber für die meisten Berliner nicht gerade um die Ecke.
Randerscheinung. Das Einkaufszentrum Forum Köpenick liegt zwar gut erreichbar an der S-Bahn, aber für die meisten Berliner nicht gerade um die Ecke.
© picture-alliance/euroluftbild.de/Robert Grahn

In der Innenstadt gibt es noch Flächenreserven

Der Zustrom zu den Kaufpalästen in Berlin ist aber ungebrochen. Wichtig, so erklärt Professor Kulke, sei ein breit gefächertes Angebot. Gibt es nur „teure Marken“, dann bleibt die Kundschaft fern. Als Beispiel dafür sieht er das Bikini-Haus an der Gedächtniskirche. Den klassischen Warenhäusern macht der Wirtschaftsgeograf wenig Hoffnung. Der Trend gehe klar zu kleineren Formaten, wie sie sich auch im Boom der Biomärkte widerspiegelten. Gebündelte Vielfalt unter einem Arkaden-Dach, so kauft man heute ein.

Dafür gibt es in der Innenstadt immer noch Flächenreserven. Aktuell wird ein weiteres Einkaufszentrum an der Warschauer Brücke geplant. Es soll rund 25 000 Quadratmeter Verkaufsflächen bereitstellen – das entspricht der Größenordnung des Gesundbrunnen-Centers in Wedding. Erst kürzlich wurden den Bezirksverordneten in Friedrichshain- Kreuzberg Entwürfe vorgestellt. Auch auf dem ehemaligen Güterbahnhof in Pankow wollen Investoren große Center errichten.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung versucht, die Ansiedlung von Einzelhandelsunternehmen der Bau-, Möbel- und Gartenartikelbranche mit Vorgaben zu steuern. Sprecher Martin Pallgen: „Mit unserer Fachmarktkonzeption können die Stadtplanungsämter in den Berliner Bezirken ebenso wie Investoren einheitliche Standortkriterien anwenden.“ Schwerpunkte sind danach unter anderem die Genthiner Straße in Tiergarten, Eldenaer und Storkower Straße in Friedrichshain, die Pankstraße in Wedding sowie Sachsendamm und Alboinstraße in Tempelhof-Schöneberg.

Auch die Baumarktbranche drängt in urbane Standorte

In der Senatsverwaltung sieht man ausreichend Potential für weitere Ansiedlungen. „Aufgrund der polyzentralen Stadtstruktur verfügt Berlin über zahlreiche Möglichkeiten, Einzelhandel zentrenverträglich und kundennah zu integrieren“, heißt es. Der Trend „Zurück in die Stadt“ wird mit Wohlwollen betrachtet.

Filialunternehmen der Baumarktbranche haben den Zug der Zeit erkannt und drängen mit „Kleinflächenkonzepten“ in urbane Standorte. „Beispiele wie der Baumarkt am Hermannplatz zeigen, dass gestapelte Verkaufsflächenkonzepte in Berlin eine gute Tradition haben“, erläutert Senatssprecher Pallgen. Auch im Umfeld der Kantstraße in zentraler Lage in Charlottenburg würden Möbelsortimente mit Erfolg angeboten.

Auf das veränderte Geschäftsumfeld mit wachsender Kauflust inmitten der Stadt haben die Händler reagiert. So bietet das schwedische Möbelhaus Ikea an der Alboinstraße in Tempelhof einen interessanten Service für die Kunden: Das Möbeltaxi liefert die neue Schlafcouch direkt vor die Wohnung. Das eigene Auto scheint entbehrlich.

Nicht überall sind die neuen Kaufcenter willkommen. In manchen Bezirken wie etwa in Pankow werden sie als störende Konkurrenz für den alteingesessenen Einzelhandel gesehen. Es gibt aber noch einen anderen Konflikt. Die Märkte mit ihren großflächigen Parkplätzen beschneiden Entwicklungsmöglichkeiten für neue Wohngebiete. „Verteilungskämpfe“ um wertvolles Bauland könnten die Folge sein.

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