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Der Gebäudekomplex an der Bautzener Straße. Im Hintergrund verläuft die Yorckstraße.
© Collignon Architekten

Streit um Baustelle am S-Bahnhof Yorckstraße: Ökologischer Neubau statt Grünfläche

300 Wohnungen an der Bautzener Straße werden mit erneuerbaren Energien versorgt. Doch es gibt Kritik im Kiez: Anwohner und Naturschützer kämpfen für eine Grünfläche.

Bis vor kurzem stand hier noch ein Wäldchen, dazwischen arbeiteten Kleingewerbler in Baracken. Insgesamt war es ein etwas unordentliches Eckchen Berlins, wie es sie immer seltener gibt.

Inzwischen ist schon die Hälfte der Brache an der Bautzener Straße in Schöneberg planiert, Bäume sind abgesägt, die zum Vorschein gekommenen Betonplatten aufgebrochen. Vorarbeiten für ein großes Projekt mit knapp 300 Wohnungen. Das Gebiet, um das es hier geht, liegt nördlich der Bautzener Straße zwischen gründerzeitlicher Bebauung und den Gleistrassen am S-Bahnhof Yorckstraße.

Ruderalvegetation heißt ein spontan entstandener Bewuchs wie er hier an der Bautzener Straße im Hintergrund noch erhalten ist (Blick von der Yorckstraße Richtung Monumentenstraße).
Ruderalvegetation heißt ein spontan entstandener Bewuchs wie er hier an der Bautzener Straße im Hintergrund noch erhalten ist (Blick von der Yorckstraße Richtung Monumentenstraße).
© Susanne Ehlerding

Das Konzept bekam bereits ein Platin-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), vorbildlicher geht es nicht. Im März war das Vorhaben außerdem Preisträger des Berliner Wettbewerbs „KlimaSchutzPartner des Jahres“.

Wärmetauscher unter der Yorckstraße zapfen Energie aus dem Abwasser an

„Wir verbrauchen so gut wie keine Energie“, sagt Architekt Oliver Collignon. Erreicht werde das durch Wärmetauscher in den riesigen Abwasserrohren unter der Yorckstraße. Die Dächer sollen begrünt und mit Solarpaneelen versehen sein. Die sieben Gebäudekörper sind so gestaffelt, dass der Blick zum Flaschenhalspark jenseits der Gleise und eine Durchlüftung möglich bleiben. Auch sozial soll das Projekt sein, 80 Prozent sind Mietwohnungen, alle eher klein, 25 Prozent geförderte Wohnungen zu erschwinglichen Mieten dabei, sagt Stadträtin Sibyll Klotz (Grüne).

Blick von Bautzener zur Yorckstraße. Über den Schutt lugt das Gebäude mit der Kneipe „Zum Umsteiger“.
Blick von Bautzener zur Yorckstraße. Über den Schutt lugt das Gebäude mit der Kneipe „Zum Umsteiger“.
© Susanne Ehlerding

Alles richtig gemacht also?

Nein, findet eine Gruppe von Anwohnern, Aktivisten und Naturschützern. Sie stören sich unter anderem daran, dass geplant wird, ohne dass überhaupt Baurecht besteht. Reinhold Semer, der Eigentümer der Fläche, ist im Kiez bekannt. Ihm gehört die Baumarktkette Hellweg, deren klotzige Niederlassung schräg gegenüber an der Yorckstraße steht. „Spekulationsgewinne“ könnte Semer bald mit Hilfe der Politik realisieren, heißt es in einem Flugblatt. Tatsächlich äußerte sich die Bezirksverordnetenversammlung mehrheitlich positiv zu dem Projekt. Die Aufstellung des Bebauungsplans, für den noch bis 11. Mai die Bürgerbeteiligung läuft, scheint nur noch eine Formsache zu sein.

Ein Teil der Fläche hin zur Monumentenstraße sei ja bereits zu einer Grünanlage umgewandelt worden, sagt Stadträtin Klotz. Die Bedenken vonseiten des Naturschutzes könne sie nicht teilen. Mittel für einen Kauf der Fläche aus dem Programm Stadtumbau West stünden, anders als von den Aktivisten behauptet, nicht mehr zur Verfügung. Und dass das Quartier mit dem ÖPNV so gut erreichbar ist, sei „ganz klar eine Klimaschutzmaßnahme“, sagt sie.

"Es gab keine offene Debatte"

Ein Bürgerbegehren zur Umwandlung des gesamten Areals an der Bautzener Straße in eine Grünfläche war 2013 gescheitert. Die Enttäuschung über den möglicherweise verlorenen Kampf bestimmt den Ton der Debatte, die zum Teil mit ehrabschneiderischen Behauptungen geführt wird.

Edelgard Achilles von der Bürgerinitiative „Stadtplanung von unten“ meint, dass wegen des Widerstandes der Bevölkerung versucht wurde, dem Projekt ein „grünes Mäntelchen“ umzuhängen, indem die Gebäude einen hohen ökologischen Standard erfüllen. „Es ist unverantwortlich, dass die letzte freie Fläche am Park auch noch zugebaut wird“, sagt sie. Gegner des Projekts verweisen auch darauf, dass das nächste Bauprojekt am Gleisdreieck-Park schon geplant ist.

„Der Konflikt liegt nicht in dem Bauwerk. Der Architekt hat einen guten Job gemacht“, sagt BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser vermittelnd. Es sei aber die Chance vertan worden, mit einer Grünfläche eine zusätzliche Verbindung zum Park zu schaffen. Dazu habe keine offene Debatte stattgefunden. „Viel von dem Konflikt ist dadurch bedingt.“

Auch die Besitzverhältnisse spielen laut Heuser eine Rolle: So wie die Kolonie Oeynhausen oder der Mauerpark handele es sich um ein ehemaliges Grundstück der Bahn, das nicht der kommunalen Planungshoheit unterlag.

Eine Einwohnerversammlung zur Bautzener Brache findet statt am Donnerstag, 28. April 2016 um 18 Uhr in der Havelland-Grundschule, Kolonnenstraße 30, 10829 Berlin.

Viel wurde schon rund um den Park am Gleisdreieck gebaut. Das nächste Projekt „Urbane Mitte“ ist in Arbeit.
Viel wurde schon rund um den Park am Gleisdreieck gebaut. Das nächste Projekt „Urbane Mitte“ ist in Arbeit.
© TSP/Anna Schmidt

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