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Schön bunt, aber auch ein Zeichen von Verwahrlosung: Graffiti in einem Hauseingang in der Fürbringer Straße in Kreuzberg.
© Tagesspiegel/Kitty Kleist-Heinrich

Stadtentwicklung: Mehr Chancen für prekäre Kieze

Der Senat hat vier neue Gebiete mit Quartiersmanagement ausgewiesen. Mit dem ganzheitlichen Ansatz lassen sich soziale Probleme am besten lösen. Aber er hat auch Grenzen.

Mit vier neuen Quartiersmanagementgebieten startet Berlin ins Jahr 2016: es sind der Boulevard Kastanienallee in Hellersdorf, die Badstraße in Mitte, das Kosmosviertel in Treptow sowie Klixstraße und Auguste-Viktoria-Allee in Tegel. Diese Kieze haben einen „besonderen Entwicklungsbedarf“, entschied der Senat im Dezember. Außerdem werden zwei bestehende Gebiete erweitert: der Wassertorplatz in Kreuzberg und die Sonnenallee mit der High-Deck-Siedlung in Neukölln. Insgesamt gibt es in Berlin 34 Gebiete mit Quartiersmanagement (QM). Gefördert werden sie aus dem Berliner Haushalt, dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ und dem Programm „Zukunftsinitiative Stadtteil“ der EU.

Das erklärungsbedürftige Konzept Quartiersmanagement wurde Ende der 90er Jahre entwickelt. Vorher hatte die Politik vor allem auf bauliche Maßnahmen gesetzt, um soziale Verbesserungen in benachteiligten Gebieten zu bewirken. „Das Programm Soziale Stadt ist gestartet als man merkte, dass man das so nicht hinkriegt“, sagt Thomas Franke vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). „Bauen als zentrale Hülle für alles andere spielt nach wie vor eine große Rolle“, sagt er. „Beim Quartiersmanagement geht es aber auch um Grünflächen, Freizeitangebote, Bildung, das Zusammenleben und letztlich darum, dass die Individuen ihr Leben meistern können.“

Ziel von Quartiersmanagement ist, die Kieze sozial zu stabilisieren und baulich aufzuwerten. Dafür gibt es konkrete Unterstützung: Seit 1999 sind 364 Millionen Euro ins Berliner Quartiersmanagement geflossen. 2016 kommen noch einmal 23 Millionen Euro hinzu.

Grundlage für die Auswahl der neuen Quartiere waren ein Gutachten des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS) sowie das Monitoring Soziale Stadtentwicklung. Es betrachtet alle Kieze Berlins nach ihrem Status und ihrer sozialen Dynamik. 51 der 434 sogenannten Planungsräume hatten entweder einen sehr niedrigen sozialen Status oder einen niedrigen sozialen Status mit negativer Dynamik. Aus ihnen wurden nun die neuen QM-Gebiete ausgewählt.

Quartiersmanager sind Kümmerer

Eine von denen, die das Ohr am Boden des Kiezes haben: Quartiersmanagerin Sükran Altunkaynak vor ihrem Büro in der Prinz-Eugen-Straße in Wedding.
Eine von denen, die das Ohr am Boden des Kiezes haben: Quartiersmanagerin Sükran Altunkaynak vor ihrem Büro in der Prinz-Eugen-Straße in Wedding.
© Tagesspiegel/ Thilo Rückeis

Berlin hat seit 1999 als einer der Vorreiter QM-Gebiete ausgewiesen. Grundidee ist Vernetzung: Bürger und Initiativen vor Ort zu aktivieren und zu beteiligen, während auch die Verwaltung über Ressortgrenzen hinweg auf ein Quartiere schaut und Maßnahmen plant.

Scharnier zwischen Bürgern und Verwaltung sind die Quartiersmanager, in Berlin meist ein Dreierteam. „Sie sind Kümmerer, Motor und Transmissionsriemen, das Ohr am Boden des Quartiers“, sagt Thomas Franke. Eine von ihnen ist Özlem Ayaydinli, seit 2007 Quartiersmanagerin am Weddinger QM-Gebiet Sparrplatz. „Jeder Kiez ist sehr speziell. Bei uns waren Kinder und Jugendliche über viele Jahre hinweg der Schwerpunkt“, sagt sie. Aus dem Baufonds für die Quartiere wurde der Spielplatz am Pekinger Platz saniert und eine benachbarte Straße abgesperrt, sodass zum Nordufer hin ein kleiner Stadtplatz entstand.

Aber die Menschen sind natürlich genauso wichtig: „Knotenpunkte sind diejenigen, die die ehrenamtlichen Projekte machen. Diese Netzwerke stärken wir“, sagt Ayaydinli. Ihr und den anderen Quartiersmanagern zur Seite steht ein gewählter Quartiersrat, der Projektideen bewertet und gemeinsam mit der Verwaltung über den Einsatz der Fördermittel entscheidet. Nicht immer geht das gut, zumindest gab es vergangenes Jahr Beschwerden über Kunstprojekte am Mehrinplatz.

"Es ist der einzig sinnvolle Ansatz"

Oberziele für die neuen QM-Gebiete sind schon formuliert: Am Boulevard Kastanienallee sollen öffentliche Anlagen entstehen. Ehrgeiziger Plan ist außerdem, die Sozialstruktur zu stabilisieren, so dass die Armut nicht weiter steigt. Arbeitslosigkeit und Kinderarmut sind in dem Kiez überdurchschnittlich hoch.

Auch im Kosmosviertel ist das so. Hier sollen vor allem die Bildungseinrichtungen gestärkt und neue Angebote zur Freizeitgestaltung geschaffen werden.

Im Kiez Badstraße hebt das IfS-Gutachten die hohe Kriminalität hervor. Durch QM soll das Gebiet zu einem sozialen Zentrum mit attraktiven Stadtplätzen werden. Kooperationen von Schulen und Ausbildungsstätten im Bereich Sprachförderung, Integration und gesellschaftliche Teilhabe sollen entstehen.

Die Klixstraße soll mehr an das sozio-kulturelle Band der Auguste-Viktoria-Allee angeschlossen werden. Die Aufenthaltsqualität der Grün- und Freiflächen, die Erziehungskompetenz der Eltern und die interkulturelle Kommunikation sollen steigen.

Doch kann Quartiersmanagement solche hohen Erwartungen überhaupt erfüllen? „Es wäre eine Überlastung, mit dem Quartiersmanagement Probleme lösen zu wollen, die nicht im Quartier entstanden sind. Arbeitslosigkeit ist kein Quartiersproblem“, sagt Thomas Franke. Außerdem sind die Gelder nicht beliebig einsetzbar: „QM kann nur investive Mittel ausgeben, Bildungsprogramme und Spracherwerb müssen aus anderen Mitteln finanziert werden.“ An sich aber sei es „der einzig sinnvolle Ansatz, um die miteinander verschränkten Probleme in prekären Kiezen anzugehen“.

Mehr Informationen unter: www.quartiersmanagement-berlin.de und facebook.com/Soziale.Stadt.Berlin

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