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Projektentwickler Dr. Jürgen Leibfried hat die Bauwert Gruppe im Jahr 1983 gegründet.
© Bauwert AG

Interview mit Bauwert-Chef Jürgen Leibfried: „Man kann Zuzüge nicht verbieten“

Projektentwickler Jürgen Leibfried hält die Wohnungsbaupolitik in Berlin für falsch.

Herr Leibfried, wie fühlen sich Investoren in Berlin: Ist man hier gern gesehen, oder fallen sie eher lästig?

Als Investor ist man heute in Berlin ein klares Feindbild; vorrangig gilt es, Investoren aus der Immobilienwirtschaft von Wohnneubauten abzuhalten. Außer, man wäre bereit, ausschließlich geförderten Wohnungsbau zu liefern.

Wie verläuft ein typischer Planungsprozess in Berlin nach Ihren Erfahrungen?

Ein typischer Ablauf beginnt damit, dass man mit den zuständigen Fachleuten in den Bezirken redet und sich dort über die Baurechtsvorgaben und die Planung im Detail abstimmt. Auf der Ebene der Bezirksverordnetenversammlungen ist dies anders. Da ist man zunächst erst einmal das Feindbild. Das ist von Bezirk zu Bezirk natürlich unterschiedlich. Kreuzberg hat hier eine andere Haltung als zum Beispiel Spandau.

Es gibt eine Wohnungsbauleitstelle beim Bausenat, es gibt Bezirksstadträte für Bauangelegenheiten und künftig wird auch noch eine koordinierende Stelle beim Regierenden Bürgermeister eingerichtet. Wissen Sie da noch, mit wem Sie zuerst reden sollen, um ein Projekt aufzusetzen?

Grundsätzlich versuchen wir, nur Projekte aufzusetzen, die nicht einen neuen Bebauungsplan benötigen. In der Vergangenheit hat man sich aber bei kritischen Themen an die Wohnungsbauleitstelle gewandt. Sie wurde extra dafür eingerichtet, dass man sich bei Streitfällen an sie wenden kann. Die Wohnungsbauleitstelle hat dann unter der Maßgabe dessen, was für die Stadt richtig und wichtig ist, entschieden und das war es dann.

Hat die Wohnungsbauleitstelle Ihnen schon einmal helfen können?

Sie hat immer sehr klare Positionen bezogen. Sie hat nicht geholfen, sie hat aber Vorgaben gemacht, die man erfüllen konnte oder auch nicht, und das wurde dann eben umgesetzt.

Sie sprechen über die Zeiten vor Rot-Rot-Grün. Was hat sich geändert?

Die Wohnungsbauleitstelle ist aktuell unserer Erfahrung nach leider nicht mehr für private Bauträger ansprechbar. Wenn man heute ein Problem hat, wird das vonseiten des Senats delegiert an die Bezirke. Alles soll nur auf der Ebene der Basis, also auf der Bezirksebene oder auf Ebene der betroffenen Bevölkerung entschieden werden. In der Theorie ist das eine positive Herangehensweise, die aber in der Realität nicht umsetzbar ist, da die Basis eigentlich grundsätzlich gegen den Wohnungsneubau im direkten Umfeld ist. Man kann die Menschen vom Prinzip her ja verstehen, da jede neue Wohnung, die neu gebaut wird, weniger Parkplätze, weniger Kitaplätze, weniger Schulplätze et cetera bedeutet. Es geht natürlich auch um die Gentrifizierung, um die Angst, dass im Zuge des Wohnungsneubaus die Mieten steigen. Nur: Man kann den Zuzug von Menschen nach Berlin nicht reglementieren. Man kann niemandem verbieten, nach Kreuzberg oder zum Prenzlauer Berg zu ziehen, nur weil er dort vielleicht das Mietniveau stört.

In Pankow wünscht sich der Bezirk vom Investor Kurt Krieger so etwas wie ein Volksrathaus. Sie sehen sich in Kreuzberg mit dem Ansinnen konfrontiert, im Rahmen Ihres Bockbrauerei-Projektes marode Gewölbekeller für eine Gedenkstätte herzurichten. Erwarten Berlins Bezirke besonders viel von Investoren oder begegnen ihnen derartige Wünsche – die sich schwerlich in Bebauungspläne fassen lassen – häufig und aller Orten?

Berlin ist hier sehr speziell. Während man in anderen Orten Deutschlands als Investor auch ab und zu positiv gesehen wird, wird man in Berlin zunächst nur als Störenfried empfunden, den man möglichst aus seinem Bezirk raushalten möchte. Wenn es gar nicht anders geht, versucht man halt ein Projekt mit Vorgaben zu überfrachten, um das Projekt zum Scheitern zu bringen. Diese Haltung wird indirekt vom Senat unterstützt, da die neue politische Vorgabe ist, dass bei jedem neuen Projekt ausschließlich der Wille der Basis entscheidend sein soll.

15 Jahre Planungszeit ehe die letzte Kröte umgesiedelt wurde, sind in Deutschland ja keine Seltenheit. Wie kommen Sie als Unternehmer, als denkender und wirtschaftlich handelnder Mensch damit zurecht?

Das haben wir Gott sei Dank noch nicht gehabt, dass wir 15 Jahre warten mussten. Aber vier bis fünf Jahre sind schon eher die Regel als die Ausnahme. Und auch das ist eine extrem lange Zeit.

"Baulandsteuer könnte etwas bewirken"

Wenn Sie einen Blick auf die bau- und wohnungspolitischen Vorstellungen der sich abzeichnenden neuen großen Koalition im Bund werfen: Welche Ergebnisse finden Sie gelungen?

Es ist sicher positiv, wenn jetzt junge Familien Unterstützung erfahren sollen. Zusätzlich sollen mehrere Milliarden Euro in den Sozialen Wohnungsbau investiert werden. Fakt ist aber: Um den preiswerten Wohnungsbau nach vorne zu bringen, ist es zunächst einmal wichtig, dass die öffentliche Hand preiswerte Grundstücke mit Zweckbindung zur Verfügung stellt, dass die immer höheren Anforderungen an den Baustandard reduziert werden und dass man sinnvollerweise adäquate Abschreibungsmöglichkeiten für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stellt – zum Beispiel zwanzig Prozent auf die Baukosten für jeweils die ersten zwei Jahre. Und zu guter Letzt, dass die Bundesrepublik Deutschland auf die Mehrwertsteuer verzichtet, wenn private Bauherren preiswerte Wohnungen zu niedrigen Mieten bauen wollen. Ein solcher Verzicht führt allein zu einer Reduktion der Bau- und Baunebenkosten von zirka 400 bis 500 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. All die gerade gezeigten Maßnahmen könnten manche wohlhabende Familien oder auch manche Pensionskasse dazu verführen, Wohnungen zu bauen, auch wenn diese dann aktuell keine besondere Rendite erwirtschaften.

Was halten Sie davon, dass Besitzer von Bauland stark besteuert werden sollen, wenn damit nur spekuliert, darauf aber kein Wohnraum realisiert wird? Stichwort „Grundsteuer C“.

Es könnte sicherlich eine sinnvolle Maßnahme sein, sofern sie tatsächlich umgesetzt werden kann. Derzeit ist die Situation für jeden Bauträger unerfreulich, wenn Grundstücke immer nur durchgehandelt werden, mit der Idee, einen maximalen Profit im Vorfeld einer Baumaßnahme abzuschöpfen; daher könnte eine Sondersteuer vielleicht etwas bewirken.

Ist Berlin mit Blick auf das Durchhandeln von Grundstücken ein besonders trauriges Beispiel?

Ein besonders typisches, klar. Dadurch, dass der Wohnungsneubau behindert wird, führt dies zur Verknappung von Wohnraum und Verknappung führt automatisch zu höheren Preisen. Deswegen ist eine Stadt wie Berlin besonders von dieser Situation betroffen.

Es dürfte eine buchhalterische Rechenaufgabe sein, die Wartezeit für das Durchhandeln und die Straf-Steuer einzupreisen.

Ja, klar. Es ist nur fraglich, ob die Preise dann auch durchsetzbar sind. Zu mehr preiswertem Neubau führt das aber nicht.

Führen steigende Zinsen dazu, das schneller gebaut wird?

Es kommt darauf an. Als Bauträger will man sein Projekt ohnehin möglichst schnell umsetzen, denn die Kosten, die man für das Bauland hat, sind bei langen Vorbereitungsphasen ohnehin sehr hoch. Jeder, der ein Grundstück hat, nur um damit zu spekulieren, könnte bei höheren Zinskosten vielleicht dazu animiert werden, es zu verkaufen.

Sie sind seit einem Jahr gezwungen, im Rahmen neuer Projekte mit neuen Bebauungsplänen bis zu dreißig Prozent sozial verträglichen Wohnraum zu schaffen. Ist das ein Heilmittel zur Linderung des Wohnungsmangels im unteren Preissegment?

Wie bereits ausgeführt, versuchen wir als Firma keine Grundstücke anzukaufen, die einen Bebauungsplan benötigen und somit den 30-prozentigen sozial verträglichen Wohnanteil bedingen. Grundstücke, die damit belastet sind, bringen es mit sich, dass die normalen Wohnungen eben teurer werden. Unser Weg ist es vielmehr, auf freiwilliger Basis Kompromisse zu finden, das heißt wir bieten an, eine bestimmte Anzahl an sozial verträglichen Wohnungen, Kitas et cetera freiwillig zu bauen und hoffen, auf diesem Wege ein zügigeres Genehmigungsverfahren zu erhalten.

"Der Senat muss wieder Wohnungsbauprojekte an sich ziehen"

Welche Folgen hat die 30-Prozent-Regelung auf die Preisdynamik der anderen Wohnungen?

Sie werden logischerweise teurer.

Natürlich. Aber lässt sich das beziffern? Sie werden ja nicht um 30 Prozent teurer.

Wenn man zum Bespiel einen Verlust von 2000 Euro je Quadratmeter erwirtschaftet, um diese 30-Prozent-Wohnungen zu bauen, dann kann man sich ausrechnen, was das für den Rest bedeutet.

Würden Sie der These folgen, dass die Regelung 70 Prozent der Wohnungen in der Konsequenz sogar verteuert?

Klar, um bei diesem Beispiel zu bleiben: Wenn man zum Beispiel bei einer Gesamtfläche von 10 000 Quadratmetern wegen dieser Regelung 3000 Quadratmeter Sozialwohnungen bauen muss und hier einen Verlust von 2000 Euro ja Quadratmeter Wohnfläche erwirtschaftet, werden die restlichen 7000 Quadratmeter um zirka 860 Euro pro Quadratmeter teurer, nur um pari zu sein.

Wie könnte man aber zu preiswerten Wohnungen kommen? Wie lässt es sich anders lösen? Soll die Stadt selber bauen?

Die Stadt hat den Zugang zu preiswerten beziehungsweise kostenlosen Grundstücken. Früher hat man die Grundstücke über den Liegenschaftsfonds verkauft, damit hat die Stadt Einnahmen gehabt. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Heute werden die Grundstücke kostenlos an die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften abgegeben, das heißt die städtischen Wohnungsbaugesellschaften können preiswerten Wohnraum schaffen. Man muss als Stadt aber auch den Mut haben, neuen Wohnraum zu schaffen, anstatt vor jedem Anwohnerprotest zurückzuschrecken. Private Bauherrn könnten durch die oben beschriebenen Anreize wie den Verzicht auf die Mehrwertsteuer oder erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten animiert werden, nachhaltig preiswerten Wohnungen zu schaffen.

Wie müsste ein Pakt zwischen Land und Investoren aussehen, damit es in Berlin mit dem Bauen wirklich losgeht?

Die Basis eines solchen Paktes muss Verlässlichkeit sein. Früher sollten es 25 Prozent der Wohnungen sein, die für sozial verträgliche Mieten hergestellt werden, heute sind es 30 Prozent der Wohnfläche. Diese neue Vorgabe des Senats wurde nicht mit den privaten Partnern im Vorfeld abgestimmt, sie wurde einfach überraschend festgesetzt. Jeder Pakt zwischen Land und Investoren muss auf Basis verlässlicher Prämissen erfolgen. Zudem muss der Senat wieder Wohnungsbauprojekte an sich ziehen, um Hemmnisse aus dem Weg zu räumen.

Wird so gehandelt?

Nein. Die grundsätzliche Kritik der Basis, das heißt der ortsansässigen Bevölkerung ist folgende: Zwar werden 30 Prozent der Wohnungen preiswert gebaut, aber 70 Prozent tragen zur Gentrifizierung bei. Der Verkehr nimmt zu und der Kampf um Kitaplätze wird heftiger. Genau das wollen wir aber nicht und deswegen wollen wir keine neuen Wohnungen in unserem direkten Wohnumfeld. Die so argumentieren, haben ja schon alle eine Wohnung. Nur diese Haltung hilft den 40 000 oder 50 000 Menschen nicht, die jedes Jahr neu nach Berlin kommen und hier eine Wohnung suchen.

Das Interview führte Reinhart Bünger.

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