Immobilienmarkt: Kein Ende des Booms – dank Flüchtlingen
Trotz Überbewertung von Immobilien ist mit weiter steigenden Preisen in Städten zu rechnen. Niedrigen Zinsen und die Landflucht befeuern den Hype. Steuergeschenke für Neubauten stehen trotzdem in der Kritik.
Deutlicher hätte die Warnung der Immobilienweisen vor der „Hysterie“ am Wohnungsmarkt nicht ausfallen können – und trotzdem lautet ihr Fazit im Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung: „Die Preise für Wohnungseigentum werden noch mal steigen“.
Ein Widerspruch ist das nicht. Die niedrigen Zinsen befeuern den Immobilienhype: Weil es nicht mehr attraktiv ist, Geld anzulegen, flüchten viele in Sachwerte. Das billige Geld macht außerdem den Hauskauf auf Pump erschwinglich für viele. Weil alle kaufen wollen, sind Immobilien in Großstädten, gemessen an den langsamer steigenden Mieten, „überbewertet“, meint auch die Bundesbank – aber der Boom hält an.
Jedenfalls in den Städten und Ballungsgebieten, in die es immer mehr Menschen zieht, vom Lande und aus dem Ausland. Die Bundesbanker nennen in ihrem aktuellen Bericht die Flüchtlinge als einen Grund für die anhaltende Nachfrage am Wohnungsmarkt. Die Wirtschaftsweisen schreiben gar, dass der Anstieg der Mieten ohne den Zuzug aus den Kriegsgebieten im vergangenen Jahr gestoppt wäre.
Und sie warnen: Es komme zu „Rück- und Weiterwanderungen“ von vielen der 1,2 Millionen Menschen, die aus Krisengebieten nach Deutschland kommen. „Das ist nicht die Zahl der dauerhaft in Deutschland bleibenden Menschen“. Ist der Wohnungsmangel herbeigeredet?
In Städten werden fast nur hochpreisige Eigentumswohnungen errichtet
Gemessen an der absoluten Zahl fertiggestellter Wohnungen vielleicht: Ein Plus von mehr als acht Prozent im vergangenen Jahr reicht laut Lars Feld, Gutachter des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIS), um „die zusätzliche Nachfrage zu decken“. Und wer ungläubig nachfragt, erhält zur Antwort, dass auch der Leerstand von Wohnungen bundesweit kaum noch zurückgegangen sei und drei Prozent betrage – wenn Wohnungen fehlten, würden keine leer stehen.
„Ohne Flüchtlinge wäre der Zyklus beendet“, so die Bilanz des Forschers. Nur: Die Republik ist gespalten, in ländliche Regionen mit vielen leerstehenden Wohnungen und Städte mit Wohnungsnot. Und dort werden fast ausschließlich „hochpreisige Eigentumswohnungen“ errichtet, sagte der Staatssekretär im Bundesbauministerium Florian Pronold, der das Gutachten im Namen der Bundesregierung entgegennahm und mahnte: Im „weniger attraktiven Mietwohnungsbau hat sich wenig getan“.
Deshalb sieht Pronold einen „enormen Handlungsbedarf insbesondere in Städten“, darunter natürlich auch Berlin. Und weil der Markt es nicht richtet, will der Bund mit Steuergeschenken nachhelfen. Diese werden aber „nicht wie in der Vergangenheit mit der Gießkanne über die Landen ausgeschüttet, wodurch später Zahnärzte im Westen durch Wohnungen im Osten ruiniert“ werden. Um das zu vermeiden, sollen nur Baukosten in Höhe von 2000 Euro je Quadratmeter innerhalb der ersten drei Jahre mit jährlich bis zu neun Prozent vorzeitig von der Steuerlast abgezogen werden können.
Subventionen fließen nicht nur in preiswerte Immobilien
ZIA-Präsident Andreas Mattner begrüßte die Förderung und lobte die Absicht des Bundes, auch Neubauten anteilig zu subventionieren, die bis zu 3000 Euro je Quadratmeter kosten. „Unter 3000 wird es in Köln oder München schon schwierig, zu bauen.“
Die Spitze richtete sich gegen Widerstände aus anderen Bundesländern gegen diese Pläne. Vor allem Berlin übte scharfe Kritik an der hohen Kappungsgrenze, weil diese dazu führe, dass Subventionen auch in den freien Wohnungsbau fließen und nicht nur in preiswerte Immobilien.
Für Pronold ist dieser Streit „nicht mehr nachvollziehbar“. Allerdings sorgt dieser Punkt auch für Gräben innerhalb des Bundestages. Lisa Paus, Wohnungspolitikerin der Grünen, etwa kritisiert, dass Bauherren, um die Subventionen zu kassieren, die Wohnungen weder günstig vermieten noch an Haushalte mit geringen Einkünften vergeben müssen. Daher sei unklar, wie günstiger Wohnraum durch die Förderung entstehen soll.
Vielleicht zielt die Subvention auch nur darauf, die Schlagzahl beim schon in Schwung gekommenen Wohnungsbau noch zu erhöhen und die Baukosten zu dämpfen: Die schärferen Normen beim Wärmeschutz (Enev2016) haben die Baupreise um acht Prozent erhöht, sagte Mattner. Die hohe Grundsteuer in Ländern wie Berlin und die Mietpreisbremse hemmten außerdem die Lust am Neubau.