zum Hauptinhalt
In Reichweite. Brandenburg an der Havel ist vom Berliner Hauptbahnhof in rund 45 Minuten zu erreichen.
© imageBROKER/W. Korall

Immobilien: Wohnungsnot in Berlin? Auf nach Brandenburg!

In Metropolregionen wie Berlin wird der Wohnraum knapp. Städte im Umland profitieren. "Die Leerstände im Land schmelzen wie Butter in der Sonne", sagt ein Experte.

In Berlin arbeiten, außerhalb der Stadt wohnen: Pendeln könnte angesichts der Wohnungsnot in der Hauptstadt und in anderen Ballungsräumen in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. „Die Leerstände im Land schmelzen wie Butter in der Sonne“, sagte der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, dem Tagesspiegel. „Selbst in Regionen, wo sie bisher gestiegen sind, gibt es nun eine temporäre Stagnation.“

Derzeit gibt es laut GdW rund 40,5 Millionen Mietwohnungen in Deutschland – etwa 600.000 davon werden nach Schätzungen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht genutzt. Der Direktor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Harald Herrmann, hatte die Aktivierung von leerstehenden Immobilien vor Kurzem als mögliche Alternative zum Wohnungsneubau ins Spiel gebracht. Laut Herrmann stehen derzeit vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zahlreiche Wohnungen leer.

Nur zwei Prozent Leerstand in Berlin

Laut Axel Gedaschko befinden sich die meisten leerstehenden Gebäude in ländlichen Gegenden und weniger in Ballungsräumen – dort aber ist die Wohnungsnot am größten. In Berlin beispielsweise stehen derzeit laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt nur noch rund zwei Prozent der vorhandenen Wohnungen leer. Die Verwaltung beruft sich dabei auf Daten des Verbandes Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) zum Stichtag 31. Dezember 2014. Aktuellere Daten liegen nicht vor. In seinem „Marktmonitor“ listet der Verband einmal pro Jahr die Bestände seiner Mitgliedsunternehmen auf. Sie umfassen aber nur etwa 40 Prozent des gesamten Berliner Wohnungsbestandes.

Doch nicht nur in der Hauptstadt wird es immer schwieriger, eine adäquate Bleibe zu finden. Bei der Vorstellung seiner aktuellen Leerstandsdaten im Dezember hatte der BBU noch auf das große Wohnungspotenzial in den Städten im benachbarten Brandenburg und die Möglichkeit des Pendelns hingewiesen. In einer Metropole zu arbeiten und andernorts zu wohnen, sei in einigen Ballungsgebieten des Landes bereits gang und gebe, sagte BBU-Sprecher David Eberhart dem Tagesspiegel. „Auch in Berlin könnte das ein Ventil sein, um den Berliner Wohnungsmarkt etwas zu entlasten.“

Pendler können bei der Miete kräftig sparen

Nach den Zahlen des BBU standen Ende 2014 mehr als 10.000 Wohnungen in Städten wie Frankfurt an der Oder, Wittenberge, Eisenhüttenstadt oder Eberswalde leer. Sie alle seien von Berlin aus mit dem öffentlichen Nahverkehr in weniger als 60 Minuten zu erreichen und kämen daher auch als potenzieller Wohnort für Berlin-Pendler infrage. Derzeit liegt der Anteil der Berufstätigen, die jeden Tag zur Arbeit in die Hauptstadt fahren, bei rund 20 Prozent. Das ist im bundesweiten Vergleich eine kleine Zahl: In München etwa pendeln rund 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung von außerhalb in die Stadt.

Wer in Brandenburg an der Havel in den Regionalexpress steigt, kann 46 Minuten später am Berliner Hauptbahnhof sein. In der mittelalterlich geprägten Stadt rund 70 Kilometer westlich von Berlin hatten Wohnungssuchende im Vergleich von 19 brandenburgischen Städten mittlerer Größe zuletzt laut BBU- Marktmonitor die besten Karten: Insgesamt 2300 Wohnungen standen dort Ende 2014 leer. Wer sich dort zu diesem Zeitpunkt in einer 60-Quadratmeter- Wohnung einmietete, musste dafür im Durchschnitt eine Nettokaltmiete pro Quadratmeter von 4,94 Euro bezahlen – und damit insgesamt knapp 1000 Euro pro Jahr weniger als in einem vergleichbaren Berliner Zuhause. In Frankfurt an der Oder, das vom Berliner Bahnhof Ostkreuz in 54 Minuten zu erreichen ist, könnten Pendler laut BBU sogar rund 1160 Euro pro Jahr sparen.

Je besser die Hauptstadt-Anbindung, desto höher die Nachfrage

Auch im beschaulichen Strausberg nordöstlich von Berlin waren 2014 noch ein paar hundert Mietwohnungen zu haben. Allerdings habe sich der Leerstand seitdem sukzessive verringert, heißt es bei der Strausberger Wohnungsbaugesellschaft (SWG). Während vor einigen Jahren vor allem Tagesausflügler und Badegäste aus der Hauptstadt die 26.000-Einwohner-Gemeinde am Straussee besuchten, haben mittlerweile auch zahlreiche frühere Berliner ihren Wohnsitz nach Strausberg verlegt. Rund 80 Prozent der Neumieter stammten nicht aus dem SWG-Bestand und kämen aus Berlin und den umliegenden Regionen, heißt es bei der Wohnungsbaugesellschaft. Besonders seit die S-Bahn den Pendelverkehr ausgeweitet hat und nun alle 20 Minuten eine Verbindung in die Hauptstadt anbietet, sei die Nachfrage gestiegen.

Axel Gedaschko vom GdW geht davon aus, dass die wohnungsmarktbedingte Flexibilität in der Hauptstadtregion weiter wachsen wird. „Das ist keine Frage von Preisen, sondern schlicht von Kapazitäten“, sagt der GdW-Präsident. Um den wachsenden Andrang in den Metropolen zu bewältigen, müssten die Stadtplaner viel mehr als bisher über die Einbindung des Umlandes nachdenken, in Nahverkehrssysteme und digitale Infrastruktur investieren, fordert Gedaschko. Vor allem aber müsse die Politik ihren Bürgern vermitteln: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass jeder dort wohnen kann, wo er wohnen will.“

Zur Startseite