Ehemaliger Güterbahnhof: Kein Bebauungsplan für das Pankower Tor
Der Bezirk will ein neues Leitbild für die Baufläche entwickeln. Investor Kurt Krieger stellt Zahlungen an Projektsteuerer ein.
Wenige Wochen vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus war angeblich schon alles in trockenen Tüchern: „Das Pankower Tor steht nicht auf dem Wartegleis“ übertitelte der damalige Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Andreas Geisel, eine entsprechende Pressemitteilung seiner Behörde und wies damit am 5. September 2016 Tagesspiegel-Berichte zurück, nach denen es bei den Verhandlungen zum städtebaulichen Rahmenvertrag für den ehemaligen Rangierbahnhof Pankow zu Verzögerungen komme. Eine Falschmeldung aus dem Büro des Stadtentwicklungssenators, wie sich schnell herausstellte. Der Rahmenvertrag – damals angeblich unterschriftsreif – ist bis heute nicht unterzeichnet. Es kommt noch schlimmer: Zur Ausgestaltung des zirka vierzig Hektar großen Areals nördlich der Pankower Granitzstraße werden die Karten hinter den Kulissen komplett neu gemischt, die (Vor-)Arbeiten an einem Bebauungsplan sind in weite Ferne gerückt. Wieder einmal und zulasten der künftigen Bewohner der Wohnungen, die hier entstehen könnten.
Der Bezirk hat sich nun die Entwicklung eines neuen Leitbildes für das zwischen den S-Bahnhöfen Pankow und Pankow-Heinersdorf gelegene Gebiet vorgenommen. „Bei dem Leitbild geht es auch darum, ob dies ein ökologisch-soziales Modellquartier werden könnte, was mir als Grünem natürlich sehr am Herzen liegt“, sagt Pankow Baustadtrat Vollrad Kuhn: „Dazu könnte auch ein autoarmes bis autofreies Wohnen gehören."
Investor und Kaufhaus-Unternehmer Kurt Krieger (Möbel Höffner, Möbel Kraft, Sconto) stellte nach Informationen des Tagesspiegels im Herbst 2017 seine Zahlungen über die Krieger Grundstück GmbH (KGG) an die mit der Projektsteuerung beauftragte Höcker Project Managers GmbH ein. Deren Kosten hat nun der Bezirk übernommen. Wesentliche Planungsgrundlagen zur Fortführung des Projektes fehlen weiterhin. Die Entwicklung des Leitbildes will der Bezirk mit eigenem Geld betreiben, auf der Basis der Grundzüge des im Konsens mit Krieger verabredeten Konzepts zur Flächenaufteilung.
Krieger spielt auf Zeit
Als Faustpfand leidet einmal mehr das denkmalgeschützte Lokschuppenensemble des ehemaligen Betriebswerks Pankow. Hier ist man von der Umsetzung dringend notwendiger Sicherungsmaßnahmen so weit entfernt wie der Kilimandscharo von der nächsten S-Bahn-Station – trotz redlicher Bemühungen der bezirklichen Denkmalschützer. Nach einer Pleite vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin (Beschwerde mit Beschluss vom 5.12.2017) hat der Bezirk jetzt zunächst einmal eine Kostenschätzung für die Notsicherung in Auftrag gegeben. „Denn Notsicherungsmaßnahmen wie zum Beispiel eine Überdachungskonstruktion für den Rundlokschuppen und das provisorische Eindecken der Dächer des Ringlokschuppens und des Verwaltungsgebäudes sind sehr kostenintensiv“, heißt es aus dem Büro des zuständigen Bezirksstadtrats. Krieger spielt auf Zeit und lässt sein denkmalgeschütztes Eigentum weiter verfallen. „Das heißt, dass wir die erforderlichen Planungsleistungen selbst beauftragen und die verauslagten Kosten von Herrn Krieger zurückfordern werden“, beschreibt Kerstin Lindstädt, Leiterin der Pankower Unteren Denkmalschutzbehörde, die Gemengelage.
Neben dem denkmalgeschützten Ensemble spielen die Zahl der Wohnungen, die auf dem Krieger-Gelände errichtet werden könnten (bis zu 1500) und die Größe des Einkaufszentrums eine Rolle, das der Kaufhausunternehmer am S- und U-Bahnhof Pankow bauen lassen möchte. Im Sommer des vergangenen Jahres legte Kriegers Konkurrent in Pankow – die Deutsche Immobilien Gruppe DI der Unternehmerfamilie Jagdfeld (Düren) – ein Gegengutachten zu diesen Planungen vor: Das Pankower Tor entspreche in seiner Dimensionierung und Ausgestaltung amerikanischer Mall-Typologie der 1960er Jahre, schreibt Wolfgang Christ, der an der Bauhaus-Universität Weimar Entwerfen, Städtebau und Europäische Urbanistik lehrte. Monofunktionale Großflächen seien heute nicht mehr zeitgemäß. Ebenfalls städtebaulich überholt seien die geplanten Möbelhäuser Kriegers, die „die Grüne-Wiese-Typologie in Reinkultur an den Endpunkt der A114 implantieren“, so der Gutachter. Eine Argumentation, der der Bezirk offenbar folgt.
Im Bezirk setzt ein Umdenken ein
Die DI-Gruppe hatte das „Rathaus Center Pankow“ 1999 entwickelt und gebaut und managt es seither für einen institutionellen Investor, dem mit dem Pankower Tor ein großer Konkurrent erwächst. Wie groß er wird, das ist die Frage.
Krieger, der sich auf Anfrage nicht äußern wollte, hält an der Vorstellung eines einzigen Einkaufszentrums an dieser Stelle fest, gerne mit 30000 Quadratmeter Verkaufsfläche. „Bis jetzt will der Investor keine Auflockerung der Baukörper, sondern eine in sich geschlossene Mall“, sagt Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). Auch darüber hat im Bezirk ein heftiges (Um-)Denken eingesetzt. Selbst wenn man sich inzwischen 27000 Quadratmeter Großfläche vorstellen kann (Berlin Bausenatorin Katrin Lompscher wünscht sich nach wie vor niedrigere Zahlen), kündigt Kuhn jetzt eine neue Planungslage an: „Uns schwebt so etwas wie ein städtebaulich anspruchsvolles Gebäude bzw. Gebäudeensemble vor, gegebenenfalls gekoppelt mit einem Bildungsrathaus. So könnten zum Beispiel Einzelhandel, Events und zum Beispiel auch bezirkliche Belange wie zum Beispiel eine Volkshochschuleinrichtung, da wo es sinnvoll und machbar ist, miteinander verknüpft werden.“ Zunächst soll aber eine so genannte Tragfähigkeitsuntersuchung gemacht werden, auch um der DI-Gruppe keinen Anlass für Klagen zu geben. In diesem Gutachten geht es um die örtlichen Wettbewerbsstrukturen und Einzugsgebiete, auch darum „welche Sortimente vorgesehen sind“ (Kuhn).
Krieger stellt derweil einen Abrissantrag nach dem anderen. In den Ordnern aus dem Oktober und Dezember 2017 fehlen allerdings noch Unterlagen. „Da sind Nachforderungen von unserer Seite gestellt“, sagt Pankows Baustadtrat. Es wird also alles noch dauern. Und so ist es durchaus möglich, dass sich das marode Dach des Rundlokschuppens von allen Beteiligten zuerst bewegt.