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Fast kleinstädtisch ist die Atmosphäre in vielen Quartieren von Karlshorst.
© Kitty Kleist-Heinrich

Noch nicht so teuer und gut angebunden: Karlshorst erwacht aus dem Dornröschenschlaf

Ruhig und relativ bezahlbar: Karlshorst ist ein idealer Standort für junge Familien.

Einst galt es als „Dahlem des Ostens“. Heute wird Karlshorst als schöne Wohngegend wiederentdeckt. Eine ganze Reihe Neubauprojekte sind auf dem Weg.

So soll die Brache an der Ecke Odinstraße und Rienzistraße bald belebt werden. Die Streletzki Gruppe will auf dem dreieckigen Grundstück 165 Eigentumswohnungen in erster Linie für Familien bauen. Geplant sind vor allem sogenannte Durchsteckerwohnungen mit Licht von beiden Seiten, in denen die meisten Einheiten sogar ein Badezimmer mit Fenster haben werden – heute keine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus achten die Architekten auf eine hohe Flächeneffizienz. So reichen 109 Quadratmeter für eine 4-Zimmer Wohnung, inklusive Hauswirtschaftsraum, Gäste-WC und Balkon.

„Im Schnitt werden die Wohnungen etwa 100 Quadratmeter groß sein und entweder über einen Balkon oder eine Terrasse verfügen“, sagt Julian Streletzki, Geschäftsführer des Familienunternehmens. „Der begrünte Innenhof ist als Ort der Begegnung gedacht.“

Bei einem geplanten Einstandspreis von 3000 Euro pro Quadratmeter liegt das Projekt zwar über dem derzeitigen Mittelwert von 2250 Euro in Karlshorst, bietet dafür aber auch etwas mehr Komfort als die Durchschnittswohnung, eine Tiefgarage und einen hohen energetischen Standard. „Wir wollen die Fassade klinkern und nicht einfach verputzen“, erklärt Streletzki. Damit sei sie langlebiger und ästhetischer.

Das sollte den künftigen Eigentümern und Bewohnern entgegenkommen. Ebenso wie die geplante modulare Bauweise. „Das sichert einerseits eine durchgehend hohe bauliche Qualität, andererseits lassen sich so die Kosten im Zaum halten“, sagt Streletzki. „Denn wir bauen für ganz normale Familien, die sich hier den Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen.“

Dass die Zielgruppe passt, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre. Denn Karlshorst wächst jährlich nicht nur um rund 500 neue Nachbarn, sondern verändert sich demografisch. Der einst etwas verschlafene Stadtteil am südlichen Ende von Lichtenberg ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht und zieht heute vor allem junge Familien an.

"Besser als Prenzlauer Berg"

Die zahlreichen Freizeitmöglichkeiten, die Nähe zur Wuhlheide und die gute Nahverkehrsanbindung machen Karlshorst zur attraktiven Alternative zu innerstädtischen Quartieren. Aber auch und vor allem die Chance, ein Haus oder eine Wohnung sein Eigen nennen zu können oder für unter neun Euro pro Quadratmeter nettokalt zu mieten, zieht immer mehr Familien und sogenannte Millennials (die bis zur Jahrtausendwende Geborenen) an.

„Der typische Karlshorster ist heute verheiratet, berufstätig, hat zwei Kinder und einen Hund“, sagt Andreas Köhler, Vorsitzender des Bürgervereins Karlshorst. Klingt fast nach Prenzlauer Berg, ist es aber nicht. „Es ist besser, weil man sich hier ein Einfamilienhaus leisten kann und gleichzeitig die Nähe zur Stadt hat“, so Köhler.

Blick über den Gartenzaun: Wie idyllisch Karlshorst ist, entdecken immer mehr Familien.
Blick über den Gartenzaun: Wie idyllisch Karlshorst ist, entdecken immer mehr Familien.
© Kitty Kleist-Heinrich

Dabei sei jeder Kiez anders, sowohl baulich als auch vom Menschenschlag. „Im Prinzenviertel gibt es viele Alteingesessene. Das Lebensgefühl in der Gartenstadt ist dagegen ganz anders. Carlsgarten ist wieder anders, ebenso die Treskow-Höfe.“ Aber die Integration gelingt, auch die Nahversorgung sei ok. Eine qualitative Aufwertung könne allerdings nicht schaden. „Ich glaube, wir brauchen auch mehr Damenschuhgeschäfte“, sagt Köhler und deutet darauf hin, dass Karlshorst ein neues Einzelhandelskonzept benötigt. Denn was 2011 einmal festgeschrieben wurde, ist überholt. Ein neues Konzept ist in Arbeit - mit Bürgerbeteiligung.

Überhaupt sind die Bürger in Karlshorst sehr engagiert. Ein Beweis dafür ist der Bürgerverein selbst, der für seine vielen Aktivitäten wie die Kiezspaziergänge und den Frühjahrsputz bekannt ist, aber ebenso als Vermittler zwischen Interessengruppen.

Bitte nicht zu modern

So auch im Fall des Neubauvorhabens „Villen im Prinzenviertel“. Die Helma Wohnungsbau baut auf einem Grundstück in der Lehndorffstraße an der Ecke zur Ehrlichstraße fünf Stadtvillen mit 32 Eigentumswohnungen, inklusive Tiefgarage und einer Gewerbeeinheit. Sie sind gedacht als Hommage an den Architekturstil der klassischen Vorstadtvilla und bieten nach Angaben des Bauträgers Wohnungen für „Singles, Familien als auch ausgewiesene Individualisten“. Geplant sind jeweils 2- bis 5-Zimmer auf 62 bis 177 Quadratmetern mit Balkon, Loggia oder Terrasse mit Gartenanteil. Im Innenbereich soll eine Grünfläche mit Spielplatz entstehen.

Im Grunde sind sie eine gute Ergänzung zu den sogenannten Carlshorster Häusern im Prinzenviertel, die ab 1894 an der Lehndorffstraße entstanden sind, wäre da nicht die geplante Fassade, an der sich viele Anwohner stoßen. Sie sei „zu modern“ und passe nicht ins Erscheinungsbild des Viertels. „Mit Hilfe des Bürgervereins haben wir einen Gesprächskreis organisiert“, berichtet Köhler. Jetzt sei ein neuer Entwurf in Arbeit, der besser passt.

Aber in Karlshorst entstehen derzeit nicht nur Eigentumswohnungen, sondern auch Einfamilienhäuser. Darunter vor allem in der Gartenstadt am Landschaftsschutzgebiet Biesenhorster Sand, wo sich seltene Heuschreckenarten tummeln. Für 440.000 Euro gibt es hier beispielsweise fünf Zimmer auf 161 Quadratmeter Wohnfläche plus Garage und Garten. Da überlegen selbst eingefleischte Prenz’l Berger, ob sich ein Umzug lohnt.

Tong-Jin Smith

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