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Hans-Jochen Vogel, ehemaliger Parteivorsitzender der SPD, Oberbürgermeister von München und Regierender Bürgermeister von Berlin (1981).
© dpa/Sven Hoppe

Gegen steigende Bodenpreise: Hans-Jochen Vogel fordert mehr Grundstücke in kommunaler Hand

Der Ex-SPD-Chef will der „ungebremsten Zockerei mit Grundstücken“ Grenzen aufzeigen. In einer Streitschrift erklärt er, wie Wohnen wieder bezahlbar werden kann.

In Hans-Jochen Vogel brodelt es. Wenn es um den Immobilien- und Grundstücksmarkt geht, wird der einstige SPD-Chef besonders leidenschaftlich. In den vergangenen zwei Jahren arbeitete sich Vogel noch einmal intensiv in Interviews und Heftbeiträgen an diesem Thema ab, das ihn seit bereits fünfzig Jahren umtreibt. In dieser Woche erschien nun auch ein Buch aus seiner Feder dazu, das er als sein letztes bezeichnet.

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Vogel rechnet damit, dass sein „Büchlein gewisse Reaktionen gerade bei meiner Partei“ auslösen werde: „Ich werde meiner Partei auch nahelegen, dass sie meine Vorschläge im Programm für die nächste Bundestagswahl aufgreift“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Denn letztlich sei es eine fundamentale Ungerechtigkeit, dass immer mehr Wohnungen wegen der explosiven Entwicklung der Baulandpreise unbezahlbar würden.

Unter dem Titel „Mehr Gerechtigkeit“ – mit dickem Ausrufezeichen versehen – nimmt er vor allem den außer Kontrolle geratenen Immobilien- und Grundstücksmarkt in den Blick, den die Politik seit Jahrzehnten sträflich vernachlässigt habe.

Vogel weiß sehr genau, wovon er schreibt und spricht: Von 1960 bis 1972 hatte er als Münchner Oberbürgermeister viel mit Stadtplanung und kommunalem Boden zu tun, von 1972 bis 1974 bearbeitete er das Gebiet des Bodenrechts als Bundesbauminister.

Nicht die Baukosten, sondern die Baulandkosten treiben die Mieten

Vogel – und nicht nur ihn – beunruhigt, dass der Grundstücksanteil an den Kosten der Errichtungen von Wohnungsbauten ständig steigt: Nicht die Baukosten, sondern in erster Linie die Baulandkosten treiben die Mieten in die Höhe. Bereits in den siebziger Jahren hatte Vogel diverse Maßnahmen vorgeschlagen, um die Kostensteigerungen zu begrenzen: durch die Beschleunigung von Enteignungsverfahren, die Einführung eines Baugebots sowie Planungswertausgleichs und eine Bodengewinnabgabe. Es kam dann auch zu einem neuen Bundesgesetz, das 1976 verabschiedet wurde.

Dies alles änderte indes nichts daran, dass die Baulandpreise, wie Vogel schreibt, auf der Bundesebene seit 1960 bis 2017 um 2900 Prozent und in München um noch sagenhaftere 39.000 Prozent stiegen. Eine erschreckende Bilanz staatlicher Ordnungspolitik, deren aktuelle Instrumente wie Mietpreisbremse und Mietendeckel allein den Mangel an bezahlbarem Wohnraum verwalten.

Offenbar muss nun ein zwar greiser, aber hellwacher 93-Jähriger das Feld der Bodenpolitik von hinten aufrollen. Er plädiert dafür, das kommunale Eigentum an Grund und Boden für den Bereich des Wohnungsbaus kontinuierlich auszuweiten. Es müsste außerdem vorgeschrieben werden, dass die Kommunen solche Grundstücke nicht mehr veräußern, sondern gegebenenfalls nur im Erbbaurecht mit entsprechenden Bedingungen und Regelungen weitergeben dürfen. Dies würde – wie in Wien – Mieten ermöglichen, die sich nicht am Gewinn, sondern der Sicherstellung bezahlbaren Wohnens orientieren.

Berlin müsste also – nach Vogel – große Flächen ankaufen und sie dem Mietwohnungsbau zur Verfügung stellen, anstelle Steuergelder in Ankäufe im Zuge des Vorkaufsrechts zu pumpen.

Leistungslose Gewinne, wie sie durch Spekulation entstehen, möchte Vogel verhindern, indem ein „Planungswertausgleich“ eingeführt wird. Darunter versteht er, dass öffentliche Leistungen, die zu Baurecht und Wertsteigerungen führen, zu bezahlen und diese Mittel für die Allgemeinheit einzusetzen sind. Der „ungebremsten Zockerei mit Grundstücken“ sollen so Grenzen aufgezeigt werden.

Vor diesem Hintergrund macht sich Vogel für eine Bodenwertsteuer (Grundsteuer C) stark, die sich nur auf den Bodenwert bezieht. „Denn sie bewirkt eine stärkere Mobilisierung unbebauter, aber bebaubarer Grundstücke.“ Andererseits biete sie in weniger hochverdichteten und weniger hochpreisigen Regionen nur noch moderate Anreize zu einer noch stärkeren Verdichtung im Bestand. Bleibt allerdings die Frage, wie Kommunen beizukommen ist, die ihre eigenen Flächen nicht bebauen (lassen).

Die Grunderwerbsteuer sollte nur bei 3,5 Prozent liegen

Der SPD-Politiker verkennt indes nicht, dass es die Kommunen oft selbst sind, die Bauland teuer machen: Die Grunderwerbsteuer ist so ein Kostentreiber – in Berlin sind es aktuell sechs Prozent, im wachsenden Speckgürtel der Hauptstadt, in Brandenburg, sind es sogar 6,5 Prozent. Das ist Spitze, sollte aber so nicht sein: Die Steuersätze sollten auf 3,5 Prozent begrenzt werden, fordert Vogel, damit die Mieten nicht noch weiter steigen. Vogel greift der aktuellen Wirklichkeit weit voraus: Von einem zahlenmäßig nennenswerten Mietwohnungsbau im Umland von Berlin kann bisher nicht die Rede sein. Auch hier werden derartige Vorhaben inzwischen viel zu unrentabel.

— Hans-Jochen Vogel: Mehr Gerechtigkeit! Wir brauchen eine neue Bodenordnung – nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar. Herder Verlag, Freiburg 2019, 80 Seiten, 12 Euro (kartonierte Ausgabe).

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