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Die Expo Real war auch dieses Jahr ein wichtiger Treffpunkt der Branche.
© promo

Wohnungsbau: Gutes Konzept statt großes Geld

Bei der Messe Expo Real werden Vorschläge gegen die Wohnungsnot diskutiert.

Ob München, Hamburg oder Berlin – überall ist die Entwicklung ähnlich: Deutschland braucht mehr Wohnraum. Was tun?, fragte man sich deshalb auf der Immobilienmesse „Expo Real“ in München. „Bauland bereitstellen – aber wie?“ lautete eine Diskussionsveranstaltung mit Fachleuten aus Politik und Praktikern aus den Kommunen. Eingeladen hatte das vom Bundesbauministerium ins Leben gerufene „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“.

Eine „Gartenstadt“ oder einen „dörflichen Charakter“ wird man in Ballungszentren nicht ohne Abstriche erhalten können. In dieser Tendenz waren sich die diskutierenden Experten einig. „Die Städte werden viel mehr in die Höhe wachsen als in die Breite“, meint Florian Pronold (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium.

Für ihn ist die sogenannte Nachverdichtung momentan ganz wichtig. Das kann durch das Bebauen noch freier Grundstücke oder das Aufstocken bestehender Häuser geschehen. Pronold nimmt auch Brachflächen ins Visier, die sich „aktivieren und begrünen“ ließen.

Wegen Reichtums geschlossen

Dass Baugrund aber in Wirklichkeit immer wieder ungenutzt bleibt, hat nach Ansicht Pronolds eine klare Ursache: „Wegen Reichtums geschlossen.“ Die Besitzer wollten die unbebauten Flächen behalten – weil es für Geld auf dem Kapitalmarkt nahezu keine Rendite mehr gibt, weil sie auf noch höhere Preise spekulieren, weil sie kein Haus direkt neben dem eigenen möchten. Es ist schwer, die Lücken zu schließen. Auch Landwirte, so Pronolds Beobachtung, würden nur äußerst zögerlich Flächen verkaufen.

Das ließe sich womöglich durch eine andere Besteuerung ändern. Ideen dafür gibt es schon seit geraumer Zeit. Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag regt an, einen „Hebefaktor für unbebaute Grundstücke“ einzusetzen.

Dahinter verbirgt sich die Idee einer sogenannten „Grundsteuer C“. Dies wäre eine spezielle Steuer für nicht bebaute Grundstücke. Deren Ziel ist es, so schreibt die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Studie, „nicht bauwilligen Bodeneigentümern durch eine zeitlich progressiv steigende Grundsteuer einen monetären Anreiz zur Bebauung oder Veräußerung zu geben“. Wer also sein Grundstück unbebaut lässt, müsste Jahr für Jahr mehr Steuern dafür bezahlen.

"Es wurde alles vertickt"

Bei einer solchen Gesetzesreform gibt aber Staatssekretär Pronold den Bedenkenträger. „Wir warten seit dem Jahr 2002 auf eine Grundsteuerreform“, sagt er und meint, obwohl der Bundesrat sich bereits mit einem neuen Versuch befasst: „Ich bin mir nicht so sicher, ob die kommt.“

Im Verlauf der Diskussion ist zumindest klar: Den Königsweg, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, gibt es nicht. Dabei wird die Lage immer dramatischer: Laut dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) müssten jedes Jahr deutschlandweit bis zu 380 000 Wohnungen gebaut werden. Tatsächlich entsteht aber – wie etwa in München – nicht einmal die Hälfte des Bedarfs.

Die Städte haben oftmals gar nicht mehr die Möglichkeiten, aus eigener Kraft zu handeln. „Wir sind alle Erben einer neoliberalen Grundstückspolitik“, klagt Hilmar von Lojewski. „Es wurde alles vertickt.“ Jetzt dringend benötigte Flächen für kommunalen Wohnungsbau sind verkauft worden.

Das beste Konzept soll ausschlaggebend sein

Wenn Städte allerdings Flächen zur Verfügung haben oder bekommen, dann verkaufen sie diese immer wieder an den Interessenten, der am meisten bezahlt – was dann aber nach hinten losgehen kann. Sie befolgen damit das „Höchstpreisprinzip“.

Stattdessen könnten sie den Zuschlag aber auch an das ihnen am besten erscheinende Konzept erteilen. Darauf verweist Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (IFW). In Berlin wurde das Konzeptverfahren bei der Ausschreibung für das Kunst- und Kreativquartier gegenüber dem Jüdischen Museum angewandt.

Gewinner waren die Baugruppe für das Kulturgewerbehaus Frizz23, die Metropolenhaus GmbH und das Integrative Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt.

Dass es auch in anderen Städten gut laufen kann, zeigen einige der präsentierten Vorzeigebeispiele. Da ist etwa das Clouth-Gelände im Kölner Stadtteil Nippes. „Über 100 Jahre war das eine Gummifabrik", berichtet Andreas Röhrig, Geschäftsführer der städtischen Entwicklungsgesellschaft „moderne stadt“.

Die Flächen wurden „recycelt“ und neu bebaut. Bis 2018 sollen 1000 neue Wohnungen geschaffen werden, zudem Gewerbe und auch preisgünstige Ateliers für Künstler. Ein Teil der Wohnungen wird an Menschen mit geringerem Einkommen vermietet, sie zahlen neun Euro für den Quadratmeter anstatt den Marktpreis von derzeit zwölf.

In Würzburg werden Wohnung in ehemaligen US-Kasernen gebaut

Oder Würzburg: Der unterfränkischen Stadt fielen die einst von der US-Armee genutzten „Leighton Barracks“ in die Hände. Für den Bau eines neuen Stadtviertels namens Hubland ist jetzt die in Stuttgart angesiedelte „Kommunalentwicklung“ (KE) zuständig, die zur öffentlichen Landesbank Baden-Württemberg gehört. „Auf 134 Hektar Fläche schaffen wir 1800 Wohnungen für 4500 Menschen“, schwärmt der KE-Geschäftsführer Martin Riedißer. 2025 soll Hubland fertiggestellt sein.

Und dann ist da noch das württembergische Ulm, wo bezüglich Wohnungen alles bestens läuft, glaubt man Frank Pinsler, dem Geschäftsführer der städtischen Ulmer Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft (UWS). Wegen des Grundbesitzes der dortigen Hospitalstiftung, die indirekt der Stadt gehört, hat Ulm eine Menge Flächen zur Verfügung. „Bei neuen Projekten gibt es bei uns kein Höchstpreisverfahren“, sagt Pinsler, „wir entscheiden immer nach den Konzepten.“

Pinsler vermittelt den Eindruck, dass die Donaustadt das Heft in der Hand hält. Werden Grundstücke verkauft, gibt es eine Bauverpflichtung. In Ulm ist die UWS mit 7000 von ihr bewirtschafteten Wohnungen der größte Immobilienbesitzer und -vermieter. Ein neues Großprojekt steht auch an: Die Stadt kaufte dem Bund die Hindenburgkaserne ab, aus der die Bundeswehr ausgezogen ist. Es soll nun Wohnraum für 2500 Menschen entstehen.

Insgesamt war die Stimmung bei der Expo Real, der europaweit größten Immobilienmesse, in diesem Jahr sehr gut. Das liegt daran, dass Geldanlagen am Kapitalmarkt kaum mehr etwas bringen, dafür wird viel in Immobilien investiert. Knapp 38 000 Besucher aus 74 Ländern besuchten die mehr als 1700 Aussteller. Vertreten sind alle Akteure, die in Deutschland und international bei Immobilien von Bedeutung sind. Vielfach wurden Neubauprojekte teils ganzer Stadtteile vorgestellt und angepriesen. Mit den britischen Messeausstellern wurde nahezu ausschließlich über die Folgen des Brexits diskutiert.

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