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Der Berliner Möbelhändler Kurt Krieger ist seit 2010 im Grundbuch als Eigentümer der Flächen eingetragen, die zum Entwicklungsgebiet „Pankower Tor“ gehören. Dazu zählt auch dieser denkmalgeschützte Rundlokschuppen am S-Bahnhof Heinersdorf. In die Grundsicherung und Erhaltung des Baus mit der markanten Silhouette wird seit 25 Jahren nicht mehr investiert.
©  Reinhart Bünger

Industrie-Ruine: Es läuft nicht rund

Berlin lässt zwei denkmalgeschützte Rundlokschuppen verfallen – andernorts werden solche Zeugnisse der Geschichte saniert.

Räder drehen sich hier schon lange nicht mehr. Gleise wurden entfernt. Das Dach entfernt sich langsam selbst. Bald ist Jubiläum. Nicht zehnjähriges wie am Flughafen BER. Nein. Es gibt wirklich und tatsächlich Orte, an denen noch länger nichts passiert. Kein einfaches Jubiläum steht an, sondern ein Doppeljubiläum. 25 Jahre verfallen und verrotten die letzten beiden Rundlokschuppen Deutschlands. Beide stehen in Berlin.

Während der Lokschuppen in Heinersdorf noch krampfhaft um sein Überleben kämpft, können wir in Rummelsburg bald Beerdigung feiern. Ist ja auch was. Hauptsache feiern. In Berlin kann man so prima feiern. Karneval der Kulturen, CSD, Lollapalooza. Feiern ohne Ende. Berlin, wie es singt und lacht. Dazu nehmen sich die Feiern in anderen Städten geradezu bescheiden aus. In Luxemburg steht ebenfalls ein Rundlokschuppen. Seit Jahren restauriert, finden dort Konzerte und Veranstaltungen statt.

Wie langweilig muss es für die altehrwürdigen Mauern sein, immer nur dem gleichen tosenden Beifall des Publikums zu lauschen und nicht den von Zeit zu Zeit durch das offene Dach prasselnde Regentropfen. Oder schauen wir nach London in das dortige Roundhouse. Bei Elvis Costello oder der „Royal Shakespeare Company“ geraten altes Eisen und junges Publikum gleichermaßen in Schwingung und Stimmung. Hier kommt echte Freude auf.

Im ehemaligen Insterburg weiß man seinen Rundlokschuppen zu schätzen

Ganz anders geht es dagegen im britischen Derby zu. Dort wurde der lange für Eisenbahnreparaturzwecke dienende Rundlokschuppen aus der Zeit der industriellen Revolution Teil des Universitätscampus. Lernen ist angesagt. Studieren ist angesagt. Kann man also doch etwas anfangen mit so einem alten, runden Gebäude? Man kann. Kaum zu glauben.

In Tschernjachowsk, dem ehemaligen Insterburg (Ostpreußen), am Ende der früheren deutschen Eisenbahn wird gebaut. Nicht wie in Luxemburg und Großbritannien hat der Staat investiert oder wenigstens geholfen, sondern ein Unternehmer hat die Initiative ergriffen. Er geht in Vorleistung. Herr Guschawin hat vor vier Jahren die Hinterlassenschaft aus deutscher Zeit erworben. Aus eigener Kraft, eigener Vision und mit fachkundiger Beratung setzt er Stück für Stück die schon fast eingefallene Ruine wieder in Stand und in Betrieb.

Die alte Kanalisation funktioniert wieder („wir“ konnten also schon mal nachhaltig bauen). Das Dach wird Quadratmeter für Quadratmeter geschlossen. Und was hierzulande schon kaum noch jemand weiß, die so leicht über allem schwebende Kuppel wurde von einem deutschen Ingenieur entwickelt. Johann Schwedler.

Kein Grund zum Feiern, eher zum Heulen

Johann wer? Der Konstrukteur zahlreicher Stahlbrücken, Kuppeln, unter anderem für die früher stadtbildprägenden Gasometer, ist hierzulande, in dieser Stadt nur Eingeweihten bekannt. Im ehemaligen Insterburg gilt sein Name noch heute als Markenzeichen. „Die Kuppel Schwedlers“ prangt über dem Eingangstor des Stück für Stück, Werkstatt für Werkstatt entstehenden Autoservicecenters der Stadt. Beneidenswert ein Land, das derartige Unternehmer hat. Glücklich Länder, die sich dem Erhalt ihres industriellen Gedächtnisses widmen.

Immerhin muss einer oft gescholtenen Institution Respekt gezollt werden. Es ist die Untere Denkmalpflege in Pankow. Jahrelang schon widersetzt sie sich mit don-quichotischer Unerschütterlichkeit dem Abriss und dem Niedergang des letzten Zeugnisses deutscher Lokschuppenkuppelbaukunst, bisher mit Erfolg.

Immerhin, ganz allein ist sie nicht. Auch die größte Ingenieurorganisation Berlins, die Baukammer, engagiert sich seit Jahren. Vielleicht gibt es ja auch in Pankow irgendwann eine Einweihungsfeier. Vielleicht noch vor der Einweihung des Flughafens. Zu schaffen wäre es. Von allen genannten Rundlokschuppen sieht der in Berlin, Schwedlers Heimatstadt, stehende am jammervollsten aus. Kein Grund zum Feiern, eher zum Heulen. Aber auch dafür gibt es ja in dieser Stadt genügend Anlässe.

Der Autor ist Bauingenieur mit der Spezialisierung Denkmalschutz und sitzt dem „Ausschuss Denkmalschutz und Denkmalpflege der Baukammer Berlin“ vor.

Wilfried Wolff

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