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Der Rundlokschuppen diente bis 1995 noch der Reparatur von Rollmaterial.
© Imago

Rundlokschuppen in Pankow: Der letzte seiner Bauart

Der ruinöse Rundlokschuppen in Berlin-Pankow ist ein einzigartiger Zeuge der Technikgeschichte.

Bei der British Rail ist man stolz auf die eigene Tradition und lässt historischen Bahnhöfen und Betriebsanlagen Schutz und Pflege angedeihen. Die Deutsche Bahn hingegen musste schon immer durch amtlichen Denkmalschutz und öffentliche Meinung gezwungen werden, etwas für die Erhaltung ihrer Kulturdenkmale zu tun. In England wäre es undenkbar, dass zwei großartige ehemalige Rundlokschuppen wie in Berlin seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben sind.

Dabei handelt es sich um respektable Bauten, die in saniertem Zustand Schmuckstücke wären und attraktive Anschauungsobjekte für eine Epoche der Verkehrs- und Technikgeschichte sein könnten, die viele Jugendliche nur noch von der Modellbahnanlage der Väter und Großväter kennen.

Die Rundlokschuppen sind kreisrunde Gebäude mit einer ornamentierten Backsteinaußenwand und einer filigranen Dachkonstruktion aus Stahlfachwerk. Im Außenring unter dem ringförmigen Pultdach lagen die radial angelegten Abstellgleise für die Lokomotiven. Über dem Zentrum erhebt sich ein kuppelförmiges Dach (Schwedlerkuppel), das mit einer Spannweite von 40 Metern die zentrale Drehscheibe überwölbte. Das ist das Besondere, denn bei den weit verbreiteten Ringlokschuppen war die Drehscheibe dem Wetter ausgesetzt. Auf dem Scheitelpunkt der Kuppel sitzt eine Laterne. Deren Fenster dienten zur Ableitung des Rauchs der Dampflokomotiven, die in der Halle gewartet und repariert wurden.

Drei leidlich unterhaltene Exemplare gibt es in Polen

Der für 24 Lokomotiven mit einer entsprechenden Zahl von Fahr- und Standgleisen ausgelegte Rundbau in Pankow ist 1893 entstanden und damit der letzte und auch größte seiner Bauart. Fast ungesichert ist er dem Vandalismus ausgesetzt. Die Dächer sind schadhaft, die Fenster eingeworfen, die Wände voller Graffiti. Ein weiterer Rundlokschuppen rottet in Rummelsburg ohne Dachdeckung vor sich hin und verfällt zusehends – möglicherweise im Interesse der Bahn, denn ein Abrissantrag ist gestellt. Der Bau in Pankow wurde nach Angaben der Deutschen Bahn AG 2013 an die Krieger Grundstück Gmbh verkauft.

Beide Bauten haben eine enorme bau- und technikgeschichtliche Bedeutung, denn es sind von ehemals etwa 25 im damaligen Deutschen Reich die letzten beiden Exemplare in Deutschland. Drei leidlich unterhaltene Exemplare gibt es im heutigen Polen, in Pila (Schneidemühl), Bydgoszcz (Bromberg) und Tczew (Dirschau), ein weiteres im Ostpreußischen Tschernjachowsk (Insterburg). Am besten erhalten und saniert ist ein ehemaliger Rundlokschuppen in Luxembourg. Er dient der Stadt als Veranstaltungshalle.

Für die Technikgeschichte sind die Kuppeln des Ingenieurs Johann Wilhelm Schwedler (1823-94) bedeutsam, weil sie erstmals räumliche Lastabtragung demonstrierten und für große Spannweiten extrem wenig Eisen benötigten. Nach diesem Prinzip konstruierte Schwedler 1863 auch die Kuppel der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße und 1875 die Kuppel des Gasometers in der Fichtestraße (Fichtebunker). Schwedler gilt als der bedeutendste Protagonist des konstruktiven Ingenieurbaus der deutschsprachigen Länder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Während in Pila vonseiten der Stadtverwaltung und in Insterburg durch Bürgerinitiativen Bestrebungen zur Erhaltung der eindrucksvollen Baudenkmale im Gang sind, ist für die beiden Berliner Exemplare eine Rettung gegenwärtig nicht in Sicht.

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