Nord-Süd-Grünzug: Ein grünes Band durch Berlin
Grüntangente statt Westtangente - das war in den 80er Jahren noch eine Utopie. Jetzt ist sie Wirklichkeit geworden: Das letzte Teilstück wurde Anfang des Jahres eröffnet, statt einer Autobahn durchzieht nun ein Grünzug Berlin.
Es war ein langer Kampf. Jetzt ist er gewonnen. Der Nord-Süd-Grünzug ist so gut wie fertig. Wie an einer Perlenkette verbinden Parks und Grünflächen halb Berlin vom Spreebogen bis zum Schöneberger Südgelände. Es ist ein großer Sieg über das Konzept einer autofreundlichen Stadt und ein Triumph der alternativen Szene West-Berlins – den sie ohne die Wiedervereinigung wohl nicht errungen hätte.
Rückblende: Anfang der 70er Jahre formiert sich der Widerstand gegen die sogenannte Westtangente, eine Autobahn mitten durch den Westteil der Stadt. Sie sollte von der Stadtautobahn Richtung Norden verlaufen, den Tiergarten unterqueren und im Wedding den Stadtring kreuzen – also ungefähr auf der gleichen Trasse verlaufen, wo sich heute der Grünzug befindet. Ein Stummel der geplanten Trasse wurde gebaut, er endet als A<ET>103 am Sachsendamm.
Das vorerst letzte Teilstück wurde Anfang des Jahres fertig
Gegen diese Pläne brachte die Bürgerinitiative Westtangente die Idee einer Grüntangente ins Spiel. Nicht nur dagegen sein, sondern Alternativen vorschlagen, das war der Plan.
Mit dem Nord-Süd-Grünzug ist er jetzt Wirklichkeit geworden. Das letzte Teilstück zwischen Monumentenbrücke und Alfred-Lion-Steg – der neuen Verbindung zwischen Schöneberger Insel und Tempelhof – wurde ohne großes Zeremoniell Anfang dieses Jahres freigegeben.
Beate Profé hat die Diskussionen um die Grüntangente seit den 80er Jahren verfolgt, als sie noch Studentin der Landschaftsplanung war. Heute leitet Profé die Abteilung Stadt- und Freiraumplanung beim Senat. Gerade erst hat sie die Strecke wieder vom Norden bis zum Priesterweg im Süden durchfahren. „Es ist ein tolles, tolles Gefühl, wenn Ideen so in die Realität umgesetzt werden“, sagt sie.
"Das Gleisdreieck ist der Quantensprung gewesen"
Ohne die Wiedervereinigung wäre das Projekt aber wohl nicht gekommen. Klar, natürlich auch deshalb, weil ein kleiner Teil des grünen Bandes durch den ehemaligen Ostteil der Stadt verläuft. Aber auch weil die Investoren am Potsdamer Platz je nach Größe ihrer Grundstücke Geld für Ausgleichsmaßnahmen zahlen mussten. Dafür konnte das Land den späteren Park am Gleisdreieck von der Bahn kaufen. Das Gelände lag, Kuriosum der Geschichte, zwar im Westteil der Stadt, gehörte aber der Reichsbahn Ost. „So konnte sich die Natur entwickeln“, sagt Beate Profé.
Nicht das ganze Gleisdreieck blieb für den Grünzug erhalten. Ein Teil – Naturschützer sagen, ein zu großer Teil – wurde für Baumaßnahmen freigegeben. Dicht stehen die Gebäude heute an der Flottwellstraße. Trotzdem: „Das Gleisdreieck ist der Quantensprung gewesen“, sagt Manfred Sperling vom Fachbereich Stadtplanung im Bezirk Tempelhof-Schönberg. Für diesen Bezirk seien die Grünflächen besonders wichtig. „Der Norden von Schöneberg ist hochgradig unterversorgt. Das hat sich extrem verbessert.“ Umgesetzt wurde der Wunsch der Bürgerinitiative, den Wildwuchs im Park möglichst zu erhalten.
Die Schöneberger Schleife kann vorerst nicht geschlossen werden
Zwei kleinere Abschnitte des Nord-Süd-Grünzugs in Sperlings Bezirk müssen aber noch perfektioniert werden. Einer befindet sich an der Monumentenbrücke. Dort wechselt der Radweg von der Ost- auf die Westseite der S-Bahn Strecke. Dieser „Übergabepunkt“ soll mit zwei Mittelinseln sicherer passierbar werden, sagt der Stadtplaner.
Unübersichtlich ist die Wegeführung für Radfahrer am Bahnhof Südkreuz. Hier wird der Grünzug zum Straßenland und Hindernisparcours. Sperlings Planungsabteilung will die „verkehrlichen Dinge neu ordnen“, um hier ein glatteres Durchfahren zu ermöglichen. Schließlich ist die Strecke nicht nur für Berliner Radfahrer eine willkommene Alternative zu den Hauptverkehrsstraßen, sondern auch Teil des Radfernwegs Berlin–Leipzig.
Eins würde der Stadtplaner vor seiner Berentung in drei Jahren gern noch erreichen: die Schöneberger Schleife schließen. Schleife deshalb, weil am Südkreuz ein zweiter Grünstreifen entlang der Ringbahn nach Westen abzweigt und zum Euref-Campus am Gasometer führt. Mehrere Grünflächen wurden hier auf der von Gleisen eingeschlossenen Schöneberg Insel angelegt.
Die Trasse der S-Bahn Richtung Wannsee soll freigehalten werden
Doch weiter entlang des Wannseebahngrabens zwischen den S-Bahn-Stationen Julius-Leber-Brücke und Yorckstraße kann die Schleife bisher nicht verlaufen. Die Berliner Verkehrsplaner glauben, dass dort noch Platz für die sogenannte Stammbahn frei gehalten werden sollte. Sie heißt so, weil sie die erste Eisenbahnstrecke Preußens war. Künftig wird die Trasse möglicherweise wieder für Fahrten Richtung Potsdam gebraucht.
Ein I-Tüpfelchen, das ebenfalls noch fehlt, sind Querungen der Yorckstraße. Die bisher einzige ist die sogenannte Brücke 10, insgesamt vier sollen es werden, informiert Beate Profé.
Noch einmal verändern wird sich der Grünzug, wenn die Planungen für die S21 voranschreiten. Sie soll ab etwa 2025 vom Hauptbahnhof Richtung Süden über den Gleisdreieckpark verlaufen. Für dieses Verkehrsprojekt werden Flächen gebraucht, die heute noch provisorisch genutzt werden dürfen. Dazu gehört das jetzige Beachvolleyballfeld.
Weitere grüne Wege als Schleusen für frische Luft
Mit dem vorerst letzten Lückenschluss des Nord-Süd-Grünzugs ist das Projekt aber noch nicht vollendet. Darauf weist Norbert Rheinlaender von der Bürgerinitiative Westtangente hin. Der Grünzug soll weiter nach Norden und Süden fortgesetzt werden. „Für die Strecke entlang der S2 Richtung Lichterfelde gibt es Vorgutachten, wo es Bahngrundstücke gibt und wo auf Parallelstraße ausgewichen werden muss“, sagt Rheinlaender. Den Grünzug in diese Richtung fortzusetzen wird nicht einfach, sagt Manfred Sperling aus Tempelhof-Schöneberg – das war aber bei der ganzen Strecke schon so, meint Norbert Rheinlaender.
Richtung Norden soll der Grünzug bis Tegel, Pankow und Heinersdorf fortgesetzt werden, sagt er. Bürgerinitiativen arbeiten bereits daran, wie auch an anderen Grünzügen durch Berlin. beispielweise an einem Wegenetz für Fußgänger. Sie zu verbinden, sei im Klimawandel wichtig, um Kaltluftentstehungsgebiete und Schleusen für frische Luft zu erhalten.
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