Neues Stadtquartier: Draußen vor dem „Pankower Tor“
Ab 2016 sollte die Brache zwischen den Bahnhöfen Pankow und Heinersdorf bebaut werden. Doch es wird später – viel später.
Gut Ding braucht Weil. So könnte man es mit einem landläufig bekannten Sprichwort sagen. Seit vier Jahren wird ein neues Pankower Stadtquartier auf den Flächen des ehemaligen Rangierbahnhofs an der Bahntrasse zwischen Prenzlauer Promenade und Berliner Straße geplant. Nachdem zunächst von einem Baustart im Jahr 2016 die Rede war, ist nun mit weiteren Verzögerungen zu rechnen. „Frühestens 2017/2018“ könne mit den Bauarbeiten begonnen werden, sagt jetzt der für das Projekt zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner. Seine Devise: „Qualität braucht Zeit.“
Vor fünf Jahren hatte der Möbelhändler Kurt Krieger das rund vierzig Hektar große Areal in Pankow erworben. Mit seiner Krieger Grundstück GmbH (KGG) entwickelte er Pläne für ein urbanes Quartier mit Wohnen, Handel und Schulen. Diese Vorstellungen unter dem Projektnamen „Pankower Tor“ wurden Ende 2013/Anfang 2014 in einer Planungswerkstatt mit Land und Bezirk diskutiert.
Man einigte sich auf einige Eckpfeiler: In dem langgestreckten Areal sollen neben rund 750 Wohnungen zwei Schulen, ein Einkaufszentrum und ein Höffner-Möbelmarkt entstehen. Für Aufsehen sorgte die Zusage der KGG, etwa 250 der Wohnungen zu einem Mietpreis von 5,50 Euro kalt pro Quadratmeter anzubieten. Für den Kaufpalast wurde eine Nutzfläche von 30 000 Quadratmetern festgelegt. Krieger hatte für das gesamte Gelände eine Investitionssumme von 400 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
„Hier soll ein lebendiges Stadtviertel entstehen. Die Ansprüche sind hoch“, sagt Stadtrat Kirchner, der jetzt das Verfahren steuert. Konflikte um Lärm und Verkehrsanbindung müssten ausdiskutiert werden. Der Dezernent zählte ursprünglich zu den Skeptikern des Krieger-Bauvorhabens. Die geplante Größe des Einkaufszentrums, etwa vergleichbar mit dem Alexa am Alexanderplatz, wurde auch von Anwohnern kritisch hinterfragt. Ein vom Investor geplanter zweiter Möbelmarkt ist inzwischen jedoch vom Tisch. Nun kann sich auch der grüne Stadtrat mit dem „Pankower Tor“ anfreunden.
Mit viel Grün und baulicher Qualität den Lärm in den Griff kriegen
Derzeit liegt das Gelände fast unberührt in einem tiefen Dornröschenschlaf. Ein Vorstadt-Circus hatte an der Granitzstraße für einige Wochen seine Zelte aufgeschlagen. Hinter einer Betonmauer liegt ein Schutthaufen mit herausragenden Moniereisen. Sonst wuchert Gestrüpp und Buschwerk auf dem Gelände. Eine Punkerin führt ihre Hunde aus. In kurzen Abständen fahren S- und Regionalbahnen vorbei.
Da auch Güterzüge auf den Gleisen verkehren, gilt der Lärm, so Kirchner, als „Riesenproblem“ für das geplante Wohnquartier. Er könne sich aber vorstellen, dass es bei Häusern mit Laubengängen zu den Gleisen hin möglich sei, die Geräusche weitestgehend fernzuhalten. „Es geht viel, wenn man will.“ Die regelmäßig tagende Steuerungsrunde mit den Vertretern von Senat und KGG bemühe sich, „mit viel Grün und baulicher Qualität den Lärm in den Griff zu kriegen“.
Der zweite Knackpunkt ist der Verkehr. Die angrenzende Prenzlauer Promenade ist mit 78.000 Fahrzeugen pro Tag schon stark belastet. Und auch an der Granitzstraße kommen Fußgänger angesichts der Autokolonnen kaum über den Damm. Für eine durchaus gewünschte Straßenbahnanbindung in das neue Wohnquartier müsste eine Abwägung von Kosten und Nutzen stattfinden, meint Kirchner. Diese Frage wäre in einem speziellen Verkehrsgutachten durch externe Planer zu klären. Dafür ist aber bisher noch kein Büro beauftragt worden.
Weiter ist man hingegen mit den beiden Schulstandorten. Nach den Vorstellungen des Bezirks sind eine Grundschule und eine weiterführende Schule am südlichen und nördlichen Ende des Areals für insgesamt bis zu 1600 Kinder und Jugendliche vorgesehen. In diesem Zusammenhang könnte der denkmalgeschützte Rundlokschuppen am S-Bahnhof Heinersdorf eine Rolle spielen. Die Ruine ist ein hässlicher Blickfang für Autofahrer, die von der Autobahn kommen und in die Stadt wollen. Das Dach ist an mehreren Stellen eingestürzt, Tore stehen auf, Tauben fliegen ein und aus. Eine kürzliche Bauuntersuchung brachte allerdings Erstaunliches an den Tag. Jens-Holger Kirchner: „Die Substanz ist besser als gedacht. Die Stahlträger sind intakt.“ Deshalb werde der bauhistorisch interessante Kuppelbau belüftet gehalten.
Im Rundlokschuppen könnte eine Verkaufshalle entstehen
Nach Angaben der DB Mobility Logistics AG, die die Mobilitäts- und Logistikaktivitäten des Deutsche-Bahn-Konzerns führt, wurde das ehemalige Betriebswerk Pankow 2013 an die PLG – Pöseldorfer Liegenschafts-Gesellschaft mbH verkauft. „ Nach unserem Wissen hat diese das Objekt an die Krieger Grundstück GmbH weiterveräußert“, sagte Burkhard Ahlert, Pressesprecher Berlin/Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern der DB Mobility Logistics AG auf Anfrage. Für den Rundlokschuppen hatte die KGG bereits eine Rekonstruktion angeboten.
Dafür hatte das Unternehmen eine Summe in Höhe von vier bis fünf Millionen Euro in Aussicht gestellt. Der Ingenieur Wilfried Wolff, Denkmalexperte bei der Berliner Baukammer, hat auch eine Idee für eine mögliche Nutzung: „Man könnte eine Verkaufshalle mit verschiedenen Ebenen einrichten.“ Platz ist in ausreichendem Maße vorhanden: Experten schreiben von einem Bauvolumen von 30 941 Kubikmetern. Im Bezirk gibt es Überlegungen für eine multifunktionale Stadthalle und eben auch für eine Schule. Weitere Gedankenspiele zielen in Richtung „Schulaula“. Krieger hatte scherzhaft gar eine repräsentative Oper ins Spiel gebracht.
Stadtrat Kirchner sieht große Chancen für eine Umnutzung des 3200 Quadratmeter großen Schuppens. Als vergleichbares Beispiel nennt er das alte Bahngelände in Tempelhof-Schöneberg. Dort hatte die Möbelkette Ikea eine alte Lokschmiede als Warenausgabe in das Kaufhaus integriert: „Technisch geht es." Noch größere Probleme bereitet in Heinersdorf allerdings der etwas weiter nördlich an der Straße „Am Feuchten Winkel“ gelegene Halbrundlokschuppen, ebenfalls ein Industriedenkmal. Der Baugrund dort wird gerade mit systematischen Probebohrungen nach möglichen Verunreinigungen untersucht. Und weiter nagt der Zahn der Zeit. Der Stadtrat: „Da muss etwas geschehen.“