Einzelhandelsimmobilien: Die Welt will in die besten Lagen
Die Mall of Berlin läuft gut, internationale Filialisten zieht es an den Ku’damm. Händler in den Kiezen müssen sich neu erfinden – oder online gehen.
Der Berliner Markt für Einzelhandelsimmobilien ist von gegensätzlichen Entwicklungen geprägt: Während sich die Vermieter von Einzelhandelsflächen in der City-West und am Hackeschen Markt über immer höhere Mieten freuen, haben die Ladeneigentümer in vielen Stadtteillagen Probleme, überhaupt Mieter zu finden. Diese Entwicklung dürfte sich durch die Zunahme des Onlinehandels und den Bau neuer Einkaufszentren in Zukunft noch weiter akzentuieren.
Warum aber profitieren derzeit gerade die starken Adressen? „Internationale Filialisten gehen mit ihrem ersten Laden in Berlin nahezu ausschließlich in die allerbesten Lagen“, antwortet Andreas Malich, Einzelhandelsexperte beim Maklerunternehmen CBRE in Berlin. „Das hat dazu geführt, dass die Mieten im attraktivsten Abschnitt des Kurfürstendamms – zwischen Joachimsthaler Straße und Fasanenstraße – innerhalb von zwei Jahren um etwa 25 Prozent gestiegen sind.“ Die Höchstmieten für ein hundert Quadratmeter großes Ladenlokal beziffert Malich auf 330 Euro pro Quadratmeter und Monat in der Tauentzienstraße und 260 Euro pro Quadratmeter am Ku’damm.
Die japanische Bekleidungskette Uniqlo, der spanische Modeanbieter Pull & Bear sowie der Elektroauto-Spezialist Tesla sind prominente Beispiele für die Zugkraft der City-West. Nach Angaben des Maklerhauses Engel & Völkers Commercial plant zudem das aus Polen stammende Modekonzept Reserved die Eröffnung eines 2000 Quadratmeter großen Flagshipstores in der Tauentzienstraße. Wesentliche Treiber der Nachfrage sind aber auch Markenartikelhersteller wie Lacoste und Swatch. Ihre eigenen Läden „dienen in erster Linie Prestigezwecken“, beobachtet Marcus Kötschau von Engel & Völkers Commercial. Ähnlich sieht das Andreas Malich von CBRE: „Manche Anbieter verdienen mit ihrem Laden kein Geld, sondern nutzen ihn als Marketinginstrument.“
Nicht überall laufen die Geschäfte rund
Zwiespältig beurteilt Malich die bisherige Bilanz des im April eröffneten Bikini mit seinem design-orientierten Konzept: „Das Bikini ist mutig, ambitioniert und architektonisch klasse. Im Moment hat es aber noch nicht den Erfolg, den man sich erhofft hat.“ Die letzte große Eröffnung in der City-West ist es im Übrigen nicht: Laut Malich werden in den nächsten Jahren rund um den Ku’damm voraussichtlich rund 100 000 Quadratmeter Ladenfläche neu auf den Markt kommen. Dafür verantwortlich sind hauptsächlich vier Großprojekte: der vom US-Konzern Hines vorangetriebene Neubau an der Joachimsthaler Straße, das Hochhausensemble Upper West, das Kudamm-Karree, dessen Verkaufsprozess sich der entscheidenden Phase nähert, sowie die von Leipziger-Platz-Entwickler Harald Huth und Karstadt-Eigentümer René Benko geplante Erweiterung des Karstadt-Hauses am Ku’damm.
A propos Huth: Die von ihm entwickelte und vor wenigen Wochen eröffnete Mall of Berlin „funktioniert gut“, sagt Malich. Auch seien bereits erste Auswirkungen auf die Einzelhandelslandschaft in der Umgebung spürbar: So sei die Nachfrage nach Ladenflächen in der Friedrichstraße gesunken, da manche Händler, die vorher in der Friedrichstraße auf der Suche gewesen seien, sich jetzt für den Leipziger Platz entschieden hätten. Auch die Potsdamer Platz Arkaden seien herausgefordert. „Sie haben spät auf die neue Konkurrenz reagiert“, urteilt Malich. „Eigentlich müssten sie sich neu erfinden.“
Noch vor ganz anderen Herausforderungen stehen die Einkaufsstraßen in den Stadtteilen. Auch bei ihnen ist die Situation Malich zufolge unterschiedlich: „Während sich die Bölschestraße in Friedrichshagen und die Kastanienallee in Prenzlauer Berg gut entwickelt haben, verlieren etwa die Müllerstraße und der Tempelhofer Damm immer mehr.“ Grund zur Resignation sieht Malich aber auch hier nicht. „Man muss die alten Zentren in den Stadtteilen neu erfinden“, regt er an. Dafür gebe es gute Chancen, da der starke Zuzug junger Menschen nach Berlin die Struktur der Nachfrager verändere. So könne man zum Beispiel für kurze Zeit Ladenflächen umsonst an junge Kreative vermieten.
Für den Kunden da sein
Toplage oder Kiez-Straße: Ein Ort, an dem das keine Rolle spielt, ist das Internet. Immer mehr stationäre Händler – große Ketten ebenso wie kleine Fachgeschäfte – setzen parallel auf digitale Verkaufskanäle. „Wir brauchen mehr Mut“, forderte der Familienunternehmer Marc Ramelow Ende November beim Deutschen Handelskongress in Berlin. Der Chef eines Elmshorner Modehauses mit 140-jähriger Tradition will den Kampf aufnehmen, probiert vieles aus: So präsentiert die Auszubildende den „Look of the Week“ auf Facebook und nach dem Model-Wettbewerb im Laden posten Kandidatinnen ihre Selfies auf der Ramelow-Seite. „Wir müssen da sein, wo die Kunden sind.“
Derzeit geben die Bundesbürger jeden elften Euro online aus, 2020 werde es schon jeder vierte sein, glaubt Werner Reinartz, Handelsforscher an der Universität Köln. In den Städten verschwänden Geschäfte mit der Fläche von mehr als 1000 Baumärkten. Der Präsident des Handelsverbands Deutschland, Josef Sanktjohanser, spricht von einer Dynamik, die auch viele stationäre Händler erfasst habe. Immerhin jeder Dritte verkaufe inzwischen auch im Internet, und sei es nur über Ebay. Das Web sei eine der letzten Wachstumschancen im gesättigten deutschen Markt, meint Sanktjohanser. „Wer im Netz nicht stattfindet, den streichen die Kunden irgendwann von ihrer Liste.“
Auch der Stadtbummel lockt die deutschen Käufer
Gerade im laufenden Weihnachtsgeschäft klingeln traditionell die Kassen der Internethändler. Doch auch der Stadtbummel zwischen Lichterketten und Glühweinduft lockt die deutschen Käufer. In einer Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte gaben zwar zwei Drittel an, das Internet zur Geschenksuche und zum Preisvergleich zu nutzen. Doch nur 46 Prozent kauften dann tatsächlich online – die Mehrheit ziehe den stationären Handel vor.
Beim Stuttgarter Spielwarenhändler Kurtz setzt man genau auf diese Karte. „Bei uns kommt der Kunde zum Kaufen ins Geschäft“, sagt Geschäftsführerin Edith Winter. Zwar hat der Händler auch einen Onlineauftritt mit Shop. Bei Spielwaren gehe es aber um die Haptik, das Anfassen und Fühlen. Auch der Vaihinger Buchladen in einem Hinterhof am Stadtrand von Stuttgart kombiniert seit sechs Jahren einen Online-Offline-Mix. Der Internetshop ist direkt mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden. Der Verkauf im Laden und im Netz steige vor Weihnachten in etwa gleich stark an, sagt Inhaberin Karin Bilsing.
Nach Einschätzung von Experten ist genau das die richtige Strategie: „Die Kunden kaufen immer flexibler ein, die Grenzen zwischen on- und offline verschmelzen“, sagt Lars Hofacker vom EHI Retail Institute in Köln. „Erfolg hat, wer beide Welten verbindet.“
(mit dpa)
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität