Architektenzwillinge Jürgen und Rüdiger Patzschke: Die Adlon-Architekten feiern die 80
Zu Ihrem runden Geburtstag erzählen Berlins Architekten-Zwillinge Jürgen und Rüdiger Patzschke von Werken, Nachfolgern und über einen handfesten Beruf.
Dass eineiige Zwillinge achtzig Jahre alt werden, das dürfte auf der Welt gelegentlich schon mal vorkommen. Aber dass beide Architekten sind und heute in Berlin ihren Ehrentag feiern, das ist mit Sicherheit einmalig: Jürgen und Rüdiger Patzschke schreiten aufrecht durch die Zeiten als wäre nichts geschehen, teilen sich seit vierzig Jahren ein Büro. Vielleicht hängt ihre vermeintliche Alterslosigkeit ein wenig mit ihrem Sinnen und Trachten in der Architektur zusammen. Sie mögen es gerne historisch, aber nicht alt und antik. Hinter Fassaden mit klassischen Elementen sollen Raumgefüge für ein modernes Lebensgefühl entstehen.
Rüdiger Patzschke, begeistert von alten italienischen Ortschaften, wie insgesamt von der europäischen Stadt, trat sofort nach der Wende in die Gesellschaft zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses ein.
Für ihr Adlon gab es aber nicht nur Beifall, das wurmt sie bis heute ein wenig, wenngleich diese Wunden inzwischen zu verheilen scheinen. Das Adlon ist ihr bekanntestes Werk. Aber sie haben allein im Bezirk Mitte 30 Gebäude fertiggestellt, weitere 30 in Charlottenburg und in Wilmersdorf. Die Schwerpunkte liegen dabei meist im Wohnungsbau, aber auch Hotels und Bürogebäude sind dabei.
Berlin ist ihr Heimatmarkt. Doch sie haben auch in Brasilien, Ägypten und der Türkei Projekte realisiert und in Indien.
Es bleibt in der Familie
In Berlins Architektenkreisen sind sie dennoch eher Außenseiter, so ist aus der Branche zu hören. Doch sie wissen auch so um ihren Wert und ihre Werke. Jürgen und Rüdiger Patzschke arbeiten geräuschlos und erfolgreich mit ihren Investoren. „Aus Gründen, die insbesondere im Bereich unserer Architekturauffassung liegen, nehmen wir nahezu nie an Wettbewerben teil“, sagt Robert Patzschke. Kritik an der Berliner Immobilienpolitik, an EU-Normen und Gesetzesvorhaben des Bundes ist ihnen nicht zu entlocken. Dafür sind sie zu lange im Geschäft. Indes, einen Punkt gibt es da doch: „Die heute aufgebrauchte Styropordämmung ist häufig physikalischer Unsinn“, sagt Jürgen Patzschke.
Ihre Nachfolgegeneration – Tatjana Patzschke, Till-Jonathan Patzschke, Robert Patzschke und die Partner Michael Mohn und Christoph Schwebel – sind seit Jahren mit ihnen im Geschäft. Sie werden genau genommen seit 2002 eingearbeitet, haben das Architekturbüro inzwischen übernommen und sind nicht so zwingend traditionalistische Architekten wie Rüdiger und Jürgen Patzschke, die wohl eher von traditionellen Neubauten mit klassischen Bezügen sprechen würden.
So einig sie sich auch in der Architektursprache sind: Im Gespräch wird eine kleine Nuance bei den Vorlieben sichtbar: Rüdiger würde gerne ein Hochhaus bauen. „Da wir ungern intakte Städte zerstören möchten, müsste mit aller Sorgfalt ein entsprechender Baubereich für Hochhäuser innerhalb einer Stadt ausgewählt werden“, überlegt er: „Das äußere Erscheinungsbild ist unabhängig von der Qualität der Grundrisse.“
Rüdiger und Jürgen Patzschke wollten immer Architekten werden, zunächst Gartenarchitekten: „Während unserer Studienzeit lag die Zeit der Hungersnöte noch nicht so weit zurück, da war es kaum denkbar, Gartenarchitektur zu studieren, was wir, mein Bruder und ich sehr gern getan hätten“, sagt Rüdiger. „Damals wurde eher empfohlen, einen handfesten Beruf zu studieren, bei dem die Ausübung während der ersten kleinen Krise nicht bereits gefährdet wäre, zu diesen Berufen hätte Gartenarchitektur seinerzeit nicht gezählt.“
Nicht der Mode unterworfen
Angefangen mit Gebäuden haben beide in Spanien nach dem Studium, in wild bewegten Zeiten im Gefolge von 1968. Es gab zu dieser Zeit hinsichtlich der Architektursprache keine einengenden Vorgaben dort. Das gefiel ihnen und entsprach ihrem Lebensgefühl: Spanien galt als exotisches Traumland – und natürlich war das auch ein tolles Reiseland. Sie entwarfen einen großen Basar. „Unsere Planungen sind sowohl aus technischer – massive Bauweise – als auch aus gestalterischer Sicht nachhaltig, da unsere Architektur nicht den ständig wechselnden Moden unterworfen ist“, sagt Jürgen Patzschke, „wir sehen unsere Architektur nicht als Repliken, sondern als Neuschöpfungen nach historischen Gestaltungprinzipien.“
Doch die sind natürlich stets in Bewegung, wie Rüdiger ergänzt: „Die Veränderung in der Architektur vollzieht sich vom Rand her. Es sind also nicht die Lehrenden, die Universitäten oder die Bauämter etc. die zu einer Veränderung in der Architektur führen, sondern es geschieht vom Rande her, das heißt vom Nichtfachmann. Nichtfachleute prägen den Zeitgeist.“
"Ich sage immer nur: meine Väter"
Rüdigers Sohn Robert verortet einen großen Teil des Erfolges der Architektur-Zwillinge in der Zweisamkeit der Beiden. Wenn er eine Frage hat, muss er sich nicht an beide wenden, einer reicht: „Ich sage immer nur: meine Väter. Egal, wen ich frage, es kommt die gleiche Antwort heraus.
Sie haben große Anfeindungen erlebt, aber sie haben ihre Arbeit von Innen heraus gemacht, weil sie immer einen Gleichgesinnten hatten: weil sie zu Zweit sind.“ Robert wuchs im Elternhaus in der Auerbachstraße mit vielen alten Dingen auf. „Wurde irgendwo ein Haus abgerissen“, so erzählt er, „hat unsere Mutter einen Lastwagen gemietet und zum Beispiel Wohnungseingangstüren und Fenster etc. ausgebaut, aber auch Steinsäulen und Kapitelle wurden gerettet.“ So stand eine der Flügeltüren des Büros aus einer alten Bäckerei in Schöneberg.
Jürgen und Rüdiger werden ihren Ehrentag heute in großer Runde und sehr gelassen begehen. „Unser Vater war Architekt und unsere Enkel – sowohl Mädchen als auch Jungen – spielen bereits mit Bauklötzen“, sagte Rüdiger: „Sie bauen die Hochhäuser, die zurzeit natürlich noch nicht so ganz standsicher sind.“ Tradition verpflichtet eben, vielleicht nicht immer und überall und nicht Jeden.