Ehrgeiziges Projekt steht noch auf der Kippe: "Das da ist eigentlich meine Wohnung"
Die Genossenschaft "Möckernkiez" findet Käufer für das geplante Hotel und den Biosupermarkt. Gelöst sind ihre Finanzprobleme damit noch nicht. Die Banken wollen erst dann finanzieren, wenn 95 Prozent der Wohnungen vergeben sind.
Die junge Frau Mitte der Dreißiger steht verloren vor einem der Rohbauten des „Möckernkiezes“ und schaut durch das Drahtgitter des Bauzauns. Zu gerne würde sie hier einziehen. „Das da ist eigentlich meine Wohnung“, sagt sie und deutet auf eine der Eckwohnungen im Parterre. „Dort sollten zwei Terrassen hinkommen – eine an dieser Seite des Gebäudes, eine an der anderen. Eigentlich wollten wir hier schon längst zu viert wohnen.“ Wie steht es um das Projekt? „Wir dürfen mit der Presse nicht sprechen“, sagt sie und wendet sich ab. Je länger die Baustelle ruht, desto schweigsamer werden die Genossen.
Durch Tagesspiegelrecherchen wurde vor einer Woche erneut bestätigt, dass die Weiterfinanzierung des Baus noch immer nicht gesichert ist. Doch es gibt auch Positives zu berichten. Frank Nitzsche, Vorstandsmitglied der Möckernkiez eG, sagt auf Anfrage, dass inzwischen ein Käufer für das Hotelprojekt gefunden worden sei. Es gebe einen „Letter of Intent“ mit einem Hotelinvestor, der gleichzeitig auch mit dem Betrieb von Hotels Erfahrung habe und zum Projekt Möckernkiez passe.
Über die wesentlichen Dinge sei man sich einig. Der Kaufvertrag sei allein deshalb nicht unterschrieben, weil das entsprechende Grundstück noch nicht geteilt sei. Das Projekt Möckernkiez verteilt sich über 15 Flurstücke. Auch für den Biosupermarkt sei ein Käufer gefunden worden, sagt Nitzsche weiter: „Eine Eigentümergemeinschaft“. Auch hier gibt es einen „Letter of Intent“, auch hier fehlen noch die erforderlichen Unterlagen für den Notar, um das Eigentum der Käufer vom Genossenschaftsprojekt zu trennen.
Für rund 100 Wohnungen werden noch Interessenten gesucht
Dennoch hat das Projekt nahe des Gleisdreiecks noch keine gesicherte Finanzierungszusage der Banken. Diese wird wie berichtet davon abhängig gemacht, dass 95 Prozent der Wohnungen vergeben sind. Dies ist die Bedingung für die Auszahlung der ersten Darlehensrate. Und damit die Bedingung für den Weiterbau. Nach Nitzsches Angaben liegt der Reservierungsstand der Wohnungen aktuell bei knapp 80 Prozent.
Es sind 464 Wohnungen insgesamt – für rund 100 Wohnungen müssen noch Interessenten gefunden werden. Diese Aufgabe sollen nun die Mitglieder der Genossenschaft übernehmen. Das Genossenschaftsbüro kann das nicht leisten. Nun sollen die Mitglieder die Gespräche übernehmen, die Neuen beraten und überzeugen. Dafür brauche man jetzt schnell 100 Grundrisse, 100 Exposés und eine Absprache mit dem Aufsichtsrat, so Nitzsche.
Wichtig ist den Banken, dass das notwendige Geschäftskapital der zukünftigen Bewohner in Höhe von 920 Euro pro Quadratmeter tatsächlich eingegangen ist. Als sei dies nicht schon schwer genug, kommt Zeitdruck hinzu. Bis zum Frühsommer müssen die Transaktionen über die Bühne gehen.
Erwarten die Banken zu viel von der Genossenschaft Möckernkiez? Soll dem Projekt gar die Luft abgeschnitten werden?
Man bittet darum, von Spekulationen Abstand zu nehmen
Andreas Görler, Senior Wealth Manager bei der Berliner Vermögensverwaltung Wellinvest-Pruschke & Kalm, glaubt das nicht. Banken finanzieren bestehende Objekte nur, wenn hohe Vermietungsquoten vorliegen, sagt er auf Anfrage: „Im vorliegenden Fall ist das natürlich sehr problematisch, da sich das Projekt im Bau befindet.“ Man könne zwar das Verhalten der Banken als überzogen empfinden, da man in der aktuellen Situation Berlin davon ausgehen sollte, dass es wenige Probleme hinsichtlich der Belegung mit Genossen geben dürfte.
„Verzögerungen beim Bau führen allerdings dazu“, sagt Görler weiter, „dass auch die Einnahmen später fließen und dass die Bedienbarkeit des Kredites nicht gewährleistet sein kann.“ Außerdem sei das „Sicherungsgut“ – die Immobilie nämlich – noch nicht fertig gestellt und Eigenkapital nicht mehr vorhanden. Bleibt die Frage nach einem Plan B, wenn das Projekt Möckernkiez nicht die von allen Beteiligten und den zumeist wohlwollenden Beobachtern gewünschte Finanzierungszusage der Banken für den Weiterbau erhält. Wie wickelt man Genossenschaften ab?
Wer mit dieser Frage bei den Protagonisten der genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft in Berlin aufschlägt, stößt auf wenig auskunftsbereite Gesprächspartner, die nur hinter vorgehaltener Hand Stellung nehmen. Der Grund: „Alle Genossenschaften wären tief erschüttert, wenn dieses genossenschaftliche Projekt kaputt geht, und damit Schaden an der Rechtsform Genossenschaft entsteht. Denn Wohnen gehört in generationenübergreifendes Eigentum und nicht in die Hände von Spekulanten“, sagt Monika Neugebauer von der Öffentlichkeitsarbeit der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin.
Die Genossenschaft Möckernkiez ist zahlendes Mitglied des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Er vertritt landeseigene, private, kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen in Berlin und Brandenburg. Zur Frage einer möglichen Insolvenz des Genossenschaftsprojektes Möckernkiez und den sich darauf ergebenen Fragen möchte man hier nicht Stellung nehmen und bittet darum, von Spekulationen hinsichtlich der Zukunft von Unternehmen Abstand zu nehmen.
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