Wohnungsbauförderung: Bund könnte wieder Sozialwohnungen bauen
Bauministerin Barbara Hendricks kündigt auf einer Kommunalkonferenz eine neue Initiative an. Nach der Föderalismusreform war die soziale Wohnraumförderung eigentlich in die Kompetenz der Länder übergegangen.
Der Bund denkt angesichts der Flüchtlingskrise über den Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau nach. Zwar wurden nach bisherigen Schätzungen im vergangenen Jahr etwa 270.000 neue Wohnungen fertiggestellt. Doch vom tatsächlichen Neubaubedarf von bis zu 400.000 Wohnungen jährlich sei man in Deutschland noch weit entfernt, teilte der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen zu den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes am Donnerstag mit.
Beim Neubau von Eigentumswohnungen sei gar ein Rückgang zu verzeichnen. „Gerade beim Wohnungsbau müssen wir eine Schippe drauflegen“, sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) gegen Ende dieser Woche auf der Kommunalkonferenz „Zuwanderung und integrierende Stadtgesellschaft – Was folgt nach der Erstunterbringung?“ in Berlin.
„Wir können darüber nachdenken, ob der Bund im kommunalen Wohnungsbau wieder in die Pflicht genommen werden sollte“, kündigte Hendricks am Donnerstag im Kronprinzenpalais Unter den Linden an. „Es bietet sich an, sich dieses Themas uno actus anzunehmen.“ Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 1. September 2006 („Föderalismusreform”) war die soziale Wohnraumförderung in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder übergegangen.
„Noch vor gut zehn Jahren war man der Meinung: Deutschland ist zu Ende gebaut“, sagte Hendricks zur Historie der veränderten Zuständigkeit bei der sozialen Wohnungsbauförderung. „Heute sind wir alle klüger geworden und sollten darüber nachdenken, die soziale Wohnungsraumförderung als gemeinschaftliche Aufgabe zu sehen. Das sollten wir im Zusammenhang mit dem bundesstaatlichen Finanzausgleich neu regeln“, sagte die SPD-Politikerin.
Ein schwerer Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit
Hendricks sprach sich auf der Veranstaltung für Wohnsitzauflagen für Flüchtlinge nach dem Königsteiner Schlüssel aus, nachdem die Residenzpflicht abgeschafft worden sei. Die Wohnsitzauflagen sollen für jene Flüchtlinge gelten, die einen anerkannten Bleiberechtsstatus erworben haben. Im Königsteiner Schlüssel ist festgelegt, wie die einzelnen Länder der Bundesrepublik Deutschland an gemeinsamen Finanzierungen nach festen Quoten zu beteiligen sind. Die Anteile richten sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes.
Derartige Auflagen sind umstritten. Durch sie soll unter anderem durchgesetzt werden, dass neu geschaffener Wohnraum für Flüchtlinge nicht infolge von Umzügen leersteht.
Einem Gutachten zufolge verstoßen die von der Bundesregierung geplanten Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge gegen internationales Recht. Das Vorschreiben des Wohnortes sei ein schwerer, unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit, das die Betroffenen bei der Lebensgestaltung erheblich einschränke, heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte, die der Evangelische Pressedienst epd verbreitete. Die Bundesregierung sollte von dem Vorhaben Abstand nehmen, heißt es im Fazit des Gutachtens.
Die große Koalition will eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge auch deshalb einführen, um auf die Weise mögliche Sozialleistungen fair unter den Kommunen zu verteilen und Ghettobildungen vorzubeugen, weil es Flüchtlinge vor allem in die großen Städte zieht. Durch ein kürzliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs sieht sich das Bundesinnenministerium bestätigt und arbeitet seitdem an einem Gesetzentwurf.
Die Luxemburger Richter urteilten, dass Wohnsitzauflagen grundsätzlich gegen EU-Recht verstoßen und auch nicht mit Sozialausgaben begründet werden können. Der Zwang zu einem bestimmten Wohnort kann demnach aber bei Integrationsproblemen erlaubt sein. Das Menschenrechtsinstitut hält Wohnsitzauflagen aber auch unter diesem Aspekt für ungeeignet.
"Wir werden ganze Stadtteile neu bauen müssen"
Hendricks sagte, natürlich werde jeder Flüchtling einen anderen Wohnsitz nehmen können, wenn er – oder sie – an einem anderen Ort eine Arbeit finde oder dort eine Ausbildung beginnen wolle. Mit der Wohnsitzauflage soll verhindert werden, dass Flüchtlinge sich vor allem in Ballungsräumen niederlassen und es dort zu einer „Ghettobildung“ kommt.
Eva Lohse, Präsidentin des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen am Rhein bezeichnete die Wohnsitzauflage als „integrationsfördernd, wenn die Menschen dann nicht alle in den Ballungsräumen sind“. Beim Wohnungsbau könne es nicht darum gehen, Häuser zu errichten, „die wir in 20 Jahren am liebsten wieder abreißen“. Lohse plädierte auf der Kommunalkonferenz indes dafür, „dass wir uns bei aller Geschwindigkeit, die wir brauchen, Zeit nehmen – es müssen lebbare Quartiere sein“.
Unstrittig ist indessen auch, dass allein durch die Mobilisierung von Leerstand und durch die Nachverdichtung von Innenstädten – zum Beispiel durch Hochhäuser – und durch die Entwicklung von Sozialbauwohnungen in die Höhe nach entsprechenden Veränderungen der gesetzlichen Grundlagen noch nicht ausreichend dauerhafter Wohnraum für Flüchtlinge geschaffen werden kann. Michael Groschek, Bauminister Nordrhein-Westfalens sagte am Donnerstag: „Wir werden zum Beispiel in Köln und Umland ganze Stadtteile neu bauen müssen.“