Ortstermin in der Moschee in Pankow: "Wir können nicht ruhig schlafen"
Die Ahmadiyya-Gemeinde in Heinersdorf distanziert sich vom Terror und lobt die Integration der Muslime in Deutschland. Imam Said Arif wirbt um Vertrauen.
Eigentlich war es um die Ahmadiyya-Gemeinde in Pankow ja recht still geworden. Ihre Khadija-Moschee ist die einzige Moschee im Ostteil der Stadt und bis heute überhaupt die einzige auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Bevor sie 2008 neben dem Autobahnzubringer in der Heinersdorfer Tiniusstraße eröffnet wurde, hatte sich eine Bürgerinitiative gegen den Bau engagiert und Proteste organisiert. Doch das ist lange her. Am vergangenen Mittwoch tummelte sich wieder die Presse in der Moschee. Die Gemeinde hatte selbst eingeladen. Am Tag nach den Anschlagsdrohungen rund um das Fußball-Länderspiel in Hannover bezog sie Stellung, warb aber auch für den friedlichen Islam. Imam Said Arif, seit zwei Jahren in Pankow, schien angesichts des Medienaufgebots fast etwas eingeschüchtert.
Der 30-jährige Geistliche im dunklen Anzug und mit seiner schwarzen schiffchenartigen Kopfbedeckung schaute bei der Pressekonferenz meist auf seine Unterlagen auf dem Tisch oder auf sein Minitablet daneben. Vor allem, wenn er fotografiert wurde. Das Reden überließ er meist dem Pressesprecher und dem Bundesvorsitzenden der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Deutschland, Muhammad Asif Sadiq und Abdullah Uwe Wagishauser. Die hatten den Termin schon lange vor den Anschlägen in Paris und vor Hannover organisiert. Denn sie wollten über die Unterstützung der Ahmadiyya-Gemeinschaft für Flüchtlinge berichten. Das trat nun in den Hintergrund. “Nach Anschlägen wie denen in Paris können auch wir nicht ruhig schlafen, denn es schmerzt, wenn der Islam für solche Verbrechen missbraucht wird”, sagte Imam Arif auf Nachfrage. Es sei traurig, dass sich Muslime in Deutschland überhaupt vom Terror distanzieren müssten. Viele empfänden die Aufforderung dazu beinah als Nötigung. “Das, was passiert ist, hat mit uns schließlich nichts zu tun.”
In Pankow habe sich inzwischen eine gute Nachbarschaft entwickelt, sagte Arif dem Tagesspiegel. Er selbst wohnt mit seiner Frau direkt über dem Gemeindehaus und fühlt sich in Heinersdorf sehr wohl, wie er sagt. “Immer, wenn etwas passiert, spüren wir aber, dass sich die Stimmung verändert.” Auch mit Pegida sei das Misstrauen gegen die Gemeinde wieder stärker geworden. Proteste gebe es aber nicht mehr. Nach den Auseinandersetzungen um den Bau der Moschee hatte sich in Heinersdorf eine Zukunftswerkstatt gegründet, die das Miteinander in dem Stadtteil fördern will. Auch die Ahmadiyya-Gemeinde bringt sich hier ein. Am Eingangstor hat der Imam außerdem gut sichtbar seine Telefonnummer und seine Email-Adresse ausgehängt. Kontakte sind erwünscht, soll das signalisieren. "Manche bleiben stehen und lesen es, aber kaum einer macht von dem Angebot Gebrauch", sagt Arif.
Said Arif kam mit sechs Jahren als Flüchtling aus Pakistan nach Deutschland. In Wiesbaden wuchs er auf, später studierte er islamische Theologie in Toronto. Unter den Flüchtlingen, die jetzt nach Deutschland kommen, sind ebenfalls viele Ahmadiyya-Anhänger. Insgesamt zählt die Gemeinschaft inzwischen rund 40.000 Mitglieder in der Bundesrepublik. 350 sind es in Berlin. Die vor hundert Jahren gegründete Bewegung sieht sich vor allem in Pakistan immer wieder Angriffen von Extremisten ausgesetzt, denn sie gilt als Reformschule. Fundamentalistische Schulen wie den Wahhabismus in Saudi-Arabien lehnen die Ahmadiyya-Anhänger ab. "Saudi-Arabien finanziert Extremisten in der gesamten islamischen Welt und schürt damit Gewalt", erklärte der Ahmadiyya-Vorsitzende Wagishauser. Mit dem "Islamischen Staat" und den sich auch in Europa ausbreitenden Salafisten will die Ahmadiyya-Bewegung ebenfalls nichts zu tun haben. “Der Verfassungsschutz muss hier wachsam sein", sagt Arif auch mit Blick auf Extremisten, die sich als Flüchtlinge tarnen könnten. Die Angst vor Terror dürfte aber nicht dazu führen, Menschen abzuweisen, die Hilfe bräuchten.
Grundsätzlich sehen die Ahmadiyya-Vertreter Deutschland allerdings gut gewappnet gegen Extremisten. “Die Integration von Muslimen funktioniert in Deutschland besser als etwa in Frankreich oder Belgien”, sagte Wagishauser. Rechtsfreie Räume und eine Ghettobildung wie in Brüssel gebe es in Deutschland nicht. “Das muss man auch mal wertschätzen.” Überall in Deutschland gebe es inzwischen Runde Tische und interreligiöse Dialoge, lobte der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinschaft. “Wir haben eine gute Kommunikationsebene gefunden.” Auch die Kontakte zwischen den verschiedenen muslimischen Gruppierungen seien vorbildlich. Er kenne kein anderes Land, in dem es so etwas wie eine muslimische Ökumene gebe, so Wagishauser weiter. “In Deutschland sitzen wir zusammen an einem Tisch, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.”