Milieuschutz im Wrangelkiez: Bezirk übt in Falckensteinstraße Vorkaufsrecht aus
Mieter atmen auf: Statt einer Briefkastenfirma aus Luxemburg ist die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) Eigentümerin des Hauses.
Ein Fall, wie er im Lehrbuch rot-rot-grüner Senatspolitik steht: Eine ausländische Briefkastenfirma möchte ein Kreuzberger Mietshaus kaufen und die vorhandenen Wohnungen in lukratives Eigentum umwandeln. Doch das Geschäft scheitert, weil der Bezirk im Milieuschutzgebiet sein Vorkaufsrecht ausübt und eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft in den Vertrag einsteigt. Die Mieter können aufatmen. So geschehen jetzt in der Falckensteinstraße 33 am Schlesischen Tor. Statt der Firma aus Luxemburg ist nun die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) Eigentümerin des Hauses mit zehn Wohnungen, Restaurant und Café. Der Kaufpreis in Höhe von 2,8 Millionen Euro entspricht der Summe, die auch der Privatinvestor gezahlt hätte, teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mit.
Baustadtrat Florian Schmidt freut sich über diese Entwicklung: „Unser Ziel ist es, dass die Menschen in dem von Gentrifizierung betroffenen Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain bleiben können. Wir nutzen rechtliche Instrumente wie das Vorkaufsrecht, um der Verdrängung entgegenzuwirken.“ Der Coup in der Falckensteinstraße war ein Gemeinschaftswerk; auch der Finanzsenator saß mit am Tisch.
Das Vorkaufsrecht kann auch in Sanierungsgebieten zum Tragen kommen
Ausgangspunkt in Kreuzberg war ein Bezirksamtsbeschluss vom 27. September 2016, wonach regelmäßig das Vorkaufsrecht zu prüfen sei, wenn ein Grundstück große Bedeutung für die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung habe. Als Kriterien wurden Bestandsmieten, Zahl der Wohneinheiten sowie die Ausstattung herangezogen. Die Prüfung ergab, dass ein Vorkaufsrecht in Frage kommen könne. Die WBM signalisierte ihre Bereitschaft zur Mitwirkung.
Man habe dem Käufer dann, so Stadtrat Schmidt, mittels einer „Abwendungsvereinbarung“ die Chance eingeräumt, das Vorkaufsrecht auszuschließen. Darin sollte der Verzicht auf kostenaufwendige Modernisierungen und eine Umwandlung in Eigentumswohnungen erklärt werden. Diesem Wunsch kam der potentielle Erwerber nicht nach. Die WBM hingegen verpflichtete sich, das Grundstück gemäß den bezirklichen Erhaltungszielen zu bewirtschaften.
Das Vorkaufsrecht der Kommunen gilt in Berlin etwa im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung in einem sogenannten Milieuschutzgebiet. Es kann außerdem in Sanierungsgebieten und im Umfeld von Bebauungsplänen zum Tragen kommen. In jedem Fall muss das Wohl der Allgemeinheit den Schritt rechtfertigen. In Friedrichshain-Kreuzberg wurde das Vorkaufsrecht bisher in der Wrangelstraße 66, der Glogauer Straße 3 und der Zossener Straße 48 ausgeübt. Derzeit laufen Prüfverfahren über sieben weitere Grundstücke. Sowohl Verkäufer als auch Käufer können allerdings Widerspruch einlegen und wenn nötig vor dem Verwaltungsgericht klagen.
Für die Landesregierung soll das Modell Falckensteinstraße kein Einzelfall bleiben
In der Straßmannstraße 32 in Friedrichshain – dort handelt es sich ebenfalls um ein Milieuschutzgebiet – hat ein Käufer gar nicht erst Zweifel aufkommen lassen und eine Abwendungsvereinbarung unterschrieben, mit der er eine Umwandlung in Eigentumswohnungen ausschließt. Der Bezirk verzichtete in diesem Fall auf das Vorkaufsrecht. Baustadtrat Schmidt: „Der Käufer ist eine Privatperson, die im Quartier schon ein Haus besitzt und nicht auf maximalen Profit aus ist. Mit solchen Eigentümern arbeiten wir gern zusammen.“
Für die Berliner Landesregierung soll das Modell Falckensteinstraße kein Einzelfall bleiben. Schon in den Richtlinien der Senatspolitik heißt es: „Berlin nutzt verstärkt seine Vorkaufsrechte nach Baugesetzbuch.“ Und Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher sagt: „Es ist ein wichtiger Baustein zur Umsetzung einer sozialen Wohnungspolitik.“ Laut der Behörde sind neben den Prüfverfahren in Friedrichshain-Kreuzberg noch drei Fälle in Treptow-Köpenick und einer in Pankow anhängig.
Auch Dritte können übrigens das Vorkaufsrecht nutzen. Neben den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften kämen Mietergemeinschaften, Wohnungsbaugenossenschaften, gemeinnützige Stiftungen und Vereine in Frage, teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit.