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Wohnraum in Eigentum umwandeln? Darüber sind sich Investoren und Politik in Berlin uneinig.
© Wolfgang Kumm/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ImmobilieninvestorJacopo Mingazzini: „Berlins Politik ist alles andere als sozial“

Wie stehen Investoren zur Wohnungsdebatte? Jacopo Mingazzini, Vorstand des Wohnungsprivatisierers Accentro, bestreitet, dass Investoren Schuld an der Mietenentwicklung haben.

Er gehört zu denen, vor denen Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) immer wieder gewarnt hat: Jacopo Mingazzini ist Geschäftsführer der Accentro GmbH und Vorstand der Accentro Real Estate AG (Berlin). Die börsennotierte Firma privatisiert Wohnungen und ist damit nach der ebenfalls börsennotierten Deutschen Wohnen das derzeit wohl ideologisch am stärksten angefeindete Immobilienunternehmen in Berlin. Die Accentro kauft Immobilien im Großhandel ein und verkauft im Einzelhandel Wohnungen an Mieter und vor allem an Kapitalanleger. Das ist das Geschäftsmodell.

„Durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, Modernisierung und teure Wiedervermietungen gehen nach unserer Schätzung rund 50 000 Wohnungen jährlich dauerhaft dem preisgünstigen Marktsegment verloren“, donnerte kürzlich Rainer Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Ganz Genaues weiß man zwar noch nicht für 2018. Doch in Berlin sind auch im vergangenen Jahr tausende Mietwohnungen in in Eigentumswohnungen umgewandelt worden – auch in Milieuschutzgebieten, mit Billigung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Ein Monitoring für das vergangene Jahr liegt zwar noch nicht vor. Doch für 2017. In diesem Jahr mussten die Bezirke aufgrund bundesgesetzlicher Vorgaben im Baugesetz rund 3600 Umwandlungen in sozialen Erhaltungsgebieten genehmigen. Eine unzumutbare Härte?

"Das, was wir tun, ist etwas hochgradig Positives"

„Ich sehe mich persönlich nicht als Buhmann“, sagt Mingazzini im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Ich nehme natürlich wahr, wohin sich der politische Diskurs zunehmend entwickelt und in welcher Schrillheit diese Diskussion geführt wird. Gleichwohl ist das, was wir tun, etwas hochgradig Positives: Wir helfen den Leuten ins Wohneigentum. Wir sehen Wohneigentum als etwas extrem Positives, als etwas was gefördert und nicht verhindert werden sollte. Insofern ist die Politik, die gerade in Berlin gefahren wird, genau das Gegenteil dessen, was sie vorgibt zu sein oder sein möchte – sie ist nämlich alles andere als sozial.“

Jacopo Mingazzini (53) lebt in einer Eigentumswohnung in Mitte. Politisch engagiert sich der Vater von drei Kindern bei den Liberalen. 
Jacopo Mingazzini (53) lebt in einer Eigentumswohnung in Mitte. Politisch engagiert sich der Vater von drei Kindern bei den Liberalen. 
© Estavis AG / Marco Urban

Gegenüber dem Vorjahr hat sich im Jahr 2017 das Umwandlungsgeschehen in Berlin nach den Analysen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Katrin Lompschers (Linke) deutlich erhöht. Die Anzahl der umgewandelten Wohnungen nahm insgesamt um 25 Prozent zu. In den sozialen Erhaltungsgebieten verringerte sich die Anzahl der umgewandelten Wohnungen zwar um drei Prozent, im verbleibenden Stadtgebiet erhöhte sie sich dagegen um 48 Prozent. „Dies zeigt, dass die Umwandlungsverordnung in den sozialen Erhaltungsgebieten zu einer insgesamt deutlich gemäßigteren Entwicklung in der gesamten Stadt beigetragen hat“, freute sich die Lompscher-Verwaltung in einer Pressemitteilung.

"Sie werden es nicht schaffen, gegen den Markt zu arbeiten"

Mingazzini zieht bei solchen Statements kontrolliert die Augenbrauen hoch: „Was die Politik hier gerade bewirkt mit Milieuschutzgebieten, mit zunehmender Regulierung und Ähnlichem mehr, der Versuch, einen Status Quo zu bewahren – also im Grunde auch nichts Progressives, sondern im Kern zutiefst Reaktionäres – wird auch mit viel, viel Steuergeld nicht gelingen. Sie werden es mit aller Regulierung nicht schaffen, gegen den Markt zu arbeiten. Der Markt wird – wenn eine Knappheit herrscht – immer versuchen, einen Ausgleich zu schaffen. Wenn mehr Leute da sind als es Wohnungen gibt, dann rutschen die Leute zusammen, große Wohnungsunternehmen gehen inzwischen dazu über, ihre Wohnungen zimmerweise an WGs zu vermieten. Ganz einfach, um das Thema Mietpreisbremse zu umgehen.“

Ganz genehm dürfte Mingazzini die inzwischen in Berlin aufgebaute Drohkulisse der rot-rot-grünen Landesregierung indessen nicht sein. Zwar stellt er sich seinen Kritikern in Podiumsdiskussionen mutig und ruhig entgegen. Doch das Geschäft muss natürlich laufen.

Accentro erweitert sein Geschäftsmodell

Rund 1000 Wohnungen bringt Accentro jährlich an den Käufer. Im vergangenen Herbst kündigte Mingazzini eine Erweiterung des Geschäftsmodells an – den Immobilienvertrieb im Auftrag Dritter, und die Vermarktung von Projektentwicklungen, kurzum ein Engagement für den Wohnungsneubau. „Wir sehen uns dabei als Partner von Projektentwicklern und können Dienstleistungen wie Eigenkapitalfinanzierungen, Abnahmegarantien oder die Erfüllung von Vorverkaufsauflagen abdecken“, sagt Mingazzini dazu. Geld ist kein Problem.

Accentro konnte 2018 eine Anleihe über nominal 100 Millionen Euro platzieren wie auch eine Barkapitalerhöhung durch die Ausgabe von 2 120 000 neuen Aktien realisieren. Durch beide Schachzüge sind dem Unternehmen rund 120 Millionen Euro (brutto) zugeflossen, was die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft und ihre Möglichkeiten deutlich gestärkt hat.

Modernisierung führt zu Verdrängung

Jacopo Mingazzini muss man sich als einen Menschen vorstellen, der mit sich und seinem Unternehmen im Reinen, ja identisch ist. „Das einzige, wo ich konzediere, dass es Verdrängung gibt, ist das Modernisierungsthema. Das ist die einzige tatsächliche Form von Verdrängung im Mietrecht.“ Für ihn wäre eine Modernisierungsumlage in Höhe von nurmehr sechs Prozent in Ordnung. Seit Januar beträgt diese Umlage acht Prozent.

„Wenn das gelingt, gibt es für Mieter keine echte Quelle für Verdrängung“, behauptet Mingazzini. Wenn man über Modernisierung spreche, könne es aber andererseits nicht sein, dass Häuser in Milieuschutzgebieten „auf alle Zeiten“ ohne Balkon, ohne Aufzüge so bleiben sollten. Im Übrigen: „Kein Investor ist dafür verantwortlich, dass jedes Jahr überschlägig 40 000 Personen nach Berlin ziehen. Und jetzt so zu tun, als seien die Investoren an der Mietentwicklung schuld, ist einfach falsch. Es ist einfach eine Frage von Nachfrage und Angebot.“

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