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Mit der Erbpacht können sich zum Beispiel Familien mit wenig Eigenkapital eine eigene Immobilie leisten.
© imago/Chromorange

Erbbaurecht: Berlin ist noch in der Hochzinsphase

Erbbaurechte könnten mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Mit Blick auf die Zinssätze ist die Hauptstadt aber wenig attraktiv.

In den vergangenen fünf Jahren sind die Baulandpreise in einigen Regionen Deutschlands um bis zu 45 Prozent gestiegen. Gerade in Ballungsräumen stellen die Kosten für das Grundstück eine hohe Hürde auf dem Weg zum Eigenheim dar.

In Hamburg erklärten die rot-grünen Regierungsfraktionen am 14. Juni 2017 deshalb zum Beispiel, dass sie strategisch wichtige städtische Grundstücke wieder vermehrt im Erbbaurecht vergeben wollen. Im Landkreis Erding bei München begann im Februar 2017 ein Erbbaurechtsprogramm zur sozialen Eigenheimförderung.

Die BIM notierte nur vier Verträge in sechs Monaten

In Berlin hat die rot-rot-grüne Landesregierung die verstärkte Nutzung des Erbbaurechts schon 2016 zum Bestandteil ihres Koalitionsvertrags gemacht. Dort wird folgende Richtlinie für die Regierungspolitik 2016-2021 ausgegeben: „Flächen für den Wohnungsbau sollen an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften, soziale Bauträger wie auch Baugruppen vergeben werden“. Die Kriterien sollen so ausgestaltet werden, dass der Anteil von Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung dreißig bis fünfzig Prozent der Wohnfläche beträgt. „Durch eine kleinteilige Parzellierung von Flächen, transparente Verfahren und Konzeptvergaben in Erbbaurecht soll ein niederschwelliger Zugang zu Liegenschaften für gemeinwohlorientierte Nutzergruppen und Träger sowie Genossenschaften gesichert werden“, heißt es weiter. Doch nach Angaben der Landesregierung hat die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH im vergangenen halben Jahr gerade einmal vier Erbbaurechtsverträge abgeschlossen. Eine Vergabe an eine Genossenschaft war nicht darunter. Was die Bezirke mit Blick auf die Vergabe von Erbbaurechten so treiben, weiß man erstaunlicherweise auf Landesebene nicht. Dazu „liegen SenFin keine Erkenntnisse vor“, heißt es aus der Pressestelle der Senatsverwaltung für Finanzen.

„Wir freuen uns, dass die deutschen Städte und Gemeinden das Erbbaurecht für sich wiederentdecken“, sagt der Geschäftsführer des 2013 gegründeten Deutschen Erbbaurechtsverbandes, Matthias Nagel. „Auch wenn es dieses Recht schon seit 1919 gibt, ist es heute so aktuell wie selten. Denn im Erbbaurecht können die Kommunen die dringend benötigten Flächen für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen, ohne ihr Tafelsilber zu verkaufen. Gleichzeitig ist die Schaffung von Wohneigentum – auch im Erbbaurecht – ein wichtiger Baustein, um Altersarmut zu verhindern.“

Beim Erwerb eines Erbbaurechts entfällt der Kaufpreis für das Grundstück. Stattdessen entrichtet der Erbbaurechtsnehmer regelmäßig den Erbbauzins als Entgelt für dessen Nutzung an den Erbbaurechtsgeber. Eigentümer des Hauses, das auf dem Grundstück steht – oder gebaut wird –, ist aber der Erbbaurechtsnehmer. Damit ist das Erbbaurecht insbesondere für Käuferinnen und Käufer mit wenig Eigenkapital eine günstige Alternative zum Volleigentum. In den 1950er- und 1960er-Jahren haben viele Kommunen in Deutschland dieses Instrument umfangreich genutzt, um Familien mit geringem Einkommen zu Wohneigentum zu verhelfen“, sagt der Berliner Kapitalmarktstratege Stephan Witt von der FiNUM.Private Finance AG.

Wie attraktiv ist das Erbbaurecht in Berlin?

Zum einen kann man so an Grundstücke herankommen, die zum Kauf auf dem Markt nicht zu haben sind – oft auch in gesuchten und beliebten Lagen. Zweitens: „Aus Sicht des Käufers oder des Bauherrn ergibt sich dann ein ökonomischer Vorteil, wenn der Erbpachtzins geringer ausfällt, als wenn er das Grundstück zum aktuell gültigen Zins finanziert“, sagt auf Anfrage Ralph Kinnart, Experte für Immobilienfinanzierungen bei B&K Vermögen in Köln. Mit Blick auf die Berliner Zinssätze, die die Senatsverwaltung für Finanzen auf Anfrage mitteilt, ist die Hauptstadt in ökonomischer Hinsicht wenig attraktiv: Für Gewerbe (Dienstleistung und so weiter) werden 6,5 Prozent Erbbauzinsen angesetzt, für förderungswürdiges produzierendes Gewerbe drei bis fünf Prozent, für Wohnen 4,5 Prozent und für die Nutzung für soziale, kulturelle und sportliche Zwecke drei Prozent. Die Höhe dieser Zinsen ist offenbar selbst der Landesregierung unheimlich geworden, denn die Sprecherin des Finanzsenators Matthias Kollatz-Ahnen teilt ergänzend mit: „Innerhalb der Berliner Verwaltung hat eine Diskussion begonnen, wie mit den Erbbauzinssätzen in der Niedrigzinsphase umgegangen werden sollte. Dies bedarf neben der breiten Diskussion auch der Einbindung vieler Akteure, unter anderem des Finanzsenators, des Senats und Abgeordnetenhauses sowie des Rechnungshofs.“ Solche Abstimmungsprozesse können bekanntlich dauern.

In der Vergangenheit lag der jährliche Erbbauzins üblicherweise bei drei bis fünf Prozent des Grundstückswertes. Laut einer Studie des Deutschen Erbbaurechtsverbandes aus dem Sommer 2017 liegt der Erbbauzins für Wohnimmobilien bei durchschnittlich 3,1 Prozent des Grundstückswertes pro Jahr. In Anbetracht der niedrigen Hypothekenzinsen vergeben einige Grundstückseigentümer Erbbaurechte aktuell zu weitaus günstigeren Konditionen. Die Stadt Hamburg hat beispielsweise den Erbbauzins auf 2,2 % (Gewerbe) bzw. 2,1 % (Wohnen) gesenkt.

Der Koalitionsvertrag sieht eine Absenkung des Erbbauzins vor

Eigentlich sollte und wollte man in Berlin in dieser Richtung auch schon einen Schritt weiter sein. Denn im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün heißt es auch: „Der Erbbauzins für zukünftig zu vergebende Erbpachtverträge kann unter den fachpolitischen Maßgaben der transparenten Liegenschaftspolitik für bestimmte Fallgruppen schuldrechtlich abgesenkt werden, um förderungswürdige Ziele der Stadtentwicklung, soziale Zwecke oder Zwecke der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu verwirklichen.“

Dass Berlin hier noch mit alten Zahlen unterwegs ist, unterstreicht Lorenz Claussen, Rechtsanwalt und Notar bei der Berliner Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann. „In der Niedrigzinsphase muss der Erbbauzins marktgerecht sein“, sagt Claussen: „Früher waren vier Prozent pro Jahr auf den Grundstücksverkehrswert ein üblicher Betrag. Diese Belastung würde heutzutage bei einem kreditfinanzierten Ankauf für Zins und Tilgung ausreichen – und beim Erbbaurecht findet ja gerade wirtschaftlich gesehen keine Tilgung statt.“ Im derzeitigen Marktumfeld könne natürlich der Erbbaurechtsgeber die Bedingungen diktieren. „Aber das sollte nicht dazu verleiten, die vertraglichen Daumenschrauben zu weit anzuziehen“, rät Claussen. „Immerhin locken außerhalb der Landesgrenze die Gemeinden mit käuflichen Flächen und zum Teil günstigen Gewerbesteuersätzen.“

Das Erbbaurecht als Baustein für mehr bezahlbaren Wohnraum

Eva Henkel, Sprecherin des Berliner Finanzsenators, weist diese Einwände zurück: „Erbbaurechtsverträge werden für viele Jahrzehnte abgeschlossen. Der Erbbauzinssatz sollte daher aufgrund der langen Laufzeit eine Mischkalkulation im Rahmen der Erwartung hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklungen abbilden.“

Im Maßnahmenpaket für bezahlbaren Wohnraum fehlt auf Bundesebene das Erbbaurecht als weiterer wichtiger Baustein für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland. Ob es ein sinnvoller Gedanke sein könnte, Grundstücke des Bundes (auch) in Berlin in eine Bodenstiftung des Bundes zu überführen anstelle zwischen Bund und Ländern Grundstücksver- und -ankäufe zu verhandeln? Die Berliner Finanzverwaltung geht auf diesen Gedanken – der unter anderem in Beiträgen des aktuellen Heftes „Stadtbauwelt“ zur Bodenfrage diskutiert wird – nicht weiter ein.

Das Land Berlin möchte, so Eva Henkel, dass Grundstücke, die zur Erfüllung von Fach- und Verwaltungszwecken benötigt werden, ohne Bieterverfahren zum gutachterlich festgesetzten Verkehrswert, der die geplante Nutzung des Grundstücks berücksichtigt, von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an Länder und Kommunen veräußert werden. Darüber hinaus soll es zusätzliche Verbilligungen geben, wenn das Grundstück für den sozialen sowie den studentischen Wohnungsbau genutzt werden soll. Wenn alle Beteiligten mitspielen.

Das Fachmagazin „Bauwelt“ hat kürzlich die Bodenfrage gestellt: Verschiedene Experten diskutierten aktuelle Entwicklungen – von der Grundsteuer bis zum Erbbaurecht (Ausgabe 6.2018, Stadtbauwelt 217).

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