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Naturnah ist die Helle Oase in Hellersdorf gestaltet.
© Kids & Co

Ein Garten für Großstädter: Aus Freude am Ackern

In Gemeinschaftsgärten können die Berliner ein Stück Natur erleben. Himmelbeet, Rosa Rose und viele andere laden zum Mitmachen ein.

Schreckliche Dinge hatten die Freunde bei ihrer Reise um die ganze Welt erlebt. Ihr Idealismus war an der Wirklichkeit zerschellt. Zuletzt zogen sie sich aufs Land zurück, um gemeinsam zu ackern. „...unser Garten muss bestellt werden“, lautet der berühmte letzte Satz von Voltaires Novelle „Candide oder der Optimismus“.

Das Konzept ist nach wie vor aktuell: In schwierigen Zeiten findet die Seele Frieden bei der Gartenarbeit. Und gerade das gemeinschaftliche Gärtnern liegt im Trend – auch in Berlin.

In der Hellen Oase zum Beispiel, mitten in Hellersdorf. Jahrelang lagerte hier der Schutt der Bauarbeiten am Einkaufszentrum Helle Mitte. Bis es den Anwohnern reichte. Koordiniert vom Verein Kids & Co berieten sie, was auf der Brache entstehen sollte. Heute gibt es zwei Boulebahnen für die Älteren, einen Spielplatz für die Kleinen, eine Hängemattenlounge für die Jugendlichen – und einen Garten in Permakultur.

Wettbewerb um den schönsten Firmengarten

Die Idee von Permakultur ist, ein sich selbst regulierendes System zu schaffen, das nur noch ganz geringe Eingriffe braucht. Die Helle Oase wurde für die Umsetzung mit dem Förderpreis des Deutschen Naturschutzpreises 2012 ausgezeichnet, was ein „nicht unwesentlicher finanzieller Faktor“ fürs Weitermachen war, berichtet Cornelia Sauer von Kids & Co, die im Garten ehrenamtlich tätig ist.

Als interkulturell versteht sich das „Himmelbeet“ in Wedding.
Als interkulturell versteht sich das „Himmelbeet“ in Wedding.
© Kitty Kleist-Heinrich

Kommende Woche könnte der Garten wieder einen Preis gewinnen. Diesmal ist er nominiert für den Preis Soziale Stadt, denn beim Bau waren junge Leute aus dem Projekt „Jugendliche wollen erfolgreich leben“ beteiligt.

Überhaupt schießen die Gartenwettbewerbe gerade wie Pilze aus dem Boden: Der Wettbewerb Gärten im Städtebau wurde soeben von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eröffnet. Von den 14.000 Kleingartenanlagen in Deutschland können sich 24 für die Endrunde qualifizieren. Eine Kommission wird diese dann im Sommer 2018 besichtigen und daraus die Sieger ermitteln.

Mehrere Berliner Verbände rufen erstmalig zu einem Wettbewerb um den schönsten Firmengarten der Stadt auf. Gesucht werden grüne Kleinode, die typisch für Berlin sind – „urban, vielfältig, sozial“, schreiben die Auslober. Bereits ausgezeichnet wurde das Netzwerk Kinder-Garten im Kindergarten des Forschungsinstituts für biologischen Landbau, dem 200 Kindergärten in Deutschland angehören. Es wird mit einer Million Euro aus dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt unterstützt. Ministerin Hendricks übergab die Auszeichnung am Dienstag bei einem Besuch des Ina.Kinder.Gartens in der Habersaathstraße in Mitte – ein warmer Regen für die Macher.

Vandalismus ist ein Problem

Aber natürlich herrscht auch im Garten nicht immer eitel Sonnenschein, es gibt Vandalismus und Diebstahl. Ein schönes altes Sofa verschwand aus dem Kiezgarten in der Schliemannstraße in Prenzlauer Berg, bedauern die Nutzer in einem Blogbeitrag.

Auch die Helle Oase war schon öfter betroffen. „2015 hatten wir mehr damit zu tun die Schäden zu beseitigen, als zu gärtnern“, sagt Cornelia Sauer. Da sei es manchmal schon ein Problem, sich zu motivieren. Doch die Ehrenamtlichen lassen nicht nach, treffen sich jeden Donnerstag Nachmittag, um den Garten zu bestellen und weiterzubauen. Zuletzt entstand eine Komposttoilette, weil es bis dahin an sanitären Anlagen fehlte.

Weiter Blick am Garten des Allmende-Kontors auf dem Tempelhofer Feld.
Weiter Blick am Garten des Allmende-Kontors auf dem Tempelhofer Feld.
© Kitty Kleist-Heinrich

Einer der ältesten Berliner Gemeinschaftsgärten ist Himmelbeet. Das Projekt in Wedding versteht sich als interkulturell – Menschen aus vielen Nationen, mit und ohne Behinderung packen bei Himmelbeet mit an. Dienstags kann man mitgärtnern, ohne ein eigenes Beet zu haben. Dafür gibt es – wen wundert’s – eine Warteliste. Gemeinsam statt einsam geht es auch beim wohl bekanntesten Gemeinschaftgarten zu, dem Prinzessinnengarten in Kreuzberg oder beim Kiezgarten in Lichtenberg.

Die Rosa Rose musste verpflanzt werden

Weitere Gärten findet man im Internet. Einer der ältesten ist der Nachbarschaftsgarten Rosa Rose. Es ist einer der Gärten, der am ersten Standort keine Wurzeln schlagen durfte. Das guerillamäßig eroberte Grundstück wurde bebaut, die Rosa Rose verpflanzt. Sie befindet sich jetzt an der Jessnerstraße nahe der S-Bahnstation Frankfurter Tor. Geteilt wird brüder- und schwesterlich: „Die Erträge der Obstbäume und Beerensträucher stehen natürlich allen Passant_innen (ohne moralische Einschränkung) zur Verfügung“, schreiben die Gärtner.

Die Bürgerinitiative Zehlenwandel gärtnert nahe des U-Bahnhofs Onkel-Toms-Hütte.
Die Bürgerinitiative Zehlenwandel gärtnert nahe des U-Bahnhofs Onkel-Toms-Hütte.
© Thilo Rückeis

Cornelia Sauer findet gerade das gemeinsame Arbeiten schön. Sie hat selbst einen eigenen Garten, „aber es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ich alleine oder mit anderen gärtnere. Der Lernprozess ist ein ganz anderer“, sagt sie. Der Mensch, das soziale Wesen, sucht eben seinesgleichen – und stellt den Vandalen immer aufs Neue seinen Optimismus entgegen.

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