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Urban Gardening in Berlin: Obstbäume für alle

Öffentliches Obstpflücken für alle – das wollen nicht nur die Bezirke fördern. Selbst für das Tempelhofer Feld gibt es eine einigende Idee: eine Streuobstwiese.

Auf dem Tempelhofer Feld herrscht mal kein Streit. Jedenfalls was das Thema Obstbäume angeht. Die Grünen hatten wie berichtet in Pankow und in Friedrichshain-Kreuzberg zwei Anträge eingereicht, die für mehr Obstbäume in Berlin sorgen sollen. Berlin braucht neue Bäume. Warum nicht auch auf der größten Freifläche – dem Tempelhofer Feld?

„Fantastisch, wunderbar, so stellen wir uns das vor“, sagt Margarete Heitmüller von der Initiative „100 % Tempelhofer Feld“. Auch die Gruppe „Tempelhofer Feld für alle“, die den Gesetzesentwurf zur Randbebauung von SPD und CDU unterstützt, findet Bäume in Ordnung. Sprecher Leif Erichsen will jedoch erst den Volksentscheid abwarten: „Dann können wir gerne auch über Obstbäume reden.“

Ein paar Kilometer weiter stehen schon die ersten Obstbäume. Im Görlitzer Park pflanzten in den vergangenen Jahren Unterstützer des Projekts „Obstbäume im Görli“ Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume. Ähnliche Projekte laufen im Prinzessinnengarten am Moritzplatz und den Bauerngärten in Spandau und Pankow – hier kann man eine Fläche Garten mieten und unter Anleitung Gemüse anbauen. Allein in Berlin gibt es über 50 solcher Gemeinschaftsgärten. Der Senat erhofft sich damit zumindest eine Verbesserung des Mikroklimas.

Viele Brandenburger Alleen mit Obstbäumen bepflanzt

Urban Gardening, es geht voran. Ist die Obstsituation in Berlin denn so schlecht? „Natur und Stadt sind nicht getrennt“, sagt Madeleine Zahn vom Internetportal mundraub.org. „Es gibt hier weit mehr Obstbäume, als man vermutet.“ Auf der Seite kann man ungenutzte Obstbäume, Obststräucher, Kräuter und Nussbäume auf öffentlichem Gelände in eine Karte eintragen. Davon stehen mehr als 2000 in Berlin und Umgebung. Viele Alleen in Brandenburg sind mit Obstbäumen bepflanzt, da im 18. Jahrhundert jeder Mann vor seiner Hochzeit 20 Obstbäume pflanzen musste. „Meist verbirgt sich hinter einem Eintrag auch weit mehr als ein Baum – zum Beispiel eine Streuobstwiese“, sagt Zahn. Das Portal hat 15 000 Nutzer, 10 000 Orte sind weltweit eingetragen. So findet man neben Kirschen am Tiergarten auch Bananenbäume in Thailand und Brombeeren in Kanada. „In Berlin haben wir die höchste Aktivität“, sagt Zahn. „In der Großstadt gibt es die Sehnsucht nach dem Apfel vom richtigen Baum.“

Darf man sich denn an den Bäumen bedienen? „Grundsätzlich gibt es kein herrenloses Obst“, sagt Elisa Pfennig, Sprecherin der Grünen in Pankow. Der Kreuzberg-Friedrichshainer Stadtrat Hans Panhoff hatte den Antrag in die BVV eingereicht. „Die meisten Kommunen tolerieren es aber, wenn gepflückt wird.“ Umgangssprachlich ist der „Diebstahl“ als Mundraub bekannt. Seit etwa 40 Jahren existiert die Strafmilderung jedoch nicht mehr. Ursprünglich sah das Gesetz vor, die Strafe bei der Entwendung von Essbarem auf höchstens 500 Mark Strafe oder sechs Wochen Haft zu mildern. Heute spielt es keine Rolle mehr, was entwendet wird. „Egal ob Apfel oder Auto, es handelt sich immer um Diebstahl“, sagt Brigitta Mehring von der Rechtsschutzversicherung Arag. „Geblieben ist, dass der Diebstahl von Sachen mit geringem Wert bis zu 50 Euro nur auf Antrag verfolgt wird.“ Das heißt, wenn man über den Gartenzaun greift und eine Brombeere nascht und dabei ein Polizist zuguckt, kommt es zu keiner Anzeige, solange nicht der Nachbar eine stellt.

Die Idee vom Mundraub ist alt. Im 5. Buch Mose steht: „Wenn du in den Weinberg eines andern kommst, darfst du so viel Trauben essen, wie du magst, bis du satt bist, nur darfst du nichts in ein Gefäß tun.“

Simon Grothe

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