Neugestaltung der Berliner Mitte: "Am Gesamtkonzept arbeitet niemand"
Die Debatte der „Stadtwerkstatt“ konnte die Planung für die Berliner-Mitte nicht vorantreiben. Es fehlt an Information und Vision.
Die Debatte um die Neugestaltung der Berliner Mitte kommt trotz einer Veranstaltung am Donnerstagabend („Von Begegnung bis Rückzug – Rathausforum weiterdenken“) nicht voran. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher präsentierte vor rund 70 Teilnehmern in der „Stadtwerkstatt“ (Karl-Liebknecht-Straße) zwar die Ergebnisse einer ökologischen und stadtklimatischen Untersuchung der Berliner Mitte. Doch ein Erkenntnisgewinn war der 74-seitigen Untersuchung nicht zu entnehmen: „Für das gesamte Untersuchungsgebiet lässt sich festhalten, dass vielfältige Qualitäten existieren, die zu sichern sind bzw. potentiell in den unterschiedlichen Teilräumen verstärkt werden können.“ Die „Zusammenfassende Einschätzung“ enthält zudem Binsenweisheiten, die wohl nicht nur jeder Biologielehrer auf der Festplatte hat: „Je dichter die Vegetation in der Fläche als auch in der Höhe ist, desto größer ist ihre Filterwirkung.“
Planung als Stückwerk
Komplett ungefiltert gibt Stefan Richter, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin, dem Tagesspiegel seinen Unmut über das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung äußerst gebremste Verfahren zur „Entwicklung“ dieses Stadtraums zu Protokoll: „Die Stadtwerkstatt Rathausforum ist kein Ort, um konzeptionelle Überlegungen vorzustellen.“ Seit Sommer 2015 sei eigentlich nichts passiert: „Auch Grundlagen für die künftige Entwicklung – Studien zu den verkehrlichen Ist-Strukturen – liegen bis heute nicht vor.“ Die Trassen Grunerstraße, Karl-Liebknecht-Straße, Spandauer Straße seien „wesentliche Barrieren“ für eine Neugestaltung des Stadtraumes zwischen Fernsehturm und Humboldtforum. „Wir fühlen uns als Treiber des Themas“, sagt Richter für die Stiftung Zukunft, die befürchtet, dass während der laufenden Debatte über eine Neugestaltung bereits bauliche Pflöcke eingeschlagen werden. „Mit jedem Puzzle werden unabänderliche Tatsachen geschaffen“, sagt Richter. „An einem Gesamtkonzept arbeitet in diesem Moment niemand.“
Im Kern müsse es darum gehen, die Gegenwart zu respektieren und die Vergangenheit erlebbar zu machen. „Es gilt, die Highlights im inneren Raum zu verbinden, damit sie nicht Einzelelemente sind“, sagt Richter und richtet den Blick dabei auf das Straßennetz. Es sei sinnvoll die alten Wegebeziehungen im Altstadtring wieder herzustellen. „800 Meter sind ja nichts.“ Vorausgesetzt, man muss nicht stark befahrene Magistralen überqueren.
Doch so stellt sich die Lage derzeit da. Wer von der Mühlendammschleuse zum Hackeschen Markt laufen möchte, hat einen weiten (Um-)Weg vor sich – obgleich die Luftlinienentfernung nah erscheint. Flaneure haben jedenfalls derzeit keine Chance. Die Stiftung Zukunft hat als konzeptionelle Grundüberlegung die Idee, das Schachbrettmuster aus alten Straßen an den Wegekreuzungen zu Knotenpunkten für Aufenthaltszonen, respektive Plätzen zu machen.
Ein verlassener Ort
Doch darüber in der Stadtwerkstatt zu diskutieren, wäre wohl der falsche Rahmen. Ein Bürgerforum hatte im Vorfeld dort einen Redebeitrag beantragt mit dem Thema: „Vereinbarkeit der Bürgerleitlinien mit einer Bebauung im Bereich zwischen Bahnhof Alexanderplatz und Spree“. Das wurde, so ein Beteiligter, rundweg abgeblockt mit der Begründung, dass die Veranstaltung zur Präsentation von Vorhaben des Senats diene – also Vorstellung des erwähnten Klimagutachtens und Vorstellung der Wettbewerbsvorbereitung für einen Freiflächenwettbewerb. Es sei kein Platz mehr für Grundsatzdiskussionen.
Der Vorschlag, dass sowohl die Befürworter des Freiraums als auch die Befürworter einer Bebauung ihre Positionen darlegen, damit diese zur Kenntnis genommen werden können, wurde abgelehnt. Die Senatsverwaltung ziehe „wie ein Eisbrecher durch die Wogen der Bürgerbewegung“ und setze ihren schon längst festgesetzten Plan um, schrieb ein Bürgerbewegter dem Tagesspiegel.
„In der Stadtwerkstatt kreist man theoretisch um das Thema und den zentralen Bereich herum und beim Senat liegt noch immer nichts an Konzepten für den Kernbereich, insbesondere für den „Platz der Demokratie“ vor“, sagte dem Tagesspiegel der frühere Präsident der FU Berlin, Rolf Kreibich, der sich ebenfalls für eine neue Mitte engagiert: „Für diesen Ort setzt sich momentan keine Senatsverwaltung oder Stiftung der Parteien ein.“