Debatte um Diesel-Verbote in Berlin: Hohe Stickoxidbelastung könnte Fahrverbote nach sich ziehen
Im Gegensatz zu anderen Großstädten plant Berlin derzeit keine Fahrverbote für Diesel. Was will der Senat stattdessen unternehmen – und wie ist die Luftbelastung in der Hauptstadt?
Die erste große Kontroverse um Fahrverbote hat Berlin schon 2008 erlebt, als eine der bundesweit ersten und größten Umweltzonen eingerichtet wurde. Damals stand der Feinstaub im Fokus, der zwar großenteils aus alten Dieselmotoren ohne Partikelfilter kam, aber eben auch aus vielen anderen Quellen.
Die Feinstaubbelastung der Berliner Luft ist sowohl seit der Wende als auch seit Einführung der – 2010 verschärften – Umweltzone tendenziell gesunken. Der Jahresgrenzwert von maximal 35 Tagen mit mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft wurde in den vergangenen Jahren meist eingehalten. Wenn nicht, hing es oft mit dem Wetter zusammen: Trübe Wintertage mit Hochnebel und wenig Wind lassen die Schadstoffkonzentration steigen. Dabei wird ein Großteil des Feinstaubs von außerhalb in die Stadt geweht. Aber je geringer der hausgemachte Anteil, desto größer die Chance, dass die Belastung an den Messstellen unter den 50 Mikrogramm bleibt.
Während das Feinstaubproblem in Berlin also einigermaßen unter Kontrolle ist, kämpft die Hauptstadt weiter mit zu hohen Stickoxidbelastungen. Und bei diesem Schadstoff ist die Frage nach den Hauptverursachern klar zu beantworten, denn der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wird seit Jahren an allen Messstationen im Hauptstraßennetz überschritten, aber an allen anderen eingehalten. Laut Umweltbundesamt tragen Diesel-Pkw 67 Prozent zur Belastung bei, Nutzfahrzeuge und Busse weitere 27 Prozent. Mit Förderung vom Land rüstet deshalb die BVG weitere 100 Linienbusse mit Stickoxidreinigung aus. Gut die Hälfte der 1400 Busse hat die Technik schon an Bord; durch Ersatz älterer Exemplare soll die gesamte Busflotte ab 2020 einigermaßen sauber unterwegs sein.
Tut der Senat nichts, könnte das Verwaltungsgericht Verbote anordnen
Da die Stickoxidbelastung an den Hauptstraßen kaum sinkt, führt aus Sicht der Umweltverwaltung an Fahrverboten für ältere Diesel kein Weg vorbei. Zwar tobt die Opposition aus CDU, FDP und AfD. Aber wenn der Senat nichts tut, könnten die Fahrverbote noch in diesem Jahr vom Verwaltungsgericht angeordnet werden, das sich mit einer Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land befasst. Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) fordert deshalb vehement die Einführung einer blauen Plakette für schadstoffarme Fahrzeuge, um gezielt Dreckschleudern aussperren zu können. Rund ein Viertel der etwa 1,2 Millionen in Berlin zugelassenen Pkw sind Diesel – und nicht einmal jedes fünfte Auto erfüllt die aktuelle Norm Euro 6. Der Wirtschaftsverkehr basiert fast komplett auf Dieselfahrzeugen.
Da sich der Bund gegen blaue Plaketten sperrt, konzentriert sich der Senat zunächst auf eine Alternative: An fünf besonders stark belasteten Hauptstraßen soll testweise Tempo 30 eingeführt werden, um den Verkehr zu verstetigen: Wenn weniger gebremst und beschleunigt wird, entstehen weniger Abgase. Dafür müssen allerdings auch die Ampelschaltungen angepasst und andere Stauursachen wie Zweite-Reihe-Parken bekämpft werden.