Der Regen kam zu spät: Hitzewelle kostet Brandenburgs Bauern die halbe Getreideernte
Wegen der Hitzewelle im Frühsommer müssen viele Brandenburger Landwirte 50 Prozent ihrer Getreideernte abschreiben. Auch das Milchvieh hat gelitten – und bald auch der Obstbau.
Landwirt Meik Schmidt startet den Motor des grünen Mähdreschers auf seinem Hof in Saarmund. Gemeinsam mit 60 Mitarbeitern will er das Getreide auf den umliegenden Feldern im Kreis Potsdam-Mittelmark abernten. Vier Wochen zu früh. Denn in Brandenburg hat es seit vielen Wochen nicht geregnet, die Böden der Felder sind staubtrocken, das Getreide ist „notreif“.
Schmidt zieht einen Roggenstängel aus dem Boden – der müsste eigentlich zu dieser Jahreszeit noch grün sein. Stattdessen ist die Pflanze gelb. Schmidt macht eine ausschweifende Handbewegung – das ganze Feld ist inzwischen gelb gefärbt. Dort, wo eigentlich noch sattgrüne Flächen zu sehen sein müssten, hat die Hitze und Trockenheit der vergangenen Monate das Getreide schneller reifen lassen. Viel zu schnell. Schmidt zerreibt die Ähre der Roggenpflanze zwischen seinen Fingern, dann deutet er auf die Körner in seiner Hand. Diese seien viel kleiner als in den vergangenen Jahren, und anders schmecken würden sie auch.
„Sechs bis sieben Wochen hat es nicht geregnet, auf den Feldern herrscht trockene Wüste“, sagt Meik Schmidt, Vorsitzender der eingetragene Genossenschaft Agro Saarmund. „Auch bei der Gerste ist die Qualität schlecht und die Körner sind klein“. Nur mit enormen Preisabschlägen wird er das Getreide verkaufen können. 30 bis sogar 50 Prozent büßt er durch die Hitzewelle der vergangenen Wochen ein. „Und das trifft auf all unsere Ernteprodukte zu“, erklärt er. „Betroffen sind zum Beispiel auch der Mais, die Sonnenblumen und der Raps.“ Finanziell geht ihm so rund die Hälfte der Einnahmen verloren, schätzt Schmidt. Rund 3500 Hektar bewirtschaftet der Landwirt mit der Genossenschaft in mehreren Gebieten in Brandenburg, beispielsweise in Teltow, Kleinmachnow oder Potsdam-Drewitz.
Der Wind als unterschätzte Gefahr für Brandenburgs Äcker
Thorsten Mohr, Referent für Acker- und Pflanzenbau beim Bauernverband Brandenburg, schätzt die derzeitige Situation der Brandenburger Bauern als „dramatisch schlecht“ ein. „Derzeit sprechen die Landwirte in Brandenburg von einem Verlust von 50 Prozent ihrer Ernte – und das kann sogar noch schlimmer werden.“
April und Mai sind die wichtigsten Monate für das Wintergetreide. „In dieser Zeit hat es extrem wenig geregnet, es war auffallend warm und windig, das hat den Boden ausgetrocknet“, erklärt der Landwirtschaftsexperte. Vor allem der Wind sei schlimm gewesen: Der hätte zusätzlich die Feuchtigkeit aus dem Boden gezogen.
Dabei ist der Boden in weiten Regionen von Brandenburg ohnehin nicht der beste, er ist sehr sandig und speichert dadurch kaum Wasser. Die Hitze im Frühjahr ist da fatal. Zumal sie das gesamte Bundesland getroffen hat. „Wir sind momentan bei der Entwicklung vier Wochen früher dran als normalerweise“, sagt Mohr, „durch die schnelle Reife fehlt es den Pflanzen an Inhaltsstoffen wie Eiweiß, dadurch sind die Körner deutlich kleiner.“ Fast alle Getreidefelder rund um Teltow sind inzwischen gelb gefärbt – einige sogar bereits abgeerntet.
Das Getreide könne man inzwischen nicht mehr retten, der Schaden sei zu hoch. Selbst der Regen der vergangenen Tage bringe nichts mehr. Die Bauern könnten ihre Ernte deshalb nicht weiterverkaufen, sondern müssten das Getreide an die eigenen Tiere verfüttern. „Allerdings hat das natürlich auch Auswirkungen beispielsweise auf die Milchproduktion bei den Kühen.“
Auch Viehwirtschaft und Obstanbau bereitet Sorgen
Auch die Tiere der Landwirte leiden derzeit unter der Hitze. „Kühe bevorzugen Temperaturen von 10–15 Grad“, sagt Thorsten Mohr vom Bauernverband, „die extreme Wärme hat Auswirkungen auf die Leistung und das Wohlbefinden der Tiere.“ Die Weiden von Landwirt Meik Schmidt sind inzwischen so ausgetrocknet, dass sie nicht mehr ausreichen und bei den Tieren zugefüttert werden muss.
Das Obst leide ebenfalls unter den warmen Temperaturen. „Die Früchte reifen schneller ab, darunter leidet der Geschmack“, so Mohr. Bleiben die Hitzetemperaturen stabil, könnte es sein, dass Äpfel und Kirschen frühzeitig von den Bäumen abgeworfen werden. Die Lage beim Obst sei jedoch derzeit „nicht so dramatisch“ wie bei der Getreideernte.
In Brandenburg wird nach Zahlen des Bauernverbandes rund die Hälfte der Ackerfläche für den Getreideanbau genutzt. „Selbst wenn jetzt die Hälfte der Brandenburger Getreideernte wegbricht, wird der Verbraucher davon nichts mitbekommen“, rechnet der Fachmann vor. Der internationale Markt würde den Ernteverlust regulieren, Preisanstiege seien nicht zu bemerken.
Seit einigen Jahren registriert der Bauernverband Brandenburg einen Wärmeanstieg und längere Hitzeperioden. „Im vergangenen Jahr hat vor allem der Süden Brandenburgs unter einer enormen Hitze gelitten“, sagt Mohr, „dieses Jahr ist das gesamte Land Brandenburg betroffen.“ Viele Landwirte stünden inzwischen am Rande der Existenz, „die Betriebe überlegen, ob sie Teilbereiche einstellen, Leute entlassen oder auf andere Produktionen umsteigen“.
Bauern fordern Hilfe aus Potsdam
Landwirte wie Meik Schmidt hoffen derzeit auf eine finanzielle Unterstützung der Regierung. „Standardmäßig wird allerdings nichts gezahlt“, meint Thorsten Mohr vom Bauernverband. „Und selbst eine Dürrebeihilfe kann die Verluste nicht mehr ausgleichen.“
Dem Brandenburger Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft ist die derzeitige schwierige Situation bekannt. Das Ministerium erfasst nach eigenen Angaben ab dem 1. Juli die entstandenen Schäden an landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Kulturen, dann werde über eine eventuelle finanzielle Unterstützung entschieden. Parallel dazu laufe auf Bundesebene die Prüfung möglicher Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Bundesländer. In all den Jahren habe der Grundsatz gegolten, dass in Brandenburg kein wirtschaftlich gesunder Betrieb wegen Wetterunbilden habe aufgeben müssen.
Meik Schmidt von der Agro Saarmund e.G. setzt jetzt auf die Maisernte. Dem Mais tue die Hitze gut, eine sichere Kultur für die Brandenburger Bauern. „Aber auch der Mais holt unsere Einbußen nicht mehr raus“, so Schmidt. „Ich muss jetzt gucken, wie ich künftig weitermache, ob ich beispielsweise den Betrieb verkleinern muss.“ Für die umliegenden Landwirte sehe es nicht besser aus, manche stünden kurz vor der Existenzkrise und müssten komplett aufhören.
Aus dem Archiv: Im vergangenen Jahr hatten Brandenburgs Landwirte unter Sturm und Regen zu leiden.
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Lisa Splanemann