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Sättigungsbeilage. In einigen Regionen der Welt gehören Insekten bereits wie selbstverständlich auf den Tisch. Hierzulande wird man sich daran noch gewöhnen müssen.
© dpa/Jens Kalaene

Ernährung der Zukunft: Heuschrecken zum Frühstück

Die Weltbevölkerung wächst und Fleisch wird zum Luxusgut. Unsere Ernährung wird sich in den kommenden Jahrzehnten verändern – deshalb könnten bald Insekten, Algen und sogar Laborfleisch auf unseren Tellern landen.

Proteinsnacks aus Heuschrecken-Mehl stehen neben Müsli-Riegeln mit Schokoüberzug. Chips aus Seetang neben Kartoffelchips. Und im Kühlregal machen Würstchen aus Insekten den Wienern Konkurrenz. Glaubt man Wissenschaftlern und Trendforschern, könnte das in einigen Jahren im Supermarkt Realität sein.

Sicher ist, dass sich unsere Nahrung verändern wird. Das hat nicht nur etwas mit neuen Trends und sich verändernden Essgewohnheiten zu tun. Eine UN-Studie aus dem Jahr 2013 prognostiziert, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 9,6 Milliarden Menschen anwachsen wird. Schon heute steigt der Fleischkonsum vor allem in Schwellenländern wie Indien und China stark. Acker- und Weideflächen sind dagegen begrenzt. Auf der Internationalen Grünen Woche, die am 16. Januar in Berlin beginnt, beschäftigt sich deshalb das „Global Forum for Food and Agriculture“ mit der wachsenden Nachfrage nach Nahrung. Wie also werden die Lebensmittel unserer Zukunft aussehen?

„Fleisch könnte in den nächsten Jahrzehnten zum Luxusprodukt werden“, sagt die britische Wissenschaftlerin Morgaine Gaye, die seit Jahren zu Nahrungsmitteltrends forscht. „Wenn die Preise hochgehen, schauen sich die Leute nach einer Alternative um.“ Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO weist seit Längerem und immer wieder auf die Vorzüge von Insekten hin. Diese sind sehr proteinreich. In vielen Ländern stehen die Tierchen längst auf dem Speiseplan. Auch in Nordamerika wird derzeit besonders die Heuschrecke gesellschaftsfähig – einige Unternehmen haben das Insekt bereits für sich entdeckt. So produzieren die Next Millenium Farms in Kanada Mehl aus Heuschrecken sowie geröstete Heuschrecken und Mehlwürmer, erhältlich in den Geschmacksrichtungen BBQ, Honig-Senf oder marokkanisch. Auch die US-Firma All Things Bugs hat Heuschreckenpulver im Angebot. Und das Unternehmen Exo vertreibt Proteinriegel aus Heuschreckenmehl. Diese sind nicht nur frei von Gluten, Soja und Milch, sondern auch für Anhänger der Paleo-Diät, also der Steinzeiternährung, geeignet.

Der Ekel-Faktor als Problem

Das klingt skurril, doch der Verzehr von Insekten kann tatsächlich eine Alternative zum Fleischkonsum darstellen. Ihre Zucht ist weit umweltfreundlicher als die von Schweine- oder Rindfleisch. „Insekten emittieren relativ wenig Treibhausgase und erfordern weniger Wasser als die Viehzucht“, heißt es im FAO-Bericht von 2013. Verarbeitet zu Burgern oder Würsten dürften Insekten auch für Fleischliebhaber interessant werden. Bleibt der Ekel-Faktor als Problem. „Viele Leute können sich jetzt noch nicht vorstellen, Insekten zu essen. Wenn wir aber die Sprache ändern und andere Worte dafür benutzen, steigt die Akzeptanz“, erklärt Gaye.

Ein weiteres Problem der kommenden Zeit ist, dass die weltweiten Anbauflächen weitgehend konstant bleiben, während die Bevölkerung wächst. Das sagt Lothar Hövelmann, Geschäftsführer des Fachzentrums für Landwirtschaft bei der Deutschen Gesellschaft für Landwirtschaft (DLG). „Wir brauchen also Ausweichmöglichkeiten. In Zukunft werden deshalb viel mehr Nahrungsmittel aus dem Wasser kommen.“ Das könnten etwa Fische aus Netzgehegen und Aquakulturen in Fjorden sein, aber auch Shrimps – und Algen. „Algen sehen wir derzeit als sehr großes Thema“, erklärt Hövelmann. Sie sind voll von ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralien. Auch Seegras ist proteinreich. In Suppen und Salate gemischt, könne es zudem Salz ersetzen, erklärt Wissenschaftlerin Gaye. Seegras-Snacks haben schon einen Markt gefunden. Die amerikanische Firma Halo hat beispielsweise bläuliche Chips auf den Markt gebracht. „Viele andere Unternehmen werden versuchen aufzuspringen“, sagt Gaye.

Bulette aus künstlichem Fleisch

Während Heuschrecken- und Seetangprodukte in anderen Teilen der Welt bereits marktfähig sind, wird es bis zur Einführung eines anderen Nahrungsmittels noch dauern: Noch immer sind Forscher mit der Herstellung von Laborfleisch beschäftigt. 2013 präsentierten sie die erste Bulette aus künstlichem Fleisch. Angeblich bewegte sie sich geschmacklich „nahe am Fleisch“, wie Testesser bestätigten. Doch die Forscher waren nur in der Lage, tierische Muskelzellen herzustellen, mit Fettzellen taten sie sich schwer. Auch waren die Streifen von Muskelgewebe zu klein, um daraus ein Steak herzustellen. Der niederländische Mediziner Mark Post, der die Kuhzellen im Labor züchtete, glaubt an marktreifes Kunstfleisch in zehn bis 20 Jahren. Vom Fleisch echter Kühe dürfte es dann schwer zu unterscheiden sein.

Auch andere Veränderungen in unserem Essen werden wir nicht unbedingt bemerken. „In sehr trockenen Gebieten gibt es teilweise das Problem der Bodenversalzung. Die Wissenschaft arbeitet deshalb schon seit Längerem an der züchterischen Entwicklung salztoleranter Sorten“, sagt Hövelmann. Gleiches gelte für krankheits- und dürreresistente Pflanzensorten. Dabei kommt auch Gentechnik zum Einsatz. „Das ist natürlich ein Thema, das Widerstände hervorruft“, räumt Hövelmann ein. Was tatsächlich in einigen Jahren auf unserem Teller landet, weiß auch er nicht. Nicht zuletzt ist es Geschmacksache.

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