Hauptversammlung der Deutschen Bank: "Herr Achleitner, gehen Sie! Befreien Sie die Bank von Ihrer Person"
Die Deutsche Bank bekommt die Wut ihrer Aktionäre zu spüren. Im Fokus der Kritik steht aber nicht CEO Sewing, sondern der Aufsichtsratschef.
Zumindest Vorstandschef Christian Sewing kann relativ gelassen bleiben. Die Kritik an seiner Person hielt sich in der mit Spannung erwarteten Hauptversammlung der Deutschen Bank am Donnerstag in der Frankfurter Festhalte in Grenzen. Im Fokus der Aktionärsschelte stand dafür ein anderer Manager: Paul Achleitner, der schon lange umstrittene Aufsichtsratschef des Instituts.
Vor allem ihm kreiden die Eigentümer der Bank die seit Jahren anhaltende Talfahrt des Aktienkurses, die mauen Ergebnisse, Skandale und das krasse Missverhältnis zwischen schmaler Rendite und drastisch gestiegenen Gehältern des Vorstandes und den immer noch üppig fließenden Boni an. Deka-Bank-Fondsmanager Andreas Thomae kündigte vor rund 4000 Aktionären an, nicht für die Entlastung von Achleitner zu stimmen und erntete dafür kräftigen Applaus.
Obwohl der Österreicher das Management mehrfach seit seinem Amtsantritt 2012 ausgetauscht habe, sei der Umbau der Bank immer noch nicht abgeschlossen, die Profitabilität lasse weiter zu wünschen übrige. "Aus dem Aktienkurs ist ein Horrorfilm mit Überlänge geworden". Achleitner nahm es zumindest äußerlich gelassen. Den Antrag auf Abwahl als Versammlungsleiter bejahten gerade mal 0,96 Prozent der Aktionäre.
Die Skandale häufen sich
Überhaupt war das Interesse am jährlichen Aktionärstreffen erstaunlich überschaubar. Trotz des Desasters beim Aktienkurs, der während der Versammlung auf ein neues Rekordtief von 6,38 Euro stürzte. Trotz der mit 0,4 Prozent sehr überschaubaren Rendite. Trotz der Großrazzia im vergangenen Jahr wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Trotz der Verwicklung der Bank in Geschäfte mit US-Präsident Trump. Nur rund ein Drittel des Kapitals war in der Festhalle vertreten. Vor einem waren es noch rund 42 Prozent.
Sewing sprach zwar von Fortschritten im vergangenen Jahr, davon dass die Bank die Kosten wie angekündigt gedrückt, die Bank stabilisiert, die Zahl der Rechtsfälle weiter reduziert und erstmals seit 2014 wieder einen Gewinn von allerdings bescheidenen 341 Millionen Euro verbucht habe. Er räumte aber wie auch Achleitner ein, dass das bei weitem nicht reiche.
Vor allem auch mit Blick auf das Investmentbanking. "Wir sind zu harten Einschnitten bereit", sagte der seit April 2018 amtierende Bank-Chef. Er rechtfertigte die Gespräche mit der Commerzbank und auch deren Ende. "Unser eigener Plan ist der bessere". Konkrete Gespräche mit anderen Partnern gebe es derzeit nicht. Sewing will mit der Bank erst einmal alleine vorankommen "Wir werden die Transformation beschleunigen und die Bank konsequent auf die profitablen und wachsenden Bereiche ausrichten. Dafür stehe ich, darauf können sie sich verlassen". Das größte deutsche Geldhaus brauche eine klare Ausrichtung, müsse weniger schwankungsanfällig werden. Der Aktienkurs, klagte Sewing, spiegele das Potential der Bank gleichwohl nicht wider. Der Applaus der Aktionäre war verhalten.
Kritik an hohen Vorstands-Boni
Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sprach immerhin von ersten positiven Zeichen. Mehr aber auch nicht. Er kritisierte wie andere Redner auch das Boni von insgesamt 1,9 Milliarden Euro, vor allem an die wenig erfolgreichen Investmentbanker geflossen sind. "Die Aktionäre speisen Sie gerade mal 12 Prozent dieser Summe ab". Elf Euro-Cent werden als Dividende ausgeschüttet.
"Wo soll die Reise hingehen?", fragte er. "Und haben wir dabei überhaupt noch das Heft des Handelns in der Hand?" Die Bank habe reichlich Zeit vergeudet in den vergangenen Jahren. Das kreidet Nieding vor allem dem Aufsichtsratschef an. Achleitner registrierte auch das mit unbewegter Miene.
Die Deutsche Bank sei immer noch im Sanierungsmodus, sagte Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und erboste sich darüber, dass zwei Vorstände neben den ohnehin üppig aufgestockten Bezüge noch "Funktionszulagen" von drei und 1,2 Millionen Euro erhalten hätten. Andere sprachen von einem "läppischen Überschuss" und vom "System Achleitner", von dem seit sieben Jahren behauptet werde, damit sei die Bank auf dem richtigen Weg. "Wir stehen vor einem Scherbenhaufen", sagte Aktionär Karl Walter Freitag. "Herr Achleitner, gehen Sie! Befreien Sie die Bank von Ihrer Person".
Der aber denkt nicht daran und will seinen bis 2022 laufenden Vertrag erfüllen. "An einem Denkmal liegt mir nichts, am Wohl der Deutschen Bank aber schon", begründete er seine Absicht zu bleiben. Im Saal gab es keinen Applaus. Aber auch keine Buhrufe.
DekaBank-Fondsmanager Thomae kündigte trotzdem an, zwar Sewing, aber nicht Achleitner zu entlasten. Nieding dagegen will dem Österreicher noch einmal eine Chance geben. "Auch wenn wir uns keine Schwäche erlauben können, Führungslosigkeit, Pardon Herr Vorsitzender, österreichischer Art schon mal gar nicht." Auch Alexandra Annecke, Fondsmanagerin bei Union Investment, wollte trotz heftiger Kritik an der Lage der Bank, an überzogenen Gehältern und Boni und an unklaren Perspektiven den Stab über Achleitner noch nicht brechen. "Wir entlasten Vorstand und Aufsichtsrat".
Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer tritt auf
Mit Fondsmanagement dagegen hat Luisa Neubauer nichts zu tun. Der Aktienkurs ist ihr eher gleich. Die 22-jährige Studentin ist das deutsche Gesicht von Fridays for Future. Bei ihrem ersten Besuch einer Hauptversammlung der Deutschen Bank eilte sie sofort ans Rednerpult. "Ich bin schockiert von der Ignoranz in diesem Konzern", rief sie den Aktionären zu. Und klagte, dass das Institut die Augen vor der aufziehenden Klimakatastrophe verschließe.
Die Bank gehöre zu den drei größten Kohlefinanzierern in Europa. "Das ist ein trauriger Club der Gestrigen." Dabei drohe die Klimakrise die viel größere Finanzkrise zu werden. "Es ist die Deutsche Bank, die unserer Generation die Zukunft zerstört", sagte Neubauer. Sie schaffte es Bank-Chef Sewing zumindest ein wenig aufzurütteln. "Danke, dass sie hier sind", sagte er. "Als Familienvater und Vorstandschef der Deutschen Bank begrüße ich ihre Initiative und Fridays for Future".
Um jedoch gleich zurückzurudern. "Sie sind zu etwas zu hart mit uns ins Gericht gegangen." Die Bank habe die Pariser Klimaziele im Auge und finanziere keine neuen Kohlekraftwerke mehr. Die Aktionäre applaudierten freundlich. Das war es dann aber auch. Rendite und Gewinn und vor allem ein wieder nach oben zeigender Aktienkurs interessieren sie (noch) mehr.