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Das Verwaltungshochhaus von Volkswagen in Wolfsburg. Die Führungsspitze ist wegen Marktmanipulation angeklagt.
© Sina Schuldt/dpa

Autoexperte Dudenhöffer: „Herbert Diess jetzt zu ersetzen, wäre eine Katastrophe für Volkswagen“

Was bedeutet die Anklage gegen VW-Manager für den Konzern? Der Experte Dudenhöffer befürchtet gravierende Folgen. Ein Interview.

Ferdinand Dudenhöffer lehrt Betriebs- und Automobilwirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen und Direktor des dortigen CAR-Institut (Center Automotive Research).

Herr Professor Dudenhöffer, zwei aktuelle und ein ehemaliger Top-Manager von VW sollen wegen Marktmanipulations-Vorwürfen vor Gericht - ist das das Finale in der Aufarbeitung des Dieselskandals?
Ja. Es ist gut, dass endlich auch die Aktienkurs-Manipulationsvorwürfe durch zu späte Information des VW-Konzerns über Dieselgate geklärt werden. Natürlich wird es immer noch Unklarheiten geben, noch laufen ja beispielsweise die Musterklagen, aber mit dem Gerichtsverfahren wird ein weiterer dicker Stein aus dem Weg geräumt. Ich gehe davon aus, dass diese Klage angenommen wird und das Verfahren zum Abschluss gebracht wird.

Warum kommt diese Anklageerhebung jetzt erst, vier Jahre nach Bekanntwerden der Abgasmanipulation in den USA?
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft – und auch nach meiner – kam die Ad-hoc-Mitteilung über die Abgasmanipulation und ihre potenziellen Folgen zu spät, weswegen die Aktionäre Kurs-Verluste hinnehmen mussten. Wenn zu spät informiert wurde, wird das den VW-Konzern Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe kosten. Von daher ist wichtig, wer dafür verantwortlich zeichnet. Je sorgfältiger und je detaillierter dabei alle denkbaren Unterlagen analysiert und ausgewertet werden, umso höher ist die Chance für die Staatsanwaltschaft, erfolgreich zu sein. Das dauert seine Zeit.

Die Anwälte des Ex-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, des damaligen Finanzvorstandes Hans Dieter Pötsch und des damaligen Markenchefs Herbert Diess geben sich überrascht über die Anklageerhebung …
Anwälte sagen immer, dass ihr Mandant unschuldig ist. Aber Tatsache ist: Es gab einen Vorstandsvorsitzenden und einen Finanzvorstand, und beide sind unmittelbar verantwortlich für Ad-hoc-Mitteilungen. Nach meiner Einschätzung können die beiden sich da nicht rausreden, die werden wohl im Zentrum stehen. Der heutige Vorstandschef Herbert Diess war nur mittelbar beteiligt, als damaliger Markenvorstand lagen Mitteilungen, die den ganzen Konzern betreffen, nicht in seiner Verantwortung.

Welche Folgen kann diese Anklageerhebung für den Konzern haben?
Diess jetzt als Konzernchef zu ersetzen, wäre eine Katastrophe für VW. Er steht für die Neuausrichtung auf Elektromobilität, bringt da die Dinge voran. Die Frage ist, könnte Pötsch als Aufsichtsratsvorsitzender ersetzt werden? Die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch kennen Herrn Pötsch schon lang und haben sehr großes Vertrauen in ihn. Aber da das Land Niedersachsen mit Ministerpräsident Stephan Weil auch im Aufsichtsrat sitzt, wird es nach meiner Einschätzung nicht möglich sein, an Pötsch als Aufsichtsratsvorsitzendem festzuhalten, sollte das Gericht auf schuldig plädieren. Die Strategie wird vermutlich sein, den Prozess länger hinauszuschieben, um Zeit zu gewinnen für eine Entscheidung für einen neuen möglichen Aufsichtsratsvorsitzenden.

Sie vertreten die Meinung, dass der Diesel ein Auslaufmodell ist. Schieben Sie das auf den Dieselskandal oder auf ein verändertes Klimaschutz-Bewusstsein?
Der Dieselskandal war ein gewaltiger Auslöser, der das Sterben des Diesels erheblich beschleunigt hat. Wenn man‘s weltweit betrachtet, gibt es Diesel-Pkw eigentlich nur noch in Europa. Ich gehe davon aus, dass 2030 die letzten Diesel-Pkw bei den Autobauern angeboten werden. Den Übergang machen noch Benzin-Hybride, aber das Zeitalter der vollelektrischen Pkw ist in Sichtweite.

Hätte der Diesel nicht sowieso irgendwann als zu unsauber gegolten in der Wahrnehmung der Kunden?
Der Diesel hätte sauber sein können, aber wäre auch teurer geworden. Man hat betrogen, um Geld zu sparen und sich Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen. Das hat den größten Betrugsskandal in der Autogeschichte ausgelöst.

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