7. eMobility Summit des Tagesspiegel: Harte Arbeit für die smarte Stadt
Intelligente und innovative Mobilitätskonzepte sollen den Verkehrskollaps verhindern – doch Bürger und Planer tun sich schwer.
In München stehen Autofahrer im Schnitt 48 Stunden pro Jahr im Stau. Ein Fünftel der gesamten Zeit, die sie in ihrem Auto verbringen, vergeht mit Stillstand. München hält damit den Rekord in Deutschland. „Der Leidensdruck in Berlin ist im Vergleich dazu gering“, sagte Nicolas Zimmer, Chef der Technologiestiftung, am Mittwoch, dem zweiten Tag des eMobility Summits des Tagesspiegels. Verglichen mit Megacitys in Asien sei Berlin gar ein „beschauliches Städtchen“.
Das muss kein Vorteil sein. Denn weil die Hauptstädter noch relativ entspannt vorankommen, sind sie tendenziell weniger bereit, sich Gedanken über die Zukunft des Verkehrs und der Mobilität insgesamt zu machen. „Die Städte müssen es aber gestalten, sie können es nicht einfach laufen lassen“, warnte Kirstin Hegner-Cordes, Direktorin des Digital Hub Mobility der TU München. Selbst Leidtragende des Dauerstaus, stellt sie sich die Frage, wie man in Zukunft in wachsenden Ballungsräumen schneller, effizienter und komfortabler von A nach B kommt. „Smart“ soll die Stadt der Zukunft sein. Aber was ist das?
"Elektromobilität funktioniert nur als Carsharing"
Keine Lösung wird sein, dass sich alle irgendwann in ein Elektroauto setzen. Voll blieben die Straßen dann auch – zumal Berlin jedes Jahr um 60 000 Einwohner wächst. „Elektromobilität funktioniert nur als Carsharing“, sagte Hegner-Cordes. „Der individuelle Verkehr hat in der Stadt keine Zukunft.“ Doch wer Kinder hat und regelmäßig Großeinkäufe tätigt, der fährt selten Bahn und Bus. Parkplätze sind wiederum rar und teuer. „Für den hohen Preis gibt es keinen besseren Service“, sagte Dietmar Göhlich von der TU Berlin. „Das wäre anders, wenn man einen teuren Parkplatz zum Beispiel in Mitte vorab reservieren könnte.“
Von solch smarten Dienstleistungen vom Kindertransport und Einkauf bis zum Parkplatzservice sind deutsche Städte weit entfernt. Ein Grund: Mutlosigkeit. „Die öffentlichen Verwaltungen und die Unternehmen sollten mehr versuchen“, forderte Göhlich – und im Fall des Scheiterns sollten sie dann nicht öffentlich abgestraft werden. Ein anderer Grund: fehlende Partizipation. Die Stadtbewohner ließen sich für neue Mobilitätskonzepte, für datenbasierte Dienste und Innovationen im Verkehr eher erwärmen, wenn ihnen der persönliche Nutzen klar sei, sagte Nicolas Zimmer. „Auch Start-ups machen nicht alles neu, aber sie machen es oft so, dass die User den Mehrwert erkennen und Spaß an einer neuen Anwendung haben.“
Wie viele Stellplätze brauchen Tiefgaragen?
Die Probleme, eine smarte Stadt zu schaffen, fangen oft bei der Planung an. Alexander Happ, Geschäftsführer des österreichischen Wohnungsunternehmens Buwog, das auch in Berlin einige tausend Wohnungen verwaltet und baut, berichtete von „harter Arbeit“ mit den Bezirks- und Tiefbauämtern, wenn es etwa um Stellplätze für Ladesäulen, Elektro- oder Carsharingautos geht. Und: „Wenn 20 E-Autos in der Tiefgarage geladen werden sollen, ist Vattenfall überfordert“, sagte Happ. Den Blick in die Zukunft muss der Immobilienentwickler richten, wenn er die Tiefgarage plant. Wie viele Stellplätze braucht man heute noch für ein neues Projekt mit 5000 Wohnungen, wenn das eigene Auto in Zukunft keine so große Rolle mehr spielt? Oder: Wie sicher fühlen sich die Bewohner noch, wenn die Tiefgarage in Zukunft von autonomen Fahrzeugen, Carsharing- und E-Autos oder Lieferdiensten frequentiert wird? „Wir haben die Sorge, dass wir unsere Kunden schnell überfordern“, sagte Happ.
Gar nicht zu investieren, ist aber keine Alternative. Jede Investition in den technologischen Wandel birgt Unsicherheiten. „Aber man kauft ja auch einen Computer, obwohl man weiß, dass er bald veraltet sein wird“, sagte Dietmar Göhlich.