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Schuhläden verzeichneten im Juni ein kräftiges Plus. Insgesamt ist der Weg aus der Krise für den Handel aber mühsam.
© Thomas Frey/dpa

Umsatzplus ja, Boom nein: Händler warten bislang vergeblich auf die Ersparnisse der Deutschen

In der Krise hat sich das Vermögen der Deutschen deutlich erhöht. Doch im Handel kommt davon bislang wenig an. Das Geschäft zieht nur leicht an.

Viele Experten hatten dem Einzelhandel Hoffnung gemacht. Die Chancen stünden gut, dass der „massive Geldpuffer aus den Ersparnissen der privaten Haushalte“ sich auflöse und sich „die Nachfrage stark erholen“ werde, sagte etwa die Bloomberg-Ökonomin für den Euroraum, Maeva Cousin im März. Auch der Ökonom Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor beim Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung sagte: „Die Leute haben Geld daliegen und können konsumieren, obwohl die Löhne kaum steigen.“

Tatsächlich sind die Spareinlagen der Bundesbürger in der Krise stark angewachsen. Mitte Juli knackte die Summe des Privatvermögens in Deutschland die Sieben-Billionen-Euro-Grenze. Wie eine Analyse der der Europäischen Zentralbank (EZB) ergab, kann der Konsum davon aber kaum profitieren. „Insgesamt bleibt die Wahrscheinlichkeit einer sofortigen Wiedereinbringung der angesammelten überschüssigen Ersparnisse für künftige Konsumzwecke begrenzt“, schrieben Experten in dem am Montag veröffentlichten Papier. Aus Umfrageindikatoren ließe sich kein Signal für einen derartigen Schub im kommenden Jahr ableiten.

Der EZB-Studie zufolge haben vor allem Ältere und Haushalte mit höherem Einkommen zusätzliche Ersparnisse aufgebaut. Bei beiden Gruppen hätten Verluste bei den Arbeitseinkommen aufgrund der Pandemie keine große Rolle gespielt. Zudem konsumierten diese mehr Dienstleistungen, die von sozialen Beschränkungen getroffen wurden. Ihre verfügbaren Geldmittel seien außerdem weniger beschränkt. Die Autoren folgern daher: „Es kann erwartet werden, dass das Ausmaß, in dem diese zusätzlichen Ersparnisse in Konsum umgewandelt werden, relativ niedrig sein wird.“

Die Umsätze steigen, doch die Branche bleibt skeptisch

Aktuelle Zahlen zur Umsatzentwicklung im Einzelhandel bestätigen die Beobachtung der Notenbanker. Zwar liefen die Geschäfte im Juni wieder deutlich besser, der ganz große Boom ist allerdings nicht in Sichtweite. Der Umsatz stieg nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 4,2 Prozent gegenüber dem Vormonat. Im Vergleich zum Juni 2020 gab es ebenfalls deutliche Zuwächse von 6,2 Prozent. Die Halbjahresbilanz fiel positiv aus: Die Umsätze lagen real um 1,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

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Die Wiesbadener Behörde erklärt diese Entwicklung mit der im Juni gesunkenen Corona-Inzidenz und den damit verbundenen Lockerungen der Bundes-Notbremse. Das spürten vor allem Geschäfte für Bekleidung, Schuhen und Lederwaren. Hier stieg der Umsatz im Juni gegenüber dem Vormonat um stattliche 70,5 Prozent. Er lag damit erstmals wieder über dem Vorkrisenniveau vom Februar 2020.

In der Halbjahresbilanz klaffte allerdings noch ein Umsatzminus 26,2 Prozent. Auch Waren- und Kaufhäuser machten im Juni deutlich bessere Geschäfte als im Mai, ebenso Einrichtungshäuser und Baumärkte.

Geht das Online-Geschäft zurück?

Beim Handelsverband HDE sieht man allerdings noch keine Trendwende. Laut dem Konsumbarometer des Verbandes hat sich die Verbraucherstimmung inzwischen wieder eingetrübt. Die Konsumlust sei weiterhin „in starker Abhängigkeit zum Infektionsgeschehen“: Demnach beschäftigt die Verbraucher aktuell die nachlassende Dynamik der Impfkampagne und die Ausbreitung neuer Corona-Varianten. Wie sich der private Konsum im weiteren Jahresverlauf entwickeln werde, ist demnach „maßgeblich von den Infektionszahlen der nächsten Monate und dem politischen Umgang hiermit abhängig.“

Der Internethandel, der während der Geschäftsschließungen boomte, verzeichnete im Juni hingegen ein Umsatzminus von 7,5 Prozent. Im ersten Halbjahr stand allerdings ein kräftiges Plus von 26,1 Prozent in den Büchern und ein Zuwachs von rund 38 Prozent im Vergleich zum Vorkrisen-Februar 2020. Die Frage, ob der Onlinehandel seine Hochzeit schon wieder hinter sich hat, beschäftigte Anleger schon in der Vorwoche, als die Bilanz von Amazon schwächer ausfiel als erwartet.

In Deutschland glauben Branchenvertreter aber nicht an ein längerfristig schwächelndes Geschäft. Der Onlinehandel werde wohl auch im dritten Quartal wieder um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum wachsen, sagte der Sprecher des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland, Frank Düssler. Für 2021 rechnet er in Deutschland mit Onlinehandels-Umsätzen von über 100 Milliarden Euro. (mit rtr/dpa)

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