Einkaufen mit Personal Shoppern: Gut betucht für Gutbetuchte
Kathrin Hunold und Steven Mills sind Personal Shopper: Man kann sie anheuern, um mit ihnen Kleidung kaufen zu gehen. Und damit brechen sie ein Tabu.
Es spielt keine Rolle, wie gut sie ihre Arbeit macht: Kathrin Hunold weiß, dass ihre Kundinnen sie nicht weiterempfehlen werden. Dass man sich beim Kleiderkauf von einem Experten unterstützen lässt, gibt in Deutschland keiner gerne zu, genauso wenig wie den Besuch beim Therapeuten. Hunold ist ausgebildete Schneiderin und studierte Bekleidungstechnikerin. Sie hat viele Jahre in der Modebranche gearbeitet – und sich 2008 als Personal Shopper selbstständig gemacht.
"Eigentlich wollte ich mich auf die Beratung von Männern spezialisieren, doch dann kamen vor allem Frauen", erzählt sie im Café des Literaturhauses in der Fasanenstraße. Im alten Westen geht sie auch mit ihren Kundinnen am liebsten einkaufen: ins KaDeWe, wo sie sich zur Beratung in ein Mini-Apartment zurückzieht, oder im oberen Teil des Kurfürstendamms. Ein halber Einkaufstag kostet 300 Euro, ein ganzer 500. Gut betuchte Frauen geben in dieser Zeit schon mal 5000 oder 6000 Euro aus. Neben Deutschen kommen US-Amerikanerinnen, Russinnen oder auch Schweizerinnen zu ihr. Wenn die Kundinnen etwas "typisch Berlinerisches" suchen, geht Hunold mit älteren Damen oft zu Anna von Griesheim, mit jüngeren schaut sie bei Lala Berlin vorbei. Ausländische Auftraggeberinnen bringt sie auch gerne zu Marc Cain, einem deutschen Modelabel, das weniger stark verbreitet ist als die üblichen Verdächtigen Prada oder Gucci.
Einkaufen als Stressfaktor
Je länger man mit der 45-Jährigen spricht, desto mehr bekommt man den Eindruck: Einkaufen ist für die meisten Kundinnen ein Stressfaktor. Wie hoch das jeweilige Budget ist, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Viele der Frauen, die sie buchen, sind Psychologinnen. "Am selbstkritischsten sind die Frauen mit Kleidergröße 34/36", sagt Hunold. Sie klappt das Buch auf, das sie vor kurzem veröffentlicht hat. Darin beschreibt sie den "perfekten Look für jede Frau" und nennt fünf Kleidungstypen, die zwischen der Vorliebe für extrem auffällige Kleidung und dem schnörkellosen skandinavischen Stil angesiedelt sind.
Die meisten Frauen, die sie berät, gehören in die Kategorie des "natürlich-sportlichen Typs": "Sie tragen am liebsten Jeans, Chucks und einen Ringelpulli und möchten gerne etwas schicker aussehen." Auftraggeberinnen mit einem besonders hohen Budget kleiden sich laut Hunold gerne feminin und haben eher zu viele Schuhe als zu wenige. Sie seien gut informiert, machten allerdings oft zu viele Trends mit.
In den Geschäften reagiert man unterschiedlich auf die Personal Shopper. Manche Verkäufer müssten erst einmal begreifen, dass sie von dieser Dienstleistung profitieren: Weil die Berater Kunden in den Laden bringen und diese auch noch betreuen. Wenn für die Auftraggeberin allerdings nichts dabei ist, ziehen sie natürlich weiter.
So handhabt es auch Steven Mills. Der gebürtige New Yorker lebt seit 30 Jahren in Berlin. Er hat am New York Fashion Institute of Technology studiert und unter anderem für Gucci und Hugo Boss gearbeitet. Personal Shopper ist er seit 2006. Er möchte Menschen so einkleiden, dass deren Persönlichkeit zum Vorschein kommt. Zum Einkaufen fährt er meistens nach Mitte, auch wenn viele seiner liebsten Geschäfte dort inzwischen verschwunden sind. Zum Beispiel der Laden des Labels Firma, das die Produktion 2014 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt hat. "Wenn ich als Tourist in Berlin einkaufe, sollte ich auch etwas mitbringen, das typisch für die Stadt ist", sagt der 55-Jährige. Vielleicht könnten Experten wie Mills dabei helfen, qualitativ hochwertige Marken am Leben zu erhalten, indem sie diese bekannter machen.
Viel Verbesserungsbedarf in deutschen Kaufhäusern
Mit seiner einheimischen Kundschaft geht er natürlich nicht nur zu Berliner Designern. Mills läuft um die Ecke, schaut sich den neuen Flagship-Store der US-amerikanischen Marke Anine Bing an. Er muss auf dem Laufenden bleiben in einem Kiez, der sich wöchentlich verändert. Besonders gerne ist er in "Multibrand-Shops" wie Soto unterwegs oder geht zu Hannes Roether. Ein Großteil seiner Auftraggeber möchte am liebsten aussehen wie David Beckham oder Angelina Jolie – und geht trotzdem nicht gerne einkaufen. "Viele Kunden trauen sich nicht in die Geschäfte, weil sie Angst haben, dass der Verkäufer sie zu etwas überredet", sagt er. Mills spürt, dass sich seine Kunden entspannen, wenn er mit ihnen die ersten Läden besucht hat. Etwa jener Mann, der nach einer großen Erbschaft einen Porsche kaufen wollte, von den Verkäufern des Autohauses jedoch ignoriert wurde. Er hat sich erst einmal einkleiden lassen, um in dieser "neuen Welt" wahrgenommen zu werden. Betuchten wie nicht so betuchten Kunden rät Mills, sich eine vernünftige Basisgarderobe aufzubauen und eher einen Schal als einen Pullover in der aktuellen Trendfarbe zu kaufen.
Als US-Amerikaner halte er guten Service für etwas Selbstverständliches – und sieht in Deutschland noch "einigen Verbesserungsbedarf", auch in Häusern wie dem KaDeWe. Dort hat er einige Zeit im Laden des Labels Tory Burch gearbeitet und sich immer wieder über das geringe Engagement der klassischen Kaufhaus-Mitarbeiter geärgert. Andererseits zeigten auch viele Kunden unnötige Hemmungen: "In New York ist es selbstverständlich, dass man sich von gutgekleideten Verkäufern beraten lässt." In Deutschland wollten viele Kunden dagegen überhaupt nicht mit dem Verkäufer sprechen.
Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen