Geburtstag der Treuhandanstalt: "Größte Vernichtung von Produktivvermögen"
Vor 29 Jahren, am 1. März 1990, wurde die Treuhandanstalt gegründet. Hans Modrow, Christa Luft und andere DDR-Akteure blicken mit Verbitterung zurück.
So viele Minister auf einem kleinen Sofa sieht man nicht alle Tage. Christa Luft (81), die Wirtschaftsministerin in der letzten DDR-Regierung 1989/1990, eingerahmt von Walter Siegert (89), zeitweise Finanzminister, und dem damaligen Regierungschef Hans Modrow (91). Die drei Spitzenpolitiker erinnerten sich am Freitagnachmittag im Salon der Rohnstock Biografien an der Schönhauser Allee gemeinsam mit Christa Bertag, ehemals Generaldirektorin des VEB Kosmetik-Kombinat Berlin und dem Banker Dieter Knoch (Bankhaus Löbbecke) an einen ganz speziellen Tag. Am 1. März 1990 beschloss der Ministerrat der DDR unter Führung Modrows die Gründung der "Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums". Das war damals gut gemeint, doch dann winkte Helmut Kohl mit der D-Mark; die Volkskammerwahl wurde von Mai auf März vorgezogen, zum 1. Juli kam die D-Mark und im Oktober die Vereinigung. Und die Treuhandanstalt verscherbelte das Volkseigentum in einem atemlosen Procedere binnen weniger Jahre. Ende 1993 waren die meisten der rund 8000 Betriebe privatisiert - oder abgewickelt. "Das war die größte Vernichtung von Produktiveigentum in Friedenszeiten", meinte Luft am Freitag im Zeitzeugen-Salon. Was über viele Jahrzehnte entstanden war, "ist in vier Jahren plattgemacht worden". Die "Marktverteilung zugunsten des Westens", der Verlust von Millionen Arbeitsplätzen und die kleinteilige Wirtschaftsstruktur in den neuen Ländern als Folge der Abwicklung der großen Einheiten rege viele Ostdeutsche noch immer auf.
Treuhand-Verlust von 250 Milliarden
Nach Schätzung der damaligen Modrow-Regierung war knapp ein Drittel der DDR-Betriebe Anfang der 1990er Jahre rentabel; 42 Prozent arbeiteten mit Verlust, galten aber als sanierungsfähig, 27 Prozent als Konkurskandidaten. Modrow veranschlagte den Wert des Volkseigentums Anfang 1990 auf 980 Milliarden Mark, am Runden Tisch waren es ein paar Monate später nur noch 650 Milliarden. Und gut zwei Jahre später kündigte Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) an, dass die Treuhandanstalt ihr Geschäft wohl mit einem Defizit von 250 Milliarden D-Mark abschließen würde. "256 Milliarden D-Mark Schulden hat Breuel hinterlassen", sagt Christa Luft heute mit Blick auf Treuhand-Präsidentin Birgit Breuel. "Das hätte jeder von uns besser gekonnt."
DDR kaputt, Sowjetunion kaputt
"Das ist die Geschichte", schließt Hans Modrow seine Ausführung über seine Regierungszeit von November 1989 bis April 1990. Die Sowjetunion unter Michael Gorbatschow habe nicht erkannt, welche Folgen der wirtschaftlicher Zusammenbruch ihres wichtigsten Partners, der DDR also, für sie selbst haben würde. Und trotz der 350 000 in der DDR stationierten Soldaten - Modrow: "damit hätten sie die Kraft gehabt" - habe Moskau den Beitritt des vereinigten Deutschlands zur Nato akzeptiert und die verheerende Rücknahme der Enteignungen von Grund und Boden in den Nachkriegsjahren durch die sowjetischen Besatzer. Der Weg für die Kapitalisten war dann frei, "85 Prozent des DDR-Volkseigentums ist Eigentum von Westkonzernen geworden", sagt Modrow und ärgert sich bis heute über die "Liquidatoren" der Treuhandanstalt, die große Unternehmen für eine Mark verkauft hätten und dabei aber "30 Millionen Euro für sich kassiert haben". Zu den "Haien", die geschützt worden seien von der Treuhand und der westdeutschen Vereinigungspolitik zählte Modrow namentlich Klaus von Dohnanyi, den ehemaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs und Aufsichtsrat des ostdeutschen Maschinen- und Anlagenbauers Takraf, der auch "gut kassiert" habe und nun "in der Villa an der Elbe hockt".
Der Markt interessierte die Westkonzerne
Modrow, Luft und Bertag wiesen hin auf dem Umstand, dass bis heute kaum Ostdeutsche in führenden Positionen in Wirtschaft und Wissenschaft, in Politik und Justiz vertreten sein. Von "viel Frust und viel Unzufriedenheit unter den Menschen", sprach Modrow.
Das wesentliche Instrument zur Transformation der ostdeutschen Plan- zur Marktwirtschaft war die Treuhand. Und Geschwindigkeit bei der Privatisierung hatte Breuel zum Prinzip gemacht - damit sich erst gar nicht Widerstand gegen die Firmenzerschlagung und den Arbeitsplatzverlust formieren konnte. Die Treuhand wickelte die DDR-Wirtschaft mit Wessis ab: Zwar stammten zwei Drittel der Treuhand-Belegschaft von knapp 5000 Leuten aus dem Osten, doch nur gut acht Prozent der Führungskräfte. Ton und Richtung gaben Wessis an. "Der Westen brauchte nicht die Produktionskapazitäten im Osten, sondern den Markt und das Personal", sagt der Ex-Finanzpolitiker Walter Siegert. Rund eine Million gut ausgebildeter Ostdeutscher sei nach der Wende rübergemacht. Die Warenströme gingen derweil in die andere Richtung. Nach Angaben von Christa Bertag lag der Wert der West-Exporte in die DDR 1989 bei gut acht Milliarden D-Mark. 1991 seien es dann 203 Milliarden Euro gewesen. "Weshalb sollten die West-Betriebe die Ost-Betriebe kaufen, wenn die Kapazitäten ausreichten."
Alfons Frese
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