Ifo-Chef Hans-Werner Sinn: "Griechen nutzen Flüchtlingskrise, um ihre Banken zu retten"
Der Ökonom Hans-Werner Sinn erhebt schwere Vorwürfe: Griechenland bitte die EU und damit die Steuerzahler zur Kasse, um die Reichen im Land zu schonen.
Bereichern sich die Griechen auf Kosten Europas? Glaubt man Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, saniert der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras derzeit die notleidenden griechischen Banken auf Kosten der europäischen Steuerzahler. „Die Griechen nutzen die Flüchtlingskrise, um ihre Banken auf Kosten der Euro-Gemeinschaft zu retten“, sagte Sinn dem Tagesspiegel.
Tspiras wolle den griechischen Banken noch in diesem Jahr 15 Milliarden Euro zuschustern. „Wenn das Ganze erst 2016 über die Bühne ginge, würden die Eigentümer ihr Geld verlieren, manche Gläubiger müssten einen Schuldenschnitt hinnehmen, und der Abwicklungsfonds würde zum Miteigentümer der Banken“, betont Sinn.
Das wolle die Regierung verhindern und habe es daher besonders eilig mit der Bankenrettung. Wenn das Geld nämlich noch 2015 fließt, müssten die derzeitigen Eigentümer der Banken, „meistens reiche griechische Familien“, nicht haften und könnten ihr Eigenkapital behalten. „Die Rettungsgelder sollen jetzt noch schnell zur Rettung der Reichen genutzt werden. Das ist skandalös, weil es den vereinbarten Abwicklungsmechanismus unterläuft“, ärgert sich Sinn.
Große Kapitallücke
Ende Oktober hatte die Europäische Zentralbank die griechischen Banken einem Stresstest unterzogen. Danach benötigen die vier größten Kreditinstitute bis zu 14,4 Milliarden Euro, um für eine erneute Krise gewappnet zu sein. Aber selbst wenn sich die wirtschaftliche Lage nicht verschlechtere, sieht die EZB bei der National Bank of Greece, der Piraeus Bank, der Alpha Bank und der Eurobank eine Kapitallücke von zusammen 4,4 Milliarden Euro. Das ist kein Pappenstiel. Im Sommer war man allerdings noch von einem weit höheren Kapitalbedarf von 25 Milliarden Euro ausgegangen. Die Frage ist: Wer füllt die Lücke?
Beim Euro-Gipfel am 13. Juli in Brüssel hatten sich die Teilnehmer im Grundsatz auf ein neues Hilfspaket für Griechenland in Höhe von 86 Milliarden Euro geeinigt. Im Gegenzug hatte sich Griechenland zu einer Reihe Reformen verpflichtet. Dazu zählte auch die Umsetzung der europäischen BRRD-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken.
Ende Juli beschloss das Parlament in Athen, dass die bereits in anderen europäischen Ländern geltende Richtlinie auch in Hellas umgesetzt wird. Die Neuregelung in Griechenland sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2016 im Fall einer drohenden Bankpleite zunächst Aktionäre und Gläubiger eines Finanzinstituts herangezogen werden („Opt-In“), bevor Steuergelder zum Einsatz kommen.
Auch die EU macht Tempo
Nach der Einigung über das dritte Hilfsprogramm für Athen drängten Vertreter der EU-Institutionen darauf, bis Ende dieses Jahres die vier größten griechischen Banken zu rekapitalisieren. Im September hatte Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem erklärt, dass eine rasche Rekapitalisierung nicht zum Ziel habe, die neuen „Opt-In“-Regeln zu umgehen.
Doch, so sagt Sinn, genau das geschehe jetzt. Dijsselbloem hatte argumentiert, er wolle Unsicherheiten in der Finanzbranche vermeiden. Durch den massiven Abfluss von Kapital waren die griechischen Geldhäuser auf dem Höhepunkt der Krise im vergangenen Sommer ausgeblutet.
Experten haben Zweifel
Die Rekapitalisierung einer Bank in Griechenland unter dem Dach des europäischen Krisenfonds ESM sieht nach den bis Jahresende geltenden Regeln weniger strikte Vorgaben zur Gläubigerbeteiligung im Fall einer Pleite vor als nach den Regeln der BRRD-Richtlinie. Der Finanzexperte Bert Van Roosebeke vom „Centrum für Europäische Politik“ (CEP) bezweifelt indes, dass die BRRD-Richtlinie die „fundamentalen Probleme der griechischen Wirtschaft“ löst.
Heike Jahberg, Albrecht Meier