Tierwohlabgabe und höhere Steuern: Greenpeace will 50 Cent Aufschlag pro Kilo Fleisch
Fleisch und Milch sollen teurer werden, fordern die Umweltschützer. Auch die Mehrwertsteuer soll steigen. Bürger müssten rund zehn Euro mehr im Monat zahlen.
Lebensmittel sind in Deutschland zu billig. Das sagen Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied. Greenpeace nimmt den Ball auf.
Am Montag haben die Umweltschützer Vorschläge vorgelegt, wie man die Menschen dazu bringen kann, sich klimafreundlicher zu ernähren, und wie man zugleich Geld auftreiben kann, um Tierhalter beim Umbau ihrer Ställe zu unterstützen.
Greenpeace setzt dabei vor allem auf zwei Schritte: die Einführung einer Tierwohlabgabe und die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Beides soll Fleisch- und Milchprodukte treffen.
Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter erhofft sich davon vor allem drei Effekte: Die Bundesbürger sollen weniger Fleisch und Milchprodukte essen, die Tierbestände sollen sinken, was die Umwelt entlasten würde, und die Landwirte sollen - durch die Tierwohlabgabe - mit der Tierhaltung wieder auskömmliche Einnahmen bekommen und genug Geld für eine Investition in tierfreundliche Ställe. "Wir brauchen eine Tierwohlabgabe, um die Qual der Tiere zu beenden", sagte Hofstetter am Montag in Berlin.
50 Cent Aufschlag auf Fleisch
Die Tierwohlabgabe soll Fleisch und Milchprodukte verteuern. Greenpeace geht von maximal 50 Cent auf jedes Kilo Fleisch und 1,5 Cent pro Liter Milch aus. Möglich seien aber auch Differenzierungen, die sich danach richten könnten, wie aufwändig der Umbau der Ställe ist. Dann könnte der Aufschlag bei Rindfleisch 75 Cent, bei Schwein 50 Cent und bei Geflügel 20 Cent pro Kilogramm betragen. Bio-Produkte sollen ausgenommen sein.
Nach Berechnungen des Forums Ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS), das für Greenpeace die Machbarkeit und Kosten verschiedener Abgaben und Steuern durchgerechnet hat, würde die Tierwohlabgabe 2,8 bis 4,5 Milliarden Euro im Jahr an zusätzlichen Einnahmen für tierfreundliche Investitionen bringen. Verbraucher würden durch die Abgabe im Schnitt monatlich rund 3,50 Euro pro Person mehr zahlen.
Volle Mehrwertsteuer auf Fleisch und Milch
Flankiert werden soll die Tierwohlabgabe nach Meinung von Greenpeace durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch- und Milchprodukte. Derzeit liegt die Mehrwertsteuer hier bei sieben Prozent, während etwa Hafermilch mit 19 Prozent besteuert wird. Für Fleisch und Milch soll künftig der volle Steuersatz erhoben werden, fordert Hofstetter.
Das würde dem Staat Mehreinnahmen von 3,5 Milliarden Euro im Jahr bescheren und die Treibhausgasemissionen um 6,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente senken. Konsumenten müssten im Schnitt 4,50 Euro im Monat mehr zahlen.
Wer häufiger hochpreisiges Fleisch oder teuren Käse kaufe, müsse mit Zusatzbelastungen von maximal sieben bis zehn Euro rechnen. "Steuern und Abgaben sollen klare Anreize bieten, den übermäßigen Konsum klima- und umweltschädlicher Lebensmittel zu beenden", sagte Hofstetter.
Grüne und SPD hatten bereits im vergangenen Jahr eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch und Wurst gefordert, kassierten für den Vorstoß aber heftige Kritik. Ihnen war vorgeworfen worden, mit der Steuererhöhung armen Leuten den Fleischkonsum praktisch unmöglich zu machen. Greenpeace will die soziale Frage lösen, indem im Gegenzug die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse reduziert werden soll und zwar auf den in der EU zulässigen Mindeststeuersatz von fünf Prozent.
Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast forderte am Montag eine bessere Tierhaltung. "Wenn allen Kunden beispielsweise die Schweinehaltung, insbesondere der wochenlange Kastenstand für Sauen, vor Augen wäre, dann würde eine Welle der Empörung durch die Gesellschaft gehen", sagte die Grünen-Politikerin dem Tagesspiegel.
"Allen Experten ist klar: Für den notwendigen Umbau brauchen die Bauern finanzielle Unterstützung, aber auch das Ordnungsrecht und eine umfassende Kennzeichnung von Wurst und Fleisch." Künast forderte eine Kommission, die den Umbau der Tierhaltung organisiert: "Eine Kommission für den Ausstieg aus der Massentierhaltung. Das ist eine Aufgabe, der sich die gesamte Gesellschaft stellen muss", sagte die Bundestagsabgeordnete.
Klöckner will staatliches Tierwohllabel etablieren
An Vorschlägen, wie man mehr Tierwohl finanzieren soll, mangelt es nicht. Kürzlich forderte die niedersächsische Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) eine Abgabe auf Fleisch und Milch, um mit dem Geld den Umbau von Ställen zu finanzieren. Bundesagrarministerin Julia Klöckner lehnt das jedoch ab.
Sie will ein staatliches Tierwohllabel auf dem Markt etablieren, das Landwirte bekommen sollen, die sich besonders um das Wohl ihrer Tiere verdient machen. Klöckner hofft, dass Verbraucher bereit sind, für solche Produkte mehr Geld auszugeben. Zudem will sie den Umbau der Ställe staatlich bezuschussen.
Wer glaubt eigentlich, dass Steuereinnahmen tatsächlich dort landen, wofür sie gedacht sind? Macht der Bundeshaushalt doch heute schon nicht. Zweckgebundene Abgaben halte ich für reines Wunschdenken. Die Taschen werden sich auf Seiten der Betriebe vollgestopft.
schreibt NutzerIn skyhawk
Das Projekt liegt jedoch derzeit auf Eis. Zwar gibt es einen Kabinettsbeschluss, aber im Bundestag kommt das Vorhaben nicht voran. Klöckner will das Label auf freiwilliger Basis einführen. Die SPD und Teile der Union fordern aber eine verpflichtende Lösung. "Damit eine Tierwohlkennzeichnung erfolgreich wird, muss sie verpflichtend sein", sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch dem Tagesspiegel. "In der bisher vorliegenden Fassung wird ihr Gesetzentwurf keine Mehrheit innerhalb der Koalitionsfraktionen bekommen. Wir bestehen darauf, dass sie auf den Ergebnissen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung unter Leitung des ehemaligen Bundesministers Jochen Borchert aufbauen muss."
Kommission für Nutztierhaltung
Im Frühjahr werden Ergebnisse einer Kommission erwartet, die unter Leitung des früheren Agrarministers Jochen Borchert (CDU), eine Konzeption für die Nutztierhaltung in Deutschland entwickelt. "Eine Landwirtschaftspolitik, die die Interessen der Landwirte und gesellschaftliche Erwartungen an sie zusammenbringt, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagte Miersch. Um einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen, sei ein Vorgehen wie bei der Kohlekommission erforderlich. Der Erfolg der Kohlekommission habe gezeigt, dass auch bei strittigen Themen unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden können und ein konstruktiver Kompromiss möglich ist.
Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung sei ein guter Ansatz, auf dem aufgebaut werden könne und der in einer Zukunftskommission "Landwirtschaft" münden könne. "Neben den Themen Nutztierstrategie und Tierwohllabel muss ein gesellschaftlicher Konsens auch eine anspruchsvolle Ackerbaustrategie umfassen und faire Preise für die Landwirte garantieren. Die EU-Agrarpolitik muss grundlegend geändert werden. Internationale Handelsverträge dürfen Klimaschutz, Artenvielfalt und Tierwohl nicht entgegenstehen", forderte Miersch.
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