USA: Glyphosat-Prozess gegen Bayer-Tochter Monsanto beginnt
Macht Glyphosat Krebs? Den ersten Prozess hatte die Bayer-Tochter Monsanto verloren. Am Montag beginnt das nächste Verfahren in den USA.
Diesen Montag dürfte sich Bayer-Chef Werner Baumann dick in seinem Kalender angestrichen haben. Ob das auch für die Rocklegende Neil Young gilt und seine Frau, die US-Schauspielerin Daryl Hannah, ist nicht bekannt. Beide waren zum ersten Prozess gegen die Bayer-Tochter Monsanto nach San Francisco gereist, um den Kläger, den krebskranken Hausmeister Dewayne Johnson, im Kampf gegen das Böse zu unterstützen. „Wir sind zur Unterstützung von Dewayne Johnson und der vielen Kinder hier, die auf den Schulhöfen spielen, auf denen er Unkrautvernichter gesprüht hat“, hatte Young den Journalisten in die Blöcke diktiert. 2015 hatte der Songwriter seine Platte „Monsanto Years“ dem Kampf gegen den Saatgut- und Pestizidhersteller gewidmet. Heute gehört Monsanto zu Bayer, im August ist das US-Unternehmen in den deutschen Konzern integriert worden. Mit 59 Milliarden Euro war es die teuerste Übernahme, die ein deutscher Konzern je gewagt hat.
Mehr als 9300 Klagen gibt es in den USA gegen Glyphosat
Doch nun fürchten Investoren um ihr Geld. In den USA wird Bayer mit Schadensersatzklagen überzogen. Mehr als 9300 Einzelklagen gibt es bereits, bei der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch wird Bayer wohl eine noch höhere, aktuelle Zahl veröffentlichen. Der erste Prozess ging verloren, die Aktie sackte daraufhin in den Keller.
Die Geschworenenjury am State Court befand im vergangenen August, dass das von Monsanto hergestellte Glyphosat haltige Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“, das Johnson auf Schul-Sportplätzen versprüht hatte, für seinen Lymphdrüsenkrebs verantwortlich ist. Zwar reduzierte die Richterin später die Schadensersatzsumme von 289 Millionen auf 78 Millionen Dollar, doch am Schuldspruch änderte sie nichts. Nun will Bayer in der Berufungsinstanz beweisen, was das deutsche Traditionsunternehmen stets betont: dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung unschädlich ist und dass es daran keinen wissenschaftlichen Zweifel gibt. Einen Termin für die Berufungsverhandlung gibt es noch nicht.
Am Montag beginnt der nächste Großprozess
Dafür steht aber nun eine andere Gelegenheit zur juristischen Rehabilitation an. An diesem Montag beginnt der nächste Großprozess. Der Kläger, Edwin Hardeman, 70 Jahre alt, hat Glyphosat in seinem Garten eingesetzt. Jetzt hat auch er Krebs, wie Hausmeister Johnson das Non-Hodgins Lymphon. Hardeman klagt auf Schadensersatz. Allerdings ist der Rentner auch an Hepatitis C erkrankt, das könnte seine Chancen schmälern.
Für Bayer ist das ein wichtiger Prozess. Unzählige US-Kanzleien haben sich auf Schadensersatzklagen gegen Großkonzerne spezialisiert. Mit TV-Spots und Plakaten suchen sie nach vermeintlichen Opfern von Medikamenten, Tabak oder Chemikalien. Sie locken mit hohen Schadensersatzzahlungen – ohne dass die Kläger viel tun müssen. Die Anwälte finanzieren Gerichtskosten und Gutachter vor, lassen sich dafür aber später fürstlich entlohnen, wenn Geld in die Kassen ihrer Mandanten fließt. „Im vergangenen Jahr hat es etwa zwölf Millionen TV-Spots für Klagen gegeben“, berichtet Mark Behrens von der US-Kanzlei Shook, Hardy & Bacon. Der Anwalt aus Washington berät Bayer, ist aber mit den aktuellen Glyphosat-Klagen nicht befasst.
Der neue Fall könnte die Richtung vorgeben
Der Fall Hardeman liegt anders als der Fall von Dewayne Johnson. Er wird nicht vor dem State Court, sondern vor dem Bundesgericht in San Franciso ausgetragen. Vor den Federal Courts können viele Klagen in einem „Multi-Distrikt-Verfahren“ gebündelt werden, einige dieser Fälle können als „Bellwether“-Fälle ausgewählt werden. „Sie können dann die Richtung vorgeben“, weiß Behrens. Der Fall Hardeman ist so einer.
Das Johnson-Verfahren hatte Bayer zur Unzeit getroffen. „Der Prozess hat in einer sehr sensiblen Phase stattgefunden“, hatte Bayer-Vorstand Liam Condon vor wenigen Monaten im Tagesspiegel-Interview erklärt. „Wir waren zwar auf dem Papier schon Eigentümer von Monsanto, aber aufgrund von Vorgaben des US-Justizministeriums hatten wir noch keinen Einfluss auf das Management und auf die Verteidigung vor Gericht“. Jetzt ist das anders. Und so setzt Bayer alles daran, Glyphosat zu verteidigen. Man lässt Bauern zu Wort kommen, die erklären, wie wichtig das Herbizid ist, um hartnäckige Störenfriede wie Quecke oder Ackerfuchsschwanz auszumerzen. Man verweist auf Sri Lanka, das Glyphosat verboten, dann aber wieder erlaubt hat, nachdem der wertvolle Tee vom Unkraut erdrosselt worden ist.
Umweltschützer bekämpfen Glyphosat
Doch auch die Gegner sind rührig. Umweltschützer bekämpfen Glyphosat seit langem. Weil das Herbizid in die Wurzeln eindringt und alle Pflanzen tötet, auf denen der Stoff landet, machen sie Glyphosat für die Monokulturen auf den Feldern und das Insektensterben verantwortlich. Ihr Ziel: keine weitere Verlängerung der Zulassung in der EU nach 2022.
Monsanto als "Ghostwriter" von Studien?
Und auch die Hauptverteidigungslinie von Bayer, dass nämliche sämtliche Zulassungsbehörden Glyphosat für undenklich halten, greifen Kritiker wie die Grünen-Europaabgeordnete Maria Heubuch an. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) habe bei seinen Einschätzungen von Monsanto abgeschrieben, behauptet die Grüne. Zur Empörung von Amtschef Hensel Tatsächlich weiß Bayer nahezu alle namhaften Wissenschaftler hinter sich. Nur die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) hatte im März 2015 Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft – für die US-Klageindustrie ein Sechser im Lotto. Dass die IARC auch rotes Fleisch, heiße Getränke oder Schichtarbeit für gefährlich hält, bleibt dabei gern außen vor. Und auch, dass die Studie selbst innerhalb der WHO eine Minderheitsmeinung ist. „Drei von vier WHO-Agenturen sind der Meinung, dass Glyphosat sicher beziehungsweise nicht krebserregend ist“, sagt die Ärztin Liza Halcomb, die für Bayer arbeitet. Und verweist auf die größte und aktuellste Studie des US-Krebsforschungsinstituts mit mehr als 50.000 Anwendern von Pflanzenschutzmitteln, die 2018 keine Verbindung zwischen Glyphosat und Krebs feststellen konnte.
15 Millionen Dokumentenseiten von Monsanto
Munition meinen US-Klägeranwälte nun aber auch in Monsantointerna gefunden zu haben. 15 Millionen Dokumentenseiten hat die Bayer-Tochter der Gegenseite zur Verfügung gestellt. Darunter auch die E-Mail der Monsanto-Wissenschaftlerin Donna Farmer an einen Kollegen. Man könne nicht sagen, „dass Roundup kein Karzinogen ist“, heißt es darin – ein gefundenes Fressen für die Kläger. Dass Farmer wenig später in derselben Mail betont, dass man diese Aussage aber sehr wohl über den Wirkstoff Glyphosat machen könne und dass es daher keinen Grund gebe, zu glauben, dass Roundup Krebs verursache, wird in der Prozessführung dann eher verschwiegen.
Die Verfahren dürften sich über Jahre hinziehen, weitere kommen hinzu. Im März steht der Prozess der Eheleute Pilliod vor dem State Court in Kalifornien an, zwei Verfahren in Monsantos Heimatstadt St. Louis folgen. Wie sie ausgehen? Selbst Neil Young scheint skeptisch zu sein. „Too big to fall/Too rich for jail“, singt er auf „Monsanto Years“ – die Großkonzerne sind zu groß, um zu fallen, und zu reich, um ins Gefängnis zu gehen. Bayer und seinem Chef Werner Baumann dürfte das eher Mut machen.