Neil Young und sein neues Album: Mal wieder die Welt retten
Alttestamentarischer Zorn: Neil Young zieht mit seinem Album „The Monsanto Years“ gegen die Agrarindustrie zu Felde.
Monsanto ist ein amerikanischer Agrarkonzern, der weltweit den Markt für genverändertes Saatgut beherrscht. Die Firma mit Sitz in St. Louis lässt die von ihr manipulierten Pflanzen patentieren und verbietet Landwirten, bei Ernteausfällen juristisch gegen sie vorzugehen, Sie hat das Vietnamkriegsgift Agent Orange hergestellt, soll Politiker bestochen und wissenschaftliche Daten gefälscht haben, um Lizenzen zu erhalten. Der Multi ist ein Moloch, ein gefräßiges Monster, das immer mehr Äcker unter seine Kontrolle bringt. Monsanto steht für die dunkle Seite des Kapitalismus, als Lieblingsfeind von Umweltaktivisten hat es eine Rolle übernommen, die zuvor von skandalumwitterten Marken wie Exxon, Nestlé oder Shell ausgefüllt wurde.
Der Unterschied: Der Name des Unternehmens, das letztes Jahr 11,7 Milliarden Euro umsetzte, klingt besser. Mon-san-to, drei Silben, eine Melodie. „Give us this daily bread, and let us not go / With Mon-san-to, Mon-san-to“, singt Neil Young im Titelstück seines 37. Studioalbums „The Monsanto Years“. Ein Stoßgebet im Bluesschema, beinahe ein Gospel, begleitet von schwer rollenden E-Gitarren. Mit alttestamentarischem Zorn verflucht der Sänger die moderne Agrartechnologie: das „Gift“ der patentierten Samen, die „verpestete Flut“ der Pestizide und die GMOs (genetisch modifizierte Organismen), die „das Leben zur Hölle“ machten.
"Monsanto Years" ist ein Wutalbum, erinnert musikalisch aber an "Harvest"
„Monsanto Years“ ist ein Wutalbum. Aber es klingt sanft, mehr nach dem Folkrock von Neil Youngs Klassiker „Harvest“ (1972) als nach den Krachexkursen seiner Grungerockplatte „Ragged Glory“ (1990). Zur entspannten Stimmung tragen neben Youngs Lagerfeuermundharmonika die betörenden Backgroundchöre seiner neuen Begleitband Promise Of The Real bei. Leadgitarrist Lukas Nelson, Sohn des Country-Rebellen Willie Nelson, hatte die Gruppe 2008 nach dem Erweckungserlebnis eines Young-Konzerts gegründet. Young feiert im November seinen 70. Geburtstag, seine Koteletten, die buschigsten im Rock-’n’-Roll-Zirkus, sind längst ergraut. Einige Mitglieder seiner Hausband Crazy Horse sind noch älter. Promise Of The Real spielen fast so federnd und funky wie Crazy Horse. Aber die Musiker könnten Youngs Enkel sein.
In „People Want To Hear About Love“, einem Hate-Song, der sich als lieblich schunkelnder Love-Song tarnt, knurrt Young: „Don’t talk about hunger / Talk about global love“, und die Band antwortet: „People want to hear about love now“. Es geht darum, worüber in Amerika geredet wird und worüber nicht. Über Liebe, den blauen Himmel und das Gutdraufsein sprechen alle. Aber über das Fischsterben in den Meeren, den Abbau von Bürgerrechten zugunsten von Firmeninteressen oder die obszön hohen Gewinne des Ölkonzerns Chevron? Lieber nicht.
Der Kanadier versteht sich bis heute als Hippie
„It’s a bad day to do nothing / While so many people need our help“, heißt es im hymnischen Auftaktstück „A New Day For Love“. Der drängende Tonfall erinnert an Youngs herausragendes Doppelalbum „Psychedelic Pill“, auf dem er 2012 die Bilanz seines Aktivistenlebens zog: „Me and some of my friends / We were ready to save the world / Then the weather changed and life got strange and it fell apart / And it breaks my heart to think about how close we came“. Die Welt haben er und seine Mitstreiter nicht gerettet. Aber sie waren verdammt nah dran. Und er will weiterkämpfen. Diesmal mit „Monsanto Years“ nicht bloß gegen Monsanto, sondern auch gegen Starbucks, Walmart, Safeways und Chevron, die ebenfalls ihre Breitseiten abkriegen.
Der Kanadier versteht sich bis heute als Hippie. Aber er ist gleichzeitig ein überzeugter Wertkonservativer. Dem Klischee eines von selbstsüchtigen Managern beherrschten Haifischkapitalismus stellt er das nostalgisch verklärte Bild des guten alten Amerika gegenüber, in dem ehrliche Arbeiter noch ehrlich entlohnt wurden. Auf dem Cover steht Neil Young mit seiner Lebensgefährtin Daryl Hannah als Farmerpaar vor einem Holzhaus. Das Doppelporträt parodiert Grant Woods berühmtes Gemälde „American Gothic“, das 1930, mitten in der Weltwirtschaftskrise, das amerikanische Landleben mit den hyperrealistischen Mitteln eines Alten Meisters feierte.
„Too big to fall / Too rich for jail“, lautet das Verdikt über die Großkonzerne. Sie werden immer weitermachen. Weil sie zu groß sind, um zu scheitern. „Big Box“ heißt der Song, in dem die Gitarren besonders böse fauchen. Das ist plakativ, aber es gibt auch subtilere Momente. In „Workin’ Man“ erzählt Young beinahe reporterhaft die Geschichte eines Farmers aus Indiana, der sein Land verliert, weil Monsanto ihn wegen Patentverletzungen verklagt.
Ein Dokumentarfilm, der dem Album beiliegt, zeigt die Aufnahmen, die unter Livebedingungen in einem alten südkalifornischen Kino stattfanden. In slapstickhaften Zwischensketchen spielt Neil Young in Men-in-Black-Aufmachung einen Manager, der beides ist: superfies und superblöd. Er spricht in klobige Handys und hat Koffer voller Geld dabei, Kapitalismuskritik kann lustig sein.
„The Monsanto Years“ von Neil Young und Promise Of The Real ist bei Reprise/Warner erschienen
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